Berlin verbietet islamistischen Verein: Vorbeugende Maßnahme

Der Innensenator löst die Vereinigung Jama'atu Berlin auf. Sie gilt als Nachfolgerin des 2017 verbotenen Vereins Fussilet 33, wo Anis Amri verkehrte.

Ein Polizist mit Helm steht vor einer Haustür

Widerstand erwartet: die Polizei durchsucht am Donnerstag Wohnungen mutmaßlicher Islamisten Foto: dpa

BERLIN taz | Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) geht erneut mit einem Vereinsverbot gegen mutmaßliche Islamisten vor. Am Donnerstagmorgen löste er die Gruppe Jama'atu Berlin auf, die auch als Tauhid Berlin bekannt ist. Von dem Verbot sind laut Geisel 19 Personen direkt betroffen; 26 Gebäude, überwiegend Wohnungen und davon 24 in Berlin, wurden von einem Großaufgebot der Polizei durchsucht in der Hoffnung, dort weitere Beweismittel zu finden.

Laut Geisels Staatssekretär Torsten Akmann ist die Verbotsverfügung rund 100 Seiten stark. Der Gruppe, die nicht als eingetragener Verein fungierte, wird vorgeworfen, sich sowohl gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik zu wenden als auch gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Ihre Mitglieder befürworteten den Jihad, Anschläge auf Zivilisten und teilten die Ideologie des so genannten Islamistischen Staates IS, betonte Senator Geisel am Donnerstag vor Journalisten.

Selbst gläubige Muslime, die ihre radikalen Ansichten nicht teilten, würden von ihnen bedroht. Zudem sei die Gruppe „eindeutig antisemitisch“, so Geisel weiter.

Zwei Monate nach dem Anschlag am Breitscheidplatz durch den Islamisten Anis Amri im Dezember 2016 mit zwölf Toten hatte Geisel den Verein Fussilet 33 verboten, dessen Moschee auch Amri besucht hatte. In der Folge dieses Verbots sei die islamistische Szene Berlins stark verunsichert gewesen, sagte Geisel. Erst ab 2018 habe es Versuche einer erneuten Sammlungsbewegung gegeben. Eine Folge sei die Vereinigung Jama'atu Berlin beziehungsweise Tauhid Berlin. „Sie wollte die Leerstelle füllen, die durch das Fussilet-Verbot in der Szene entstanden war“, so Geisel.

Flyer in Neukölln und Wedding verteilt

Die Mitglieder von Jama'atu Berlin hätten laut dem Senator intensiv Werbung für einen radikalen Islam gemacht unter anderem durch Youtube-Videos, eine – später abgeschaltete – Webseite, aber auch analog durch das Verteilen von Flyern am Hermannplatz in Neukölln und vor dem Gesundbrunnencenter in Wedding.

Innensenator Geisel sitzt an einem Tisch

„Der richtige Zeitpunkt“: Geisel am Donnerstag vor Journalisten Foto: dpa

Trotz dieser öffentlichen Tätigkeiten sei das Verbot der Gruppe nur dank des Berliner Verfassungsschutzs möglich gewesen, der die Mitglieder seit zwei Jahren beobachtet hätte und dessen Arbeit Geisel wie Akmann am Donnerstag explizit heraushoben. Denn mehr und mehr hätten die Treffen der in eine Frauen- und eine Männergruppe aufgeteilten Vereinigung im privaten Bereich stattgefunden, sprich in Wohnungen und Parks wie den Humboldthain im Wedding.

Das lag laut Geisel auch daran, dass keine Berliner Moschee trotz Anfragen der Gruppe Räume zur Verfügung stellen wollte. Über die vom Verfassungsschutz eingesetzten Methoden und Mittel wollte Geisel nichts sagen.

Das laute Lob für den Verfassungsschutz dürfte indes auch damit zu tun haben, dass dieser zuletzt durch Pannen bei der Arbeit im rechtsextremen Bereich erneut massiv in die Kritik geraten war; zudem diskutierte das Berliner Abgeordnetenhaus unmittelbar nach Geisels Pressekonferenz über die Folgen des rechten Anschlags in Hanau mit neun Toten vor einem Jahr.

Von Plänen für einen eventuellen Anschlag durch Jama'atu Berlin sei nichts bekannt, ebenso wenig, dass Mitglieder Verbindungen ins Ausland hätten oder bewaffnet seien. Verbindungen zu dem deutschen IS-Statthalter Abu Walaa, der am Mittwoch vom Oberlandesgericht Celle zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt worden war, hätte es aber sehr wohl gegeben. Laut Geisel sei der jetzige Zeitpunkt für das Verbot richtig gewesen, auch um weitere Anwerbungen durch die Gruppe zu verhindern und eine weitere Radikalisierung zu vermeiden. „Der Rechtsstaat zeigt auch in der Pandemie die Zähne“, fügte Staatssekretär Akmann hinzu.

Angeblich sei die Frauengruppe auch dazu gedacht gewesen, als „Heiratsvermittlung“ für radikale Moslems zu funktionieren. Dass dies tatsächlich passiert sei, dafür gebe es jedoch keine Hinweise, so Akmann.

Weil die Sicherheitsbehörden von einem harten Einsatz und auch von Widerstand gegen Polizisten ausgingen, waren am frühen Donnerstagmorgen insgesamt 850 Beamte bei den Durchsuchungen im Einsatz, darunter auch Mitglieder des Sondereinsatzkommandos SEK. Man hoffe dadurch auf weiteres Beweismaterial, so Geisel. Festgenommen wurde jedoch niemand. Von den 19 vom Verbot betroffenen Personen hätte rund die Hälfte die deutsche Staatsangehörigkeit.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.