piwik no script img

Berliner Polizeiführung„Jetzt rätseln wieder alle“

Innensenator hätte neuen Polizeichef sofort präsentieren müssen, meint der Grüne Wolfgang Wieland. Erste Infos sickern aber schon durch.

Hat den Polizeipräsidenten gefeuert: Innensenator Andreas Geisel (SPD) Foto: dpa

Berlin taz | Die Gerüchteküche brodelt. Wer wird die Hauptstadtpolizei in Zukunft leiten? Ist es eine Sie oder ein Er, hat die Person Polizeierfahrung, kennt sie Berlin? Von allen Spekulationen, die am Dienstag kursierten, wurde zumindest eine Teilinformation von gut unterrichteten Kreisen bestätigt: Berlin bekommt eine Polizeipräsidentin. Die Rede ist von einem rot-rot-grünen Aufbruchssignal.

Am Montag hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) Polizeipräsident Klaus Kandt überraschend in den sofortigen Ruhestand geschickt. Der Nachfolger stehe bereits fest, hatte Geisel gesagt. Mitte April werde er die Person präsentieren. Weil die bisherige Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers am 1. März Generalstaatsanwältin von Berlin wird, muss die Führungsspitze nun komplett neu besetzt werden.

Das sei eine Chance für einen Neuanfang, hatte Geisel Kandts Rauswurf begründet. „Die Polizei muss befreit werden von den Debatten der Vergangenheit.“ Damit meinte Geisel unter anderem die Versäumnisse im Fall des islamistischen Attentäters vom Breitscheidplatz, Anis Amri, und die Missstände in der Polizeiakademie.

Mit Ausnahme der CDU halten alle Parteien die Entscheidung für richtig. Die Stelle der Vizepräsidentin wird öffentlich ausgeschrieben. Man wünsche sich eine Polizeiführung mit Visionen, die nicht nur verwalte, sondern auch Forderungen stelle, sagte der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Benjamin Jendro. „Dann hat man auch die Rückendeckung der Kollegen.“ Kandt und Koppers hätten es jahrelang versäumt, sich für ihre Untergebenen einzusetzen. Als Beispiel nannte Jendro eine unzureichende Zahl von Polizisten, marode Dienstgebäude und die veraltete Ausrüstung. Einiges nimmt die rot-rot-grüne Regierung nun in Angriff.

Wie viel Polizist muss sein?

Über die Frage, ob die oder der Neue eigene Polizeierfahrungen haben muss, um die 24.000 Mitarbeiter zählende Behörde leiten zu können, streiten sich die Geister. Wenn einer der beiden an der Spitze von Beruf Polizist sei – „das reicht“, meint Jendro. Innerhalb der Polizei gibt es aber auch Mitarbeiter, die Polizeiführungserfahrung bei dem obersten Chef oder der Chefin für ein Muss halten. „Sonst ist die Akzeptanz gering, weil sie nicht wissen, wie der Laden tickt“, heißt es aus Polizeikreisen.

Für einen Neuanfang sei es wichtig, dass die Person an der Polizeispitze nicht direkt aus dem Apparat kommt, sagt dagegen der Innenpolitiker der Linken, Niklas Schrader. Die Person müsse zu Fehlern innerhalb der Polizei stehen können. „Nur wenn man das tut, kann man daraus lernen.“ Konzentration auf Bürgernähe, Kriminalitätsbekämpfung und Gefahrenabwehr wünscht sich Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen.

Lux’ Parteifreund Wolfgang Wieland, langjähriger Kenner der Berliner Polizei, hofft, dass der oder die Neue nicht so wie Klaus Kandt aus den Reihen der Bundespolizei kommt. Personalführungskompetenz, Managementfähigkeiten und „ein intellektuelles Kaliber“ seien in dem Job vonnöten, so Wieland. „Die Polizei ist keine Firma, die Reifen herstellt, da muss man sich reinfinden können.“ Ein Unding sei, wenn ein Polizeipräsident, wie es Kandt getan hat, nach Villeneinbrüchen zu Bürgern sage: „Wir können euch nicht schützen, dass müsst ihr selber tun.“ Oder wenn beschlagnahmte Autos direkt aus dem Gewahrsam der Polizei geklaut würden oder in Polizeiwachen eingebrochen werde.

Allerdings hätte Geisel den oder die Neue am Montag gleich der Öffentlichkeit präsentieren müssen, findet Wieland. So befinde man sich wieder einmal in dem für Berlin üblichen Schwebezustand. „Jetzt rätseln wieder alle rum.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!