piwik no script img

Berlinale Wettbewerb – „Inhebbek Hedi“Kurze Dienstreise in die Freiheit

Das Spielfimdebut des Tunesiers Mohamed Ben Attias ist raffiniert. In „Inhebbek Hedi“ geht es um individuelle Freiheit und Fremdbestimmung.

Eine Szene aus „Inhebbek Hedi“. Foto: Berlinale

Die kurze Leine der Fremdbestimmung zerrt an Hedi (Majd Mastoura) gleich von mehreren Seiten. Als Außenvertreter einer tunesischen Peugeot-Niederlassung wird er auf unerquickliche Touren zu Firmen geschickt, denen die Inflation zusetzt. Meistens dringt Hedi nicht einmal ins Büro vor.

Der Job ist Teil eines umfassenderen Plans seiner überfürsorglichen Mutter, die dem jüngeren Sohn zu einer gefestigten Existenz verhelfen will. Einspruch ist in diesem System unerwünscht. Auch die Ehe mit einer Nachbarstochter ist bereits arrangiert, auch wenn Hedi sie nur in heimlichen Treffen im Auto zu Gesicht bekam.

Mohamed Ben Attias Spielfilmdebüt „Inhebbek Hedi“ muss vor diesem Hintergrund fast zwangsläufig auf eine Ausbruchsgeschichte zulaufen. Doch der 1976 geborene Regisseur, der bereits mit einigen Kurzfilmen aufgefallen ist, beschreibt diesen Prozess nicht auf den nahe liegenden Wegen. Hedi ist in Mastouras zurückhaltender, sanftmütiger Verkörperung ein passiver Held. Wenn er aus seinen Routinen ausschert, dann geschieht das nebenbei. Dabei nimmt der Film den Betrachter zärtlich bei der Hand, um den Druck dann unmerklich, aber konstant zu erhöhen.

„Inhebbek Hedi“

13.2., 18 Uhr, Friedrichstadt-Palast; 14.2., 21.30 Uhr, Toni & Tonino; 21.2., 12.30 Uhr, Haus der Berliner Festspiele

Wie sich individuelle Freiheit anfühlt, erfährt Hedi schließlich auf seiner Dienstreise, als er in einem der nur wenig bevölkerten Touristenhotels absteigt. Dort findet ein dramaturgisch gut eingefädelter Perspektivwechsel statt. Hedi kostet ein Stück weit die Annehmlichkeiten eines Urlaubs aus und trifft auf die Tänzerin Mahdia (Rym Ben Messaoud), die für eine junge Tunesierin ein vergleichsweise offenes Dasein führt.

Den Szenen zwischen den beiden verleiht Attia fast den Anschein einer Sommerromanze. Eine Abschweifung, die auch eine gesellschaftspolitische Seite hat, formuliert doch genau diese Leichtigkeit in dem nordafrikanischen Land bereits eine Art Utopie. „Inhebbek Hedi“ mag an mancher Stelle seine Zuschreibungen ein wenig zu überdeutlich machen, doch über weite Strecken gelingt es dem Film, sein Drama von innen heraus zu erzählen. Einen leichten Ausweg nimmt Attia nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!