Berlinale-Standbild (Teil 3): Speckiger Platz
Das Zentrum der Berlinale ist am Potsdamer Platz. Der allerdings wird immer öder und dröger. Filmreif ist das längst nicht mehr.
Maredo und Pizza Hut, Starbucks und McDonald’s: Wer sich am Vormittag nach der Berlinale-Eröffnung seit langer Zeit einmal wieder über den Potsdamer Platz treiben lässt, der kann leicht den Eindruck gewinnen, er sei in der Frankfurter Fressgass gelandet. Oder – sagen wir – in den Fußgängerzonen von öden Orten wie Braunschweig oder Mainz.
Vielleicht findet die Berlinale auch deshalb so hartnäckig im Winter statt, weil es schön früh dunkel wird und nachts auch noch die räudigsten Katzen einfach nur grau sind. Denn seit seiner Eröffnung vor nahezu 20 Jahren ist der Potsdamer Platz zunehmend schäbiger und speckiger geworden.
Nicht einmal das Billy Wilder’s gibt es noch, auch nicht die Maxx Bar – dafür immer mehr Fresstempel, in denen es vor allem darum zu gehen scheint, mit größtmöglicher Effektivität den Magen lahm zu legen, um mindestens den nächsten Film vollständig zu verschnarchen.
Kaum ein Ort, wo man nach ausgiebigem Filmgenuss bei einer gepflegten Flasche Rotwein die Eindrücke verarbeiten könnte. Kein Ort, wo man mit einem vielversprechenden Nachwuchstalent aus Aserbaidschan oder einer Produzentin experimenteller Dokumentarfilme aus dem Königreich Bhutan Lust hätte, ein Weilchen anregend zu plaudern.
Schnäppchen jagen
Stattdessen könnte man sie zu einer Shopping Tour in die Arkaden einladen, was sich in etwa so glamourös anfühlt, als wäre man gerade im Gesundbrunnen-Center in Wedding oder auch im Eastgate in Marzahn auf Schnäppchenjagd.
Was denken eigentlich all die Stars aus aller Welt, die seit der ersten Eröffnung der Berlinale am Potsdamer Platz im Jahr 2000 über den Roten Teppich schreiten, die sich mehrenden Burger-, Pizzen und Steaks-Dienstleister direkt im Blick? Dass die Deutschen den Hunger nach dem Krieg noch immer nicht ganz verwunden haben? Dass sie noch immer ihr inneres Kind füttern müssen, Bäuche züchten wie andere Rosen oder Katzen, Hauptsache schön vererdet?
Schuhschachteln im Nirgendwo werden nicht schöner, wenn sie Patina ansetzen. Das wusste man schon, als der Potsdamer Platz gebaut wurde. Doch erst jetzt erfüllt dieser künstliche Trabant im Herzen Berlins so richtig, was er einst versprach.
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