Berliner Sternsinger mit Problemen: Drei Heilige Könige haben's nicht leicht im Atheistenland
Kinder singen und beten in Neukölln für den guten Zweck. Nicht jeder ist begeistert.
Als Heilige Drei Könige verkleidet ziehen Franziska (9 Jahre), Denisa (11) und Johanna (10) mit zehn Sternsingern durch Neukölln. Sie wollen Spenden für "arme Kinder sammeln", erklärt Denisa. Zuerst gehen sie mit der katholischen Gemeindereferentin Christina Brath zu Familie Rothe-Korn in einem Hochhaus in Neukölln. Siegrun Rothe-Korn freut sich jedes Jahr über den Besuch der Kinder. Sie hat Kekse für sie vorbereitet. "Wir wollen den Kindern etwas Gutes tun - und dass unsere Wohnung das ganze Jahr über geschützt ist", sagt sie. Die Sternsinger ziehen weiter, bei den Nachbarn klingeln sie aber lieber nicht.
Denn in Berlin haben es Sternsinger nicht immer leicht. Oft stießen sie auf Unverständnis oder Unwissenheit, erklärt Daniela Dicker vom Kindermissionswerk. Viele Sternsingergruppen gingen darum nicht mehr von Tür zu Tür oder besuchten Familien nur noch auf ihren ausdrücklichen Wunsch.
Die Sternsinger gehen in die Gropiuspassagen. Bevor sie dort ankommen, bereitet Brath die Kinder auf mögliche Reaktionen der Passanten vor. "Viele von ihnen wissen gar nicht, wer Gott ist, und wollen nicht, dass wir zu ihnen gehen." In dem Einkaufscenter singen und beten die Kinder für Passanten und Ladenbesitzer. An einer Apotheke, einem asiatischem Imbiss und einem Fußball-Fanshop hinterlassen sie am Eingang mit Kreide das Zeichen "20*CMB*11" als Segen. Daran haben allerdings nicht alle Ladenbesitzer Interesse. Einige winken ab, als die Kinder für sie singen wollen. "Warum dürfen wir nicht rein?" fragt die als Melchior verkleidete Denisa, nachdem ein Optiker die Gruppe weggeschickt hat. Gründe möchte dieser aber nicht nennen.
Gemeindereferentin Brath schützt ihre Kinder vor solchen Reaktionen, indem sie versucht nur Menschen anzusprechen, die "freundlich und interessiert gucken". Auch viele Passagenbesucher können mit dem Kindergesang nur wenig anfangen. Eine Passantin gibt zu, dass sie gar nicht weiß, wer die Heiligen Drei Könige sind, gibt den Kindern aber trotzdem eine Spende. "Jeden Tag eine gute Tat", sagt sie.
Touristen von außerhalb sind überrascht, die Sternsinger in Berlin zu sehen. "Bei uns zu Hause sind die ja überall, aber hier wundert mich das schon", bemerkt Angelika Schmidt-Klopfer aus Stuttgart. Zu Feindlichkeiten gegen die Sternsinger kommt es an diesem Tag nicht. "Wäre es für die Kinder gefährlich, würden wir nicht mit ihnen rausgehen", betont Dicker.
Die Schülerin Franziska läuft als Caspar schon seit sechs Jahren mit den Sternsingern mit. Manchmal auch an zwei Tagen hintereinander. "Meistens sind die Leute nett", sagt sie, "weil sie wissen, dass wir nur helfen wollen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis