Berlinalefilm über „Peaches“: Magie der Maskerade
Die Dokumentation „The Teaches of Peaches“ zeichnet den Weg der kanadischen Musikerin Peaches nach. Willkommen beim Kostümspektakel.
So ziemlich alles, was bei den Konzerten von Peaches zur Aufführung kommt, ist eigentlich eher für den Hausgebrauch bestimmt. Die Texte sowieso – „Slippery Dick“, „Diddle my Skittle“ –, die zu engen Gymnastikhosen, die den Blick auf sich kräuselnde dunkle Haare freigeben, aber auch das Equipment: Der Roland Drumcomputer, aus dem die Kanadierin den unverkennbaren LoFi-Sound mit 12-Bit-Samples herausprügelt, ist nicht gerade Highend, war ursprünglich vielleicht eher im Inventar eines grungy Alleinunterhalters zu finden.
Ihren bekanntesten Song, den aufgrund seines expliziten Textes praktisch kein US-Radiosender je spielen durfte, nahm Peaches nie im Studio auf. „Fuck the Pain Away“ ist bis heute ein Live-Mitschnitt, den eine Mischerin eher zufällig bei einem der ersten Peaches-Konzerte im Vorprogramm für eine befreundete Folkband aufgenommen hatte.
Kleine Fun- und Fanfacts wie diesen erfährt man einige in „The Teaches of Peaches“. Der Dokumentarfilm von Philipp Fussenegger und Judy Landkammer erzählt die Lebensgeschichte der Electroclash-Ikone nach, beginnend bei den Anfängen, die die Musikkarriere der 1966 in Toronto geborenen Merrill Nisker in einer kakerlakenverseuchten WG mit dem späteren Popstar Feist in Toronto nahm.
23.2., 12.15 Uhr, Verti Music Hall
Einstige Weggefährten, vor allem der stilecht in Bademantel interviewte Chilly Gonzales, kommen zu Wort. Es sind gerade die Archivaufnahmen von Gonzales und Peaches, die die irre Bühnenenergie der beiden belegen: Peaches, die mit verzerrtem Gesicht jedes Körperteil einzeln schüttelt, Gonzales, der manisch in die Taschen seiner verschwitzten Trainingsjacke boxt.
Ein Kostümspektakel
Der Fokus liegt jedoch auf der „The Teaches of Peaches“-Tour von 2022, auf die sich Peaches zum 20-jährigen Jubiläum ihres Debüts mit queeren Tänzer:innen und Stylist:innen begibt. Die früher minimalistisch anmutende Out-of-the-suitcase-Hinterzimmershow ist zum Kostümspektakel geworden, das zwischen Burlesque Show und Feuer-und-Sex-Theater à la Florentina Holzinger changiert.
Man sieht Peaches bei den Tourvorbereitungen zu, wohnt Anproben bei, in denen sich die 56-Jährige mittels Stoffbrüsten in ein Neunauge verwandelt. Vor allem spürt man die Magie der Maske in der Transformation von Tänzer:innen und Musiker:innen, die mit wahnsinnigen Frisuren ausgestattet auf der Bühne über sich hinauswachsen.
Dass Peaches mit spartanischen Mitteln einfach enorm gute Musik gemacht hat, droht inmitten des großen Sex-Zirkus’ irgendwann beinahe unterzugehen. Doch rein um die Musik ging es bei Peaches ohnehin nie. Die Wahlberlinerin öffnete ihre Arme schon immer weit für alle Weirdos und Queers jeder Couleur. Dass diese trotz allem auch heute noch einen sicheren Hafen brauchen, auch das ist eine der „Teaches of Peaches“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“