piwik no script img

Berliner SzenenAbwarten nervt

Die Hustenzeit geht weiter, wider Erwarten wird die Autorin nicht jünger. Sie versucht, das Gute zu sehen. Es erweist sich als halbes Brot.

Die Lunge der Autorin (Symbolbild). Bild: dpa

D ie Ärztin ruft mich zurück, als ich gerade vom Optiker nach Hause laufe. Ich habe meine neue Brille abgeholt, und die Welt wackelt noch ein bisschen, ich hab seit meiner Kindheit keine Brille getragen. Es fühlt sich an wie ein schlechtes Computerspiel, surreal und unangenehm. Aber falls jetzt einer mit dem Auto in mich reinfährt, wird es wirklich wehtun.

„Ihre Lunge ist unauffällig“, sagt die Ärztin, „da ist nichts, da können Sie beruhigt sein.“ - „Hm, ja“, sage ich, „das ist gut, aber ich huste immer noch. Seit zwei Monaten jetzt.“ - „Ja“, sagt sie, „da weiß ich jetzt aber so langsam auch nicht mehr weiter. Wir haben alles ausgeschlossen.“

Ich soll abwarten, sagt sie. Abwarten nervt. Ich frage, ob ich Hustenlöser nehmen soll. „Das können Sie machen, aber laut Studien bringen die nichts. Gibt trotzdem Leute, die drauf schwören.“ Das ist alles nicht sehr erheiternd. „Okay, danke“, sage ich. „Alles Gute“, sagt die Ärztin.

Ich hab jetzt also bessere Augen als vorher und eine schrottige Lunge, die erst mal so bleibt. Während ich das schreibe, fällt mir wieder ein, dass ich das Auto abmelden wollte. Kein Geld zum Reparieren, kein Geld für den TÜV. Meine Lunge hat sich geräuschmäßig dem Auto angenähert, obwohl das Auto dreizehn Jahre älter ist.

Na ja. Konzentrieren wir uns auf das Gute. Ich kann nun also weiter gucken als vorher. Die Leute werden dadurch nicht schöner, das kann ich jetzt schon sagen.

Ich gehe zum Bäcker, da hab ich neulich schon probehalber die Brille von S. aufgesetzt und mich über die vielen verrückten Brotsorten gewundert. Obwohl ich seit fünf Jahren zu diesem Bäcker gehe. Ich kaufe ein halbes Möhre-Walnuss-Brot, und wie immer, wenn ich ein halbes Brot kaufe, frage ich mich, wer die andere Hälfte kaufen wird und ob der oder die andere sich das auch fragt. Wahrscheinlich nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Margarete Stokowski
Autorin
Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Ist hier im Forum Treffpunkt der "Anonymen Hypochonder"? ©TOM

     

    Aber jetzt ernsthaft:

    Wenn die Schüßlersalze versagen, mal auf http://de.wikipedia.org/wiki/Reflux%C3%B6sophagitis testen lassen.

     

    aus Wikipedia: "Weitere Symptome sind z. B. chronischer Husten, häufig fälschlicherweise als Asthma bronchiale diagnostiziert..."

    • @lichtgestalt:

      Wobei Reflux-Patienten ja primär an Sodbrennen leiden und damit zum Arzt gehen.

       

      'Hypochondrie' (griech.: Gegend unter den Rippen) ist übrigens ein Begriff aus einer Zeit, in der man die Milz noch als Entstehungsherd von Gemütskrankheiten ausmachte und glaubte, "dass die Gebärmutter, wenn sie nicht regelmäßig mit Samen (Sperma) gefüttert werde, im Körper suchend umherschweife und sich dann am Gehirn festbeiße."

      • @Rainer B.:

        Problem ist, dass viele PatientInnen unter ihrem Sodbrennen nicht "leiden" und auch ihrer Ärztin davon nichts erzählen. Ich kenne einige Fälle, wo sich Dauerheiserkeit und Husten als Reflux-Folge entpuppten.

         

        Als erklärtem Liebhaber von TOMs Touchés gefallen mir die anonymen H. natürlich besonders. Dass, trotz der Fortschritte, in Medizin und Anatomie mit Begriffen aus alten Sprachen gearbeitet wird, kann ich in Kauf nehmen; und (scheinbar lustige) Irrglauben aus alter Zeit über das Wesen von Milz und Gebärmutter, mehren nur meine Achtung vor echter Wissenschaft.

  • Halbes Brot ist halber Schimmel!

  • Liebe Margarete Stokowski, hartnäckiger Husten, der sich zwei Monate hält, ggfs. nachts stärker wird, wobei Du dich selbst ggfs. auch mal "pfeifen" hörst (Richtung Asthma) und der sich ggfs. durch Hustenlöser und andere herkömmliche Medikamente nicht stoppen lässt, könnte auch allergieinduziert sein. Wie das raus findest? Gggfs. einfach mal eine Packung frei verkäuflicher Allergietabletten (z.B. Lora ADGC mit 10mg Loratadin als Wirkstoff) kaufen und abends vor dem Schlafengehen 1 Tablette nehmen (notfalls auch mal 2). Wenn das hilft, weißt Du, dass eine Allergie die Ursache ist, weißt aber noch nicht welche. Das kann dann später ein Allergietest ergeben, Ursachen wären vielfältige möglich: Hausstaub, Schimmel, Tierhaare, Haselpollen, die jetzt schon fliegen. Du kannst unbesorgt erst mal die Allergietabletten nehmen, ggfs. dann später eine Hyposensibilisierung machen. Einen Versuch ist der Selbsttest mit Allergietabletten

    wert. Kostet ja nicht viel; versuch´s mal. Herzliche Grüße von Markus Strobl

    • @Markus Maria Strobl:

      Gute Empfehlung! Es bringt allerdings nichts, wenn man mehr als eine Lora/Tag einnimmt. Die Wirkung wird dadurch nicht größer. Früher stand das so auch immer im Beipackzettel.

      Wenn Allergie und Erkältung zusammenfallen, kann es schnell auch mal zu asthmaartiger Atemnot kommen. Ich hab da sehr gute Erfahrungen mit Gelomyrtol forte gemacht. Es hält die Atemwege und Nebenhöhlen frei und löst den Schleim aus den Bronchien. (Tip: Nach der Einnahme etwas essen und trinken, sonst kann es schon mal zu Übelkeit kommen, wenn sich die Kapseln im Dünndarm auflösen!)