Berliner Kultur nach dem Lockdown: Da läuft wieder was!
Mit einem „Pilotprojekt Testing“ lotet Kultursenator Lederer aus, wie Theater und Konzertsäle wieder öffnen können. Ohne Schnelltest geht es nicht.
„So ein Pilotprojekt ist in Deutschland einzigartig – und hoffentlich ein Beitrag mit Blick auf ein unbeschwertes Besuchen von Kulturveranstaltungen“, sagte Lederer. Wer ein Ticket ergattern kann, sich am Veranstaltungstag einem Schnelltest unterzieht und bereit ist, das Geschehen mit Maske im Gesicht zu genießen, könnte ab 19. März endlich mal wieder die Volksbühne, das Berliner Ensemble, die Staatsoper oder auch das Säälchen im Holzmarkt von innen sehen.
Ziel des Projekts ist es, Chancen, Risiken und praktische Machbarkeit von Veranstaltungen mit Schnelltests auszuprobieren, heißt es in einer Mitteilung aus dem Hause Lederer. Das Ganze soll so funktionieren: Zum einen werden die Tickets, die man im Vorfeld online bei den Häusern selbst kaufen kann, personalisiert. Damit ist die Kontaktnachverfolgung gewährleistet. Zweitens soll man direkt nach Erhalt in einem zertifizierten Corona-Testzentrum einen Slot am Veranstaltungstag buchen. Bei Einlass muss dieser Schnelltest vorgelegt werden, er darf nicht älter als zwölf Stunden sein.
Diese individuellen Tests sollen die vorgegebenen Hygiene- und Schutzmaßnahmen der Häuser von Lüftung bis Sitzbuchung nicht ersetzen, sondern ergänzen. „Das Publikum wird im Schachbrettmuster sitzen, mit FFP2-Maske“, sagte Oliver Reese, Intendant des Berliner Ensembles (BE), das diesen Kulturfrühling mit zwei Aufführungen des Stücks „Panikherz“ von Benjamin von Stuckrad-Barre einleitet: Der Vorverkauf beginnt am 15. März.
Nase raushängen gilt nicht
19. und 20. März: Benjamin von Stuckrad-Barres „Panikherz“ im Berliner Ensemble
20. März: Berliner Philharmoniker unter Kirill Petrenko, Sinfoniekonzert, Philharmonie
25. März: Kammerkonzert Christian Tetzlaff u. a., Kleiner Saal im Konzerthaus Berlin
27. März: Konzert im Säälchen, in Kooperation der Berliner Clubcommission mit dem Holzmarkt
1. April: Uraufführung „come as you are (jokastematerial oder der kapitalismus wird nicht siegen)“ von Fritz Kater an der Volksbühne
2. April: Neuinszenierung von Mozarts „Le nozze di Figaro“ an der Staatsoper Unter den Linden
4. April: Neuinszenierung von „Francesca da Rimini“ an der Deutsche Oper
25. März: Tagung für Unternehmen der MICE-Branche im Estrel Hotel Berlin
Ganz so schlimm ist es nicht, auch ein medizinischer Mund-Nase-Schutz („OP-Maske“) wird akzeptiert. Die Nase raushängen lassen gilt aber nicht: „BesucherInnen, die sich nicht an die Vorgaben halten, z. B. keine medizinische Maske tragen möchten, können von der Veranstaltung ausgeschlossen werden“, so die Information aus der Senatsverwaltung. Übrigens: Wer Pech hat und covidpositiv getestet wird, muss in Isolation, bekommt aber den Ticketpreis erstattet.
Nach Abschluss des Pilotprojekts am 4. April soll ausgewertet werden, wie die Logistik lief, ob es unter Umständen dennoch zu Ansteckungen kam und wie ein Szenario für die flächendeckende Wiedereröffnung der Kultur so bald als möglich aussehen könnte. In einem Interview mit der taz Anfang Februar hatte Lederer noch betont, er könne sich nicht vorstellen, dass an einem Theater oder Kino „Zugang nur für Geimpfte“ steht. Auch gilt der Kultursenator als sehr vorsichtig, was Lockerungen angeht. Nun reagiert er mit seinem Projekt auf den wachsenden Druck der Kulturschaffenden, die immer lauter um Hilfe rufen und verlässliche Öffnungsperspektiven fordern.
Zuletzt ging am 26. Februar ein Appell zahlreicher Intendant*innen und Chefdirigent*innen an die Kanzlerin, Berlins Regierenden Michael Müller (SPD), Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und Lederer. Kirill Petrenko, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, sagte damals: „Während wir immerhin im digitalen Raum weiterspielen können, gibt es für die meisten anderen Kulturschaffenden seit vielen Monaten keine Möglichkeit, mit dem Publikum in Kontakt zu treten.“
Lederer erklärte, er sei stolz darauf, „dass ein Schulterschluss unterschiedlichster Kulturinstitutionen in der Stadt gelungen ist“. Und auch, wenn die Auswahl der Abende bis auf einen vielleicht sehr hochkulturell ist, auch, wenn Lederer eigentlich angekündigt hatte, zuallererst Kulturangebote für Kinder und Jugendliche in den Fokus zu nehmen, und sich nun nicht daran hält: Dieser Schritt ist zumindest ein Anfang für den Neustart der Kultur.
Und womöglich noch mehr: „Wir liefern damit hoffentlich auch eine Blaupause auch für andere Bundesländer“, sagte Lederer am Donnerstag im Abgeordnetenhaus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin