Berliner Linke stellt Programm vor: Mit drei R in den Wahlkampf
Radikal, aber realistisch: Die Linke schlägt einen Nachfolger für den Mietendeckel vor. Ihr Spitzenkandidat kritisiert SPD und Grüne – ein bisschen.
Auf den folgenden 4.405 Din A4-Blatt-Zeilen folgen die Ziele der Partei für die nächste Legislatur, zu Mieten und Finanzen, Klimaschutz und Jugend, Innenpolitik, Verkehr und Queerem. Und noch viel mehr. Es ist quasi die Bibel, auf die ihr Spitzenkandidat Klaus Lederer für die nächsten sechs Monate bis zur Wahl Ende September schwören muss.
Wobei das Bild ein bisschen schief ist: Lederer ist ja „kein gläubiger Mensch im religiösen Sinn“, wie er er taz einst verriet, und die rote Bibel kann noch umgeschrieben werden. Erst Ende April stimmt ein Parteitag darüber ab. Und generell sei das Programm eher ein „Diskussionsangebot“ an die Berliner*innen, wie Parteichefin Katina Schubert am Freitag sagt.
Klarer als die anderen Parteien sagt die Linke, wie es nach dem 26. September weiter gehen soll: mit dem gleichen Bündnis aus SPD, Grünen und Linken. Schließlich könne „Politik gestalten, das haben wir gezeigt und uns mit manchen Mächtigen angelegt“, sagt Schubert. Nur soll das Berliner Rathaus eben „richtig rot“ werden.
Doch für seinen Einzug muss Spitzenkandidat Klaus Lederer noch einiges tun. Er war zwar auch schon mal in Umfragen beliebtester Politiker der Stadt; aber seine Partei liegt stabil hinter Grünen, CDU und SPD auf Platz vier. Und der Regierende Bürgermeister wird nicht direkt gewählt.
Lederer steht noch vor einer anderen Herausforderung. Als einziger Spitzenkandidat ist er Teil der Regierung, kann diese also nicht mal eben locker von der Seitenlinie angehen. Schon die Entwicklung des Wahlprogramms und die gleichzeitige Arbeit im Senat sei zuletzt eine „Herausforderung“ gewesen und betont dennoch: „Der Senat stellt nicht zum 30. April seine Arbeit ein.“ Seine Hoffnung: Eine gute Leistung als Senator wird auch von den Wähler*innen belohnt.
Größte Baustelle in Berlin ist laut der Linken weiterhin die Wohnraumfrage. Für die nächste Legislatur – in deren Zeit auch der Mietendeckel, sofern er Bestand vor Gericht hat, wieder auslaufen würde – schlägt sie ein Wohnraumbewirtschaftungsgesetz vor. Es soll etwa eine dauerhafte Deckelung der Mieten vorsehen und Eigenbedarfskündigungen nur noch in bestimmten Fällen möglich machen. Und für alle rund 1,5 Millionen Mietwohnungen in der Stadt gelten.
U-Bahnausbau sei nicht finanzierbar
Zentral ist für die Partei auch die Einsetzung eines Untersuchungssausschusses zur rechten Terrorserie in Neukölln, wie Schubert betont. Ein anderes Thema, das den Wahlkampf bereits jetzt dominiert, zieht sich durch die Vorstellung des Programms, ohne dass Lederer das Wort „U-Bahnausbau“ überhaupt in den Mund nimmt: Vielmehr betont er die Relevanz der Taktverdichtung, gerade in Außenbezirken, und der Verlängerung der Tram. Diese sei viel billiger und – zumindest in der Theorie – schneller umzusetzen. „Da würden wir uns schon jetzt mehr Geschwindigkeit wünschen“, kritisiert Lederer die grüne Verkehrssenatorin Regine Günther.
Doch auch die SPD kriegt was ab. „Sinnvolle Lückenschlüsse“ bei U-Bahnlinien seien auch mit der Linken zu machen. Die Pläne von SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey zu einem umfassenden Ausbau der U-Bahn sei aber keine Lösung für aktuelle Verkehrsprobleme – wichtiger wäre sowieso die Sanierung bestehender Strecken – und angesichts der wegen der Coronapandemie schwierigen Haushaltslage gar nicht finanzierbar. „Es bringt nichts, wenn man den Wähler*innen diese Forderung immer wieder erzählt, sie aber bald selbst einkassieren muss.“
Der Wahlkampf, er beginnt.
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