Berliner Marktleben: Köstlichkeiten im Preußenpark
Auch während der Umbaubauarbeiten läuft der Essensverkauf auf der Thaiwiese in Wilmersdorf weiter. Allerdings gelten dort jetzt Regeln.
Begonnen hatte der Thaimarkt vor mehr als 20 Jahren als Treff von thailändischen Berlinerinnen, die hier an den Wochenenden zusammensaßen und dabei selbst zubereitete Speisen verzehrten. Parkbesucher wollten etwas davon kaufen, und so entstand im Laufe der Jahre ein Markt von Speisen und Getränken aus vielen fernöstlichen Ländern, der immer größer wurde und es ohne Zutun des Landes Berlin in mehrere Berliner Reiseführer schaffte. Bis zu tausend sonnenhungrige Asia-Fans verteilten sich an warmen Freitagen, Sonnabenden und Sonntagen über die Wiese, und verzehrten asiatische Köstlichkeiten. Die Wiese selbst verwandelte sich zunehmend in eine Staubwüste.
Doch was Touristen und asiatische BerlinerInnen freute, ärgerte viele Anwohner in Wilmersdorf: Die einzige Grünfläche weit und breit war kommerzialisiert, zudem ein rechtsfreier Raum. Abends wurde es laut, der Müll zog Ratten an, die sich auch in der Nachbarschaft verbreiteten.
Um den Zustand zu ändern, startete der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf 2018 ein Beteiligungsverfahren. Das Ziel: Der bekannte Touristenmagnet soll erhalten bleiben, aber in kleinerer Form und am Rande des Parks, anwohnerverträglich. Die HändlerInnen sollen sich an das deutsche Steuer- und Lebensmittelrecht halten und der Preußenpark soll wieder begrünt werden. Zudem sollen, so Bezirksstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) gegenüber der taz, bis 2024 richtige Marktstände und ein Multifunktionsgebäude entstehen, wo Geschirr ausgeliehen und gespült werden kann. Auch Toiletten und einen Müllsammelplatz soll es geben.
Der Markt Die Stände auf der Thaiwiese im Preußenpark gleich neben dem U-Bahnhof Fehrbelliner Platz sind von April bis Oktober freitags bis sonntags von 10 bis 20 Uhr geöffnet.
Der Streit Eingebettet ist das Konzept der Thaiwiese in eine Neugestaltung des Preußenparks. Der Grünanteil soll erhöht werden. Eine Anwohnerinitiative wehrt sich jedoch weiterhin gegen die Kommerzialisierung der öffentlichen Grünfläche, fordert ein „Zurück zur Natur“ und hat sich mit einer Petition an das Abgeordnetenhaus gewandt.
Die Petitionen Gut 600 Menschen haben die Petition unterschrieben, die vom CDU-Abgeordneten Maik Penn bearbeitet wird. „Wünschenswert ist, für Kompromisse offen zu sein“, sagt Penn. Dazu gelte es die Möglichkeiten beider Seiten auszuloten. 2017 hatten über 15.000 BerlinerInnen eine gegenteilige Petition eingereicht: „Retten wir echtes Multikulti und echtes Streetfood!“
Weder Wasser noch Strom
Während der Umbauarbeiten läuft der Verkauf aber weiter. Denn es ist wenig sinnvoll, einen Anziehungspunkt für die Menschen erst zu zerstören, damit er sich danach wieder erfinden muss. 60 statt einstmals mehr als 100 Verkaufsstände sind nun erlaubt. Nach wie vor haben die HändlerInnen zudem weder fließendes Wasser noch Strom an ihren Verkaufstischen. Es handelt sich zumeist um einfache Tische auf denen Campingkocher brutzeln, geschützt ist das das Ganze mit bunten Zeltwänden. Kühltaschen und ein gutes Liefermanagement sorgen für die Frische der Lebensmittel.
Ein in Berlin geborener Sohn einer thailändischen Familie verkauft vor Ort Fleischspieße. Der Student ist froh, nach der Coronapause wieder etwas Geld verdienen zu können. „Für meine Eltern ist es aber schwierig, dass der Markt wochentags zu hat. Sie haben noch einen anderen Job“, erläutert er. Das sieht der chinesische Standnachbar ganz anders. Er verkauft selbst gebratene Wan Tans, Gemüsepuffer und Chinarollen. „Freitag, Samstag und Sonntag bin ich hier“, erzählt er, während er die Teigwaren wendet. „Zwei Tage brauche ich zur Vorbereitung und zwei Tage habe ich frei.“ Er lebe von dem Job, sagt der ältere Mann. „Zumindest in den Sommermonaten.“
Einig sind sich die HändlerInnen, die Wurzeln in asiatischen Ländern haben, indem Wunsch: Sonne und schönes Wetter, damit die Kunden kommen. Und der staubige Schotterweg, auf dem sie ihre Stände aufbauen müssen, soll entweder begrünt oder asphaltiert werden, damit sich kein Staub ins Essen mischt.
Stammgäste auf der Wiese
Eine Gruppe von StudentInnen aus Hongkong hat sich im Kreis auf die Wiese gesetzt. Sie kämen aus der ganzen Stadt und würden sich an den Wochenenden hier treffen, erläutert eine Frau. „Das ist ein bisschen wie bei uns zu Hause“, sagt eine Studentin der taz. Nebenan auf einer Decke hat eine Gruppe UrberlinerInnen Platz genommen.
Stammgäste seien sie auf der Thaiwiese, sagt ein Mann, der extra aus Köpenick hierher kommt, wegen des in Berlin einzigartigen Flairs. „Ich liebe thailändisches Essen. Ich liebe es, im Park zu essen und dabei mit Freunden zusammen zu sein.“ Seine Frau, die neben ihm auf der Decke sitzt, ergänzt: „Unsere Nachbarin“, und zeigt dabei auf die Frau, die nicht weit entfernt Federball spielt, „hat sechs Jahre lang in Bangkok gelebt und sie sagt, das hier sei total authentisch.“ Aber ob das so bleibt, wenn der Thaimarkt bis 2024 mehr und mehr „deutsch geregelt wird mit Geschirr ausleihen und ohne Spontanität“, da haben die beiden ihre Zweifel. „Wir werden sehen.“
Ein paar Meter weiter sitzen Rentnerinnen aus Berlin und Hamburg, die früher aus Thailand und Kambodscha eingewandert sind. Diese Frauen waren es, die die Thaiwiese vor mehr als 20 Jahren erfunden haben. Sie treffen sich im Sommer jedes Wochenende hier, erzählen die Frauen. Sie spielen Karten, tauschen Neuigkeiten aus. Das sei ihre Art, das Leben zu genießen.
Neben den Frauen liegen Bastkörbe mit selbst gekochtem Essen. Sie haben die Teigtaschen und Mangogetränke auch auf der Decke ausgebreitet, und wenn die Nachbarn der Appetit überkommt, bieten sie etwas davon gegen eine Spende an. Die Papayasalate für sieben Euro an den Verkaufsständen können sie sich nicht mehr leisten. Ein wenig, so ist in diesem Moment so wie es früher einmal auf der Thaiwiese war.
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