Berliner „Museum des 20. Jahrhunderts“: Solitär statt Städtebau
Für das Museum des 20. Jahrhunderts beginnt der Ideenwettbewerb.
Über dem ehrgeizigen Projekt prangt der Name der Kulturstaatsministerin Monika Grütters als treibende Kraft. Das wirkliche Sagen hat aber Finanzminister Schäuble. Aus seinem Haus, unterstützt durch den Bundesrechnungshof, kam die dringende Empfehlung, das Gelände an der Potsdamer Straße zwischen dem Mies-van-der-Rohe-Bau der Nationalgalerie und der Philharmonie von Hans Scharoun als alternativloses Baufeld auszuweisen. Dadurch wird ein zweiter möglicher Standort an der Sigismundstraße geopfert – und zudem die Freiheit von Vorgaben, die einen Ideenwettbewerb auszeichnet.
Das Finanzministerium möchte das Projekt auch nicht durch das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung betreut sehen und drängt auf eine Öffentlich-Private-Partnerschaft mit der ÖPP Deutschland AG. Eine Notwendigkeit dafür – wie etwa der Mangel an Kapital, das der private Partner beibrächte – liegt nicht vor. Angeblich glänzt die ÖPP stattdessen mit einer besonderen, aber schwer zu konkretisierenden Wirtschaftlichkeit.
Museen gleicher Größe für ein Viertel des Preises
Immerhin hat der Haushaltsausschuss des Bundestages eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgesetzt – allerdings ist nicht publik, wer sie durchführt. Wirtschaftlichkeit ist ein interessanter Begriff, werden doch die Kosten für das neue Haus auf 200 Millionen Euro veranschlagt. Für Museumsneubauten gleicher Größe in Essen oder Mannheim reichten jeweils etwas mehr als 50 Millionen Euro.
Natürlich ist selbst die enorme Summe von 200 Millionen nichts gegen die Summe, die ein städtebaulicher Wettbewerb für das Kulturforum − der nun im Vorfeld des Museumneubaus erstmals wirklich sinnvoll und deshalb notwendig wäre – zu Tage brächte. Wohl kaum ein Entwurf würde die Piazetta genannte Erdanhäufung zwischen Kunstbibliothek und Kunstgewerbemuseum nicht wegräumen: mit weitreichenden Folgen. Berlin wäre nicht Berlin, wenn die verantwortlichen Bau- und Stadtentwicklungssenatoren nicht glaubten, das Problem verschwände, würde man nur nicht an ihm rühren.
Ein weiterer Solitär soll künftig den Blick auf den Schlamassel verstellen, jedenfalls von der Potsdamer Straße her. Obwohl nach Meinung der Verantwortlichen von Bund und Land vom schönsten Baufeld Europas die Rede ist, ist es doch so, wie der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger mit entwaffnender Ehrlichkeit sagte: „Schon allein, dass gebaut wird, ist doch eine schöne Nachricht“.
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