Berliner Pannenflughafen BER: Ziemlich viel Kladderadatsch
Flughafenchef Lütke Daldrup muss vor dem BER-Untersuchungsausschuss aussagen. Das ist so spannend, dass er gleich noch mal als Zeuge geladen wird.
Als Zeugen wollte die Opposition den Sozialdemokraten vernehmen, weil er im Juni an einem Treffen des rot-rot-grünen Koalitionsausschusses teilgenommen hatte. Bei dem, so mutmaßen CDU, FDP und AfD, sollen Interna der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) zur Sprache gekommen sein, die im FBB-Aufsichtsrat keine Erwähnung fanden.
Ob's stimmt, weiß niemand, Stroedter selbst antwortete nicht auf inhaltliche Fragen – und musste das auch nicht. Zu diesem Schluss war der Wissenschaftliche Parlamentsdienst in einem extra angeforderten Gutachten gekommen. Das klärte auch die Frage, ob ein Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss gleichzeitig Mitglied dieses Ausschusses bleiben kann: Er kann.
Nach Stroedters unergiebiger Befragung war dann FBB-Geschäftsführer Lütke Daldrup dran, der zum Entsetzen vieler Anwesender erst einmal eine Tour d'Horizon zu Geschichte und Gegenwart des Großflughafens gab. Der mittlerweile schon sprichwörtliche „Kladderadatsch“ kam noch einmal zur Sprache, mit dem der im März 2017 eingesetzte FBB-Chef aufräumen will – und die wiederholte Beteuerung, dass der vor einem Dreivierteljahr verkündete Eröffnungstermin im Oktober 2020 weiterhin „realistisch“ sei. Lütke Daldrup: „Mir ist klar, dass wir mit diesem Termin die Menschen in der Region, die Politik und auch die Wirtschaft stressen.“ Das sei aber „allemal besser als eine neuerliche Terminverschiebung“.
Bei der folgenden Befragung wurde deutlich, wie unterschiedlich das Erkenntnisinteresse der verschiedenen Fraktionen ist und dass viele Mitglieder der Meinung sind, ein weiterer Untersuchungsausschuss sei gar kein sinnvolles Instrument zum Umgang mit dem BER – weil der per definitionem nur in die Vergangenheit blicken kann. Das fuchst auch FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja, obwohl er auf einer kurzen Pressekonferenz zwischen zwei Befragungsrunden das Gegenteil behauptete.
Czaja hatte die Einsetzung des Ausschusses maßgeblich vorangetrieben und musste dann die Kröte schlucken, dass er das in die Zukunft gerichtete Anliegen, das ihn eigentlich umtreibt – wie kann der Flughafen Tegel offen bleiben? – nur unter Verwendung von Winkelzügen verfolgen kann.
Der FDPler versuchte denn auch, Lütke Daldrup mit Fragen nach der Kapazität des BER und dem Masterplan für dessen Erweiterung in die gewünschte Richtung zu drängen. Natürlich spielte der gewohnt schnoddrige Flughafenchef da nicht mit und parierte unter Verweis auf den vorgesehenen „modularen“ Ausbau des Flughafens. Der könne bei Nachrüstung des Problemterminals T1 mit einer weiteren Gepäckförderanlage sowie mit allen noch zu bauenden Ergänzungs-Terminals im Jahr 2040 selbst 55 Millionen Passagiere im Jahr abfertigen. Wenn es denn einmal so viele werden – derzeit liegt die Zahl bei 33 Millionen.
Auf der Pressekonferenz betonten fast alle Fraktionsvertreter, dass sich der Ausschuss noch habe „zurechtruckeln“ müssen, wie CDU-Mann Christian Gräff es ausdrückte. Gräff und Czaja wiesen noch einmal darauf hin, dass die FBB es während der gesamten parlamentarischen Sommerpause nicht geschafft habe, die vom Ausschuss angeforderten Akten, vor allem aus den diversen Controlling-Einheiten des Unternehmens, zur Verfügung zu stellen.
Das soll sich bis zur nächsten Zeugenvernehmung ändern – dann sitzt Engelbert Lütke Daldrup gleich noch einmal auf dem Zeugenstuhl.
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