Queer-Punk in Berlin: Halbnackte Gegenbilder zum Modell
Feier der Libertinage: Peaches in der Volksbühne. Der Auftritt der kanadischen Sängerin ist eine hübsch-angriffslustige Kampfansage an die Rechten.

Die kanadische Sängerin Peaches, hier bei einem Auftritt in Berlin im November Foto: dpa
So sieht es also aus, wenn einem die Sonne aus dem Arsch scheint. Als die Artistin Empress Stah während der Performance der kanadischen Queer-Punk-Ikone Peaches hoch oben im Saal der Volksbühne am Trapez turnt, da leuchtet aus ihrem Anus ein grüner Laserstrahl, der mit jeder ihrer Bewegungen durch den Raum schweift. „So much beauty coming out of my ass“, singt Peaches dazu, unterlegt werden die Verse des Songs „Light in Places“ (2015) von zunächst sirenenartig aufheulenden, dann tief tönend wummernden Technobeats. Vorangestellt hat Peaches, die den Abend über entweder halbnackt oder in opulenten Kostümen über die Bühne fegt, ein egalitäres politisches Postulat: „Liberate en masse/ Eliminate the class/ All humans, free at last“.
Vor nun zwanzig Jahren kam Peaches nach Berlin, im Jahr 2000 startete Merrill Nisker – so ihr bürgerlicher Name – mit dem Album „The Teaches of Peaches“ ihre Karriere unter dem neuen Künstlerinnennamen. Mit der Show „Peaches: There’s Only One Peach with the Hole in the Middle“ feierte sie das Jubiläum diese Woche an vier ausverkauften Abenden am Rosa-Luxemburg-Platz – und zeigte, dass es ihr auch heute noch gelingt, auf unterhaltsamste Weise (Körper-)Politik und Abrissparty zu vereinen.
So ist ihre Show irgendwo zwischen Burlesque-Revue, Clubnacht und Punkrock-Gig angesiedelt, sehr präsent sind etwa die Tanzensembles NOLA Kinfolk und Clusterfuck, deren Mitglieder halbnackt über die Bühne springen und beeindruckende Choreografien hinlegen. Es sind allesamt Körper, die so sind, wie sie eben sind, nicht auf Perfektion getrimmt. Bei jeder Hochglanz-Mainstream-Show würde wahrscheinlich gnadenlos aussortiert – Peaches’ Motto aber ist: „Come as you are“, egal, ob schwarz oder weiß, jung oder alt, dick oder dünn, hetero oder homo. Sie und ihr Ensemble feiern sich, ihre Körper, ihre Sexualität, ihr Sosein. Tänzer:innen kommen im Vulvenkostüm daher, Hintern und Brüste wackeln („Shake your tits“), Heißluftpenisse richten sich auf („Dick In The air“), zwischendurch crowdsurft Peaches durch den Saal. Eine zweistündige Feier der Libertinage.
Peaches’ Freakparade aber wirkt aktuell wie ein politisches Statement
Man könnte meinen: Neu ist all das nicht, Schockeffekte erzielt man erst recht nicht mehr damit. Peaches’ Freakparade aber wirkt aktuell in mehrfacher Hinsicht wie ein politisches Statement. Zum einen bilden die Leiber auf der Bühne eine Art Gegenbild zum Insta-optimierten Modellkörper von heute. Dann setzt eine solche Ästhetik der auch von links stark aufkeimenden Prüderie etwas entgegen. Nicht zuletzt verkörpert Peaches einen unerschütterlichen Optimismus, ganz so, als gäbe es keine Krise, als sei der autoritäre Backlash der Gegenwart nur ein letztes Zucken der Reaktion. „I came to destroy the past/ My stargasm makes the blast“, singt Peaches in „Light in Places“.
Ihre Songs sind nach wie vor als hübsch-angriffslustige Kampfansage an die Rechten zu verstehen: My ass!
Queer-Punk in Berlin: Halbnackte Gegenbilder zum Modell
Feier der Libertinage: Peaches in der Volksbühne. Der Auftritt der kanadischen Sängerin ist eine hübsch-angriffslustige Kampfansage an die Rechten.
Die kanadische Sängerin Peaches, hier bei einem Auftritt in Berlin im November Foto: dpa
So sieht es also aus, wenn einem die Sonne aus dem Arsch scheint. Als die Artistin Empress Stah während der Performance der kanadischen Queer-Punk-Ikone Peaches hoch oben im Saal der Volksbühne am Trapez turnt, da leuchtet aus ihrem Anus ein grüner Laserstrahl, der mit jeder ihrer Bewegungen durch den Raum schweift. „So much beauty coming out of my ass“, singt Peaches dazu, unterlegt werden die Verse des Songs „Light in Places“ (2015) von zunächst sirenenartig aufheulenden, dann tief tönend wummernden Technobeats. Vorangestellt hat Peaches, die den Abend über entweder halbnackt oder in opulenten Kostümen über die Bühne fegt, ein egalitäres politisches Postulat: „Liberate en masse/ Eliminate the class/ All humans, free at last“.
Vor nun zwanzig Jahren kam Peaches nach Berlin, im Jahr 2000 startete Merrill Nisker – so ihr bürgerlicher Name – mit dem Album „The Teaches of Peaches“ ihre Karriere unter dem neuen Künstlerinnennamen. Mit der Show „Peaches: There’s Only One Peach with the Hole in the Middle“ feierte sie das Jubiläum diese Woche an vier ausverkauften Abenden am Rosa-Luxemburg-Platz – und zeigte, dass es ihr auch heute noch gelingt, auf unterhaltsamste Weise (Körper-)Politik und Abrissparty zu vereinen.
So ist ihre Show irgendwo zwischen Burlesque-Revue, Clubnacht und Punkrock-Gig angesiedelt, sehr präsent sind etwa die Tanzensembles NOLA Kinfolk und Clusterfuck, deren Mitglieder halbnackt über die Bühne springen und beeindruckende Choreografien hinlegen. Es sind allesamt Körper, die so sind, wie sie eben sind, nicht auf Perfektion getrimmt. Bei jeder Hochglanz-Mainstream-Show würde wahrscheinlich gnadenlos aussortiert – Peaches’ Motto aber ist: „Come as you are“, egal, ob schwarz oder weiß, jung oder alt, dick oder dünn, hetero oder homo. Sie und ihr Ensemble feiern sich, ihre Körper, ihre Sexualität, ihr Sosein. Tänzer:innen kommen im Vulvenkostüm daher, Hintern und Brüste wackeln („Shake your tits“), Heißluftpenisse richten sich auf („Dick In The air“), zwischendurch crowdsurft Peaches durch den Saal. Eine zweistündige Feier der Libertinage.
Peaches’ Freakparade aber wirkt aktuell wie ein politisches Statement
Man könnte meinen: Neu ist all das nicht, Schockeffekte erzielt man erst recht nicht mehr damit. Peaches’ Freakparade aber wirkt aktuell in mehrfacher Hinsicht wie ein politisches Statement. Zum einen bilden die Leiber auf der Bühne eine Art Gegenbild zum Insta-optimierten Modellkörper von heute. Dann setzt eine solche Ästhetik der auch von links stark aufkeimenden Prüderie etwas entgegen. Nicht zuletzt verkörpert Peaches einen unerschütterlichen Optimismus, ganz so, als gäbe es keine Krise, als sei der autoritäre Backlash der Gegenwart nur ein letztes Zucken der Reaktion. „I came to destroy the past/ My stargasm makes the blast“, singt Peaches in „Light in Places“.
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Kommentar von
Jens Uthoff
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ist freier Journalist und Autor. Er schreibt vor allem über Musik, Literatur, Sport, Gesellschaftsthemen. Arbeitet seit 2011 für die taz, derzeit auch als Redakteur im Wochenend-Ressort.
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