Berliner Bäder: Keine Welle, aber Halle!
Für einige war es schlimm, für andere schön: ein Rückblick auf die Freibadsaison 2020 in Zeiten von Corona und ein Ausblick auf den Hallenwinter.
Die Sonne strahlt, die Luft ist warm und das Wasser in den Becken geheizt. Zwischen 30 und 40 Menschen ziehen am Dienstagmittag im Sommerbad Wilmersdorf zeitgleich ihre Bahnen. Abschied nehmen ist angesagt. Am 13. September schließen die letzten vier Freibäder.
Im April, einen Monat nach Ausbruch von Covid-19 in Berlin, hätte niemand einen Pfifferling verwettet, dass die Freibäder überhaupt öffnen. Nun haben sogar die Hallenbäder wieder aufgemacht. Seit Ende August können Schulen, Vereine und Öffentlichkeit wieder drinnen schwimmen. Am 14. September seien alle Hallen am Netz, teilten die BBB mit.
Die Details sind auf der Homepage der Bäder Betriebe zu finden. In den Hallenbädern gelten die pandemiebedingten Vorschriften für geschlossene Räume: Abstand halten und außerhalb des Wassers eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen. Auch muss man an der Kasse den Aufenthalt im Bad namentlich dokumentieren.
„Jede Krise bietet auch eine Chance“, findet der Sprecher der Bäder Betriebe, Matthias Oloew. Einige Neuerungen, die in den Sommermonaten coronabedingt erprobt wurden und die sich bewährt haben, haben die BBB auf die Wintersaison übertragen: Auch in den Hallenbädern sind nun alle Bahnen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, doppelt so breit. Leinen markieren die Begrenzung. 18 Schwimmer sind auf einer 50-Meter-Doppelbahn erlaubt, auf 25 Metern die Hälfte.
Zeitfenster für Hallenbesuch
in dermDadurch soll verhindert werden, dass sich die Schwimmer zu nahe kommen, im Sommer hat das gut funktioniert. Auch Überholen, eigentlich verboten, aber unvermeidlich, ist so einfacher. Die Tickets für den Besuch der Schwimmhalle können nun wie im Sommer online für das gewünschte Zeitfenster gebucht und bezahlt werden. Allerdings kann man die Eintrittskarte auch direkt an der Kasse kaufen, im Sommer ging das nicht. Es habe Beschwerden von Leuten ohne Internet gegeben, sagt der Bädersprecher.
Gebucht wird das Ticket für ein bestimmtes Zeitfenster, das sich in der Regel auf zwei Stunden beläuft. Bei einzelnen Bädern gibt es aber auch Unterschiede. 5,40 Euro kostet der Normaltarif. Sammelkarten, die schon im Vorjahr gekauft worden sind, behielten ihre Gültigkeit, bestätigt Claudia Blankennagel, Mitarbeiterin der BBB. An der Kasse einchecken müsse aber auch, wer das Ticket mitbringe.
Anders als in der Sommersaison sind Rutschen und Sprungtürme in den Hallen geöffnet. Saunen hingegen bleiben geschlossen und auch einen Schwimmunterricht bieten die BBB bis auf weiteres nicht an.
Starke Lüftungsanlagen
Und wie soll das nun gehen mit der Mund-Nasen-Bedeckung, die außerhalb von Wasser und Dusche Pflicht ist? „Das wird sich einspielen“, ist Blankennagel überzeugt. Zwischen Dusche und Schwimmbecken könne man sich auch ein Handtuch vor das Gesicht halten. Hauptsache, die entscheidenden Stellen seien bedeckt.
Befürchtungen, dass die Aerosolbelastung in den Hallen zu hoch sein könne, habe man nicht, sagt Bädersprecher Oloew. Die Lüftungsanlagen in den Hallen und Duschräumen seien leistungsstark. Anders als bei der Fleischfabrik Tönnies etwa, wo sich viele Angestellte, begünstigt durch Luftumwälzung und Kühlung mit Sars Cov-2 infiziert hatten, werde den Schwimmhallen ein hoher Frischluftanteil zugeführt. Bis zu 100 Prozent werde die Luft in den Hallen zum Teil ausgetauscht. Das Hochfahren der Anlage koste natürlich Strom, und auch der Co2-Ausstoß steige.
Alles hat seinen Preis, schon in der Sommersaison war das so. Aufgrund der Einlassbeschränkungen sei das für die gastronomischen Betriebe ein ganz schwieriges Jahr gewesen, sagt Oloew.
50 Prozent Umsatzrückgang
Er erläutert das am Beispiel des Prinzenbades, Berlins beliebtestem Bad. An manchen Hitzetagen tummeln sich in normalen Jahren bis zu 8.000 Besucher im Bad. 2020 durften maximal 1.600 Gäste ins Bad, und das auch nicht alle auf einmal. Der Tag war in drei Zeitzonen aufgeteilt.
Aber das mit dem Minusgeschäft ist auch eine Frage der Sichtweise. Wenn man den aktuellen Sommer mit denen von 2019 und 2018 vergleicht, die aus Bädersicht wetterbedingt super waren, ist der Gesamtumsatz 2020 um mehr als 50 Prozent zurück gegangen. Nimmt man aber den verregneten, kalten Sommer 2017 zum Maßstab, beträgt das Minus nur 20 Prozent.
Das Prinzenbad und die Bäder in Neukölln und am Humboldthain waren im Sommer 2020 die Spitzenreiter. In der heißen Zeit waren sie sofort ausgebucht. Fast traut man sich nicht, das zu sagen, weil vor allem Kinder, Jugendliche, alte Menschen und auch Kurzentschlossene ausgesperrt geblieben sind: Egal wie heiß es war – in den Becken war immer viel Platz und das Personal freundlich und entspannt wie nie. Keine Kids, die einem fast auf den Kopf springen, kein Bademeister, der durch das Megafon bellt.
„Liebe Badegäste“ flötet es auch an diesem Dienstag, als das Zeitfenster abgelaufen ist. Sie fühle sich wie im Sanatorium, schwärmt eine ältere Besucherin. Mit dem Kärcher beginnt ein Bademeister das Fußbecken zu reinigen, als es gebe es kein Morgen. Ihm fehle was, sagt der Mann. Auf Dauer sei der Job so zu langweilig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!