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Berliner Senat bei ImmobilienmesseKlassenfahrt nach Südfrankreich

Jonas Wahmkow
Kommentar von Jonas Wahmkow

Mietenkrise? Warum nicht mal in Frankreich In­ves­to­r:in­nen nach bezahlbaren Wohnraum fragen. Wenig überraschend war die Idee wenig erfolgreich.

Wenn Mieterhöhungen Freude bereiten: Be­su­che­r:in­nen der MIPIM beim Networken Foto: IMAGO / SOPA Images

B erlin taz Entgegen aller Kritik lässt der Senat nichts unversucht, um die prekäre Situation von Berlins Mie­te­r:in­nen zu verbessern. So reiste Bausenator Gaebler (SPD) Anfang März mit einer Delegation von Ver­tre­te­r:in­nen landeseigener Unternehmen zur internationalen Immobilienmesse MIPIM ins französische Cannes. Berlin war dort mit einem eigenen Messestand vertreten; der Bausenator war sogar als Redner vertreten. Nun wollte die Grünen-Mietenpolitikerin Katrin Schmidberger in einer parlamentarischen Anfrage vom schwarz-roten Senat wissen, was konkret beim Ausflug nach Südfrankreich herausgekommen ist.

„Senator Gaebler warb auf der MIPIM intensiv für langfristige und nachhaltig wirkende Investitionen in den Berliner Wohnungsmarkt“, heißt es in der noch unveröffentlichten Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. Die Messe sei eine „gute Gelegenheit, auf die Bedarfe nach leistbaren Wohnungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt hinzuweisen“.

Laut Selbstbeschreibung ist die Marché International des Professionnels de l’immobilier, kurz: MIPIM, ein Networking-Paradies für „Investoren, Entwickler, Vermögensverwalter und Anwälte“ und „die beste Gelegenheit, die Stimmung auf den Kapitalmärkten zu messen“. Also eine Klientel, das aus der Perspektive von Berlins Mie­te­r:in­nen eher auf der anderen Seite der (metaphorischen) Barrikade zu verorten ist.

Eine gute Gelegenheit also für Bausenator Gaebler, den Profiteuren der Mietenkrise mal deutliche Hinweise zu geben, wie sie ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden. Und am besten geht das, folgt man der Logik der Senatsverwaltung, über einen eigenen Messestand, „um Vertreterinnen und Vertretern von investitionsinteressierten Unternehmen die Rahmenbedingungen für Investitionen in Berlin zu erläutern“, wie Gaeblers Verwaltung schreibt.

Wenig Interesse an Berlin

Aber auch das zeigt die Antwort: Das Interesse war eher mager. Nur vier Unternehmen schauten beim Berlin-Stand vorbei. Alle haben bereits laufende Immobilienprojekte in der Hauptstadt und erkundigten sich lediglich nach dem entsprechenden aktuellen Sachstand. „Für das wichtigste Bauthema, den Bau bezahlbarer Wohnungen, war der Ausflug völlig sinnfrei“, kommentiert Katrin Schmidberger.

Hätte man sich eigentlich auch vorher denken können und die insgesamt mehr als 120.000 Euro, die Stand, Akkreditierung und Unterkunft gekostet haben, sparen können. Damit hätte Berlin auch den Ende 2024 abgeschafften kostenlosen Museumssonntag noch ein halbes Jahr finanzieren können. Aber das ist natürlich nicht so wichtig wie die hoffentlich vergnügliche Klassenfahrt nach Cannes.

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Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
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