Berliner Großflughafen: „Eine einzige Katastrophe“
Neuer Termin, neue Kosten: Die Fertigstellung in Schönefeld kostet wohl eine Milliarde mehr. Fraglich ist, ob die Flughafengesellschaft weitere Kredite stemmen kann.
BERLIN taz | Nach der Bekanntgabe des neuen Eröffnungstermins für den Flughafen BER in Schönefeld drohen Berlin und Brandenburg nach Angaben der Opposition zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe.
Auf bis zu einer Milliarde Euro schätzen die Grünen die Mehrkosten allein für die Fertigstellung des Baus und erwartete Schadensersatzforderungen aufgrund der Verschiebung der Eröffnung auf März 2013. Unklar ist, wieviel davon die Flughafengesellschaft tragen kann – und wieviel davon am Land Berlin hängen bleibt.
In einer zehnstündigen Krisensitzung hatten der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft, Vertreter der Länder und des Bundes, der Airlines und beteiligte Bauunternehmen bis Donnerstagmorgen über die Zukunft des neuen Hauptstadtflughafens beraten. Am Mittag gab Berlins Regierender Bürgermeister und Aufsichtsratschef Klaus Wowereit (SPD) bekannt: Der Flughafen eröffnet am 17. März 2013.
Der ursprünglich geplante Start zum 3. Juni war vergangeneWoche abgesagt worden. Als Grund waren Probleme bei der Fertigstellung der Brandschutz-Anlagen angegeben worden, inzwischen ist bekannt, dass die Bauarbeiten auch in anderen Bereichen seit Monaten in Verzug sind.
Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop geht wegen der Verschiebung von Schadensersatzklagen von bis zu einer halben Milliarde Euro aus. Große Unternehmen wie Air Berlin, Lufthansa und die Deutsche Bahn haben bereits angekündigt, Schadenersatz zu verlangen, hinzu kommen hunderte kleinerer Unternehmen, die im Juni am Flughafen eröffnen wollten und aufgrund der zehnmonatigen Verschiebung teils vor dem Ruin stehen. Die Flughafengesellschaft rechnet bis zur Eröffnung mit einem Verlust von 15 Millionen Euro für jeden Monat.
Hauptkunde Air Berlin
Zudem ist offenbar noch nicht geklärt, wer die Mehrkosten für die noch ausstehenden Schallschutzmaßnahmen bei den Anwohnern zahlt, deren Kosten laut Pop bei 200 bis 250 Millionen Euro liegen. Von den vorgeschriebenen Schallschutzmaßnahmen sind derzeit weniger als zehn Prozent umgesetzt. Wegen der veränderten Flugrouten haben darüber hinaus mehr Anwohner Anspruch darauf als in früheren Planungen berechnet.
Im Abgeordnetenhaus kursieren offenbar Zahlen, wonach noch 10 bis 15 Prozent der Baukosten fehlen, um den Flughafen fertigstellen zu können – rund 250 Millionen Euro. Die Flughafengesellschaft hat Kredite in Höhe von 2,4 Milliarden Euro bei Banken aufgenommen, um den Bau zu finanzieren. Die Länder Berlin und Brandenburg bürgen für diese Summe mit jeweils 880 Millionen Euro.
Unklar ist, wie die Fluggesellschaft derzeit finanziell dasteht – und ob sie überhaupt noch über finanzielle Spielräume verfügt, weitere Kredite aufnehmen und die Mehrkosten für die Fertigstellung tragen zu können. Der Grüne Haushaltsexpterte Jochen Esser bezweifelt das: Vor der Verschiebung habe es geheißen, die Kredite seien bereits ausgeschöpft. „Die Finanzierung ist eines der Themen, denen wir uns derzeit intensiv widmen“, sagte Flughafen-Sprecher Ralf Kunkel der taz. Es sei zunächst darum gegangen, Abläufe und Zeitplan neu zu strukturieren.
Die Fraktionen von Grünen, Linken und Piraten fordern in einem Antrag, dass der Senat den für Finanzen zuständigen Hauptausschuss in der kommenden Woche umfassend über die erwarteten Kosten informiert. Der finanzpolitische Sprecher der Piraten, Heiko Herberg, erwartet nicht, dass die zusätzlichen Kosten bis zur Verabschiedung des Haushalts im Juni eindeutig beziffert werden können: „Das ganze Controlling des Flughafens war offenbar eine einzige Katastrophe“, sagte er der taz. Niemand habe einen Überblick.
Vollkommen offen ist auch, wie sich eine mögliche Pleite von Air Berlin auf die Zukunft des Flughafens auswirken würde: Air Berlin ist Hauptkunde des neuen Flughafens und stellt ein Drittel der dort geplanten Flüge.
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