■ Berlin rennt: Wannseeprobleme
Von der Bundesregierung, die sich gegenwärtig in Berlin zurechtzufinden sucht, ist allerlei Sportliches bekannt: Rudi radelt, Joschka joggt, Jürgen auch. Wo Rudolf Scharping mit dem Rad langheizt, ist noch nicht ermittelt, Jürgen Trittins Läuferei bleibt privat, aber Außenminister Fischer hat das Gelände, zumindest in Dahlem, schon inspiziert und seine Erkenntnisse öffentlich gemacht. In der bunten B.Z. waren sie nachzulesen: „Die Dienstvilla des Außenministers in der Pacelliallee, kurz nach 16 Uhr. Joschka Fischer steigt aus seinem dunklen Anzug und schlüpft in sein Joggingoutfit: blaues 'Nike‘-Basecap, weiße 'Adidas‘-Schuhe, rot-weißes Shirt mit B90/Grüne-Sonnenblume, gelb-rote Hose. Wir joggen durch das vornehme Villenviertel. Joschka Fischer hat die Schultern leicht vorn übergebeugt, den Blick auf unendlich gestellt und den entspannten, fast schlurfenden Schritt, an dem man einen trainierten Langstreckenläufer erkennt.“
Fischer und sein B.Z.-Tross laufen über die Clayallee in den Grunewald, an der Krummen Lanke und dem Schlachtensee vorbei, den Wannsee passierend bis zur Glienicker Brücke. Etwa zwei Stunden beziehungsweise neunzehn Kilometer dauerte die Vorführung des Außenministers für den B.Z.-Reporter.
Am Schlachtensee, neben dem Tiergarten Berlins beliebteste Strecke zum Laufen, joggt auch Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen gerne. Seit seiner Plakatkampagne „Diepgen rennt“ ist er auf der Suche nach ähnlichen sportvermittelten Sympathiewerten wie Fischer. Walter Momper übrigens läuft nicht.
Da kaum jemand unmittelbar am Grunewald lebt, will das Hinkommen organisiert sein. Außer Fahrrad und Auto bietet sich die S-Bahn bis zur Station Schlachtensee oder die U-Bahnhaltestelle Krumme Lanke an. Von beiden Stellen aus ist man im Nu am jeweiligen Ufer und kann lostraben: Krumme Lanke und Schlachtensee liegen in unmittelbarer Nachbarschaft, etwas nördlicher liegt der Grunewaldsee. Alle Gewässer haben vollständig um sie herumführende Wege.
Am Wasser zu laufen ist nicht nur schön, es ist im riesigen und zum Verirren einladenden Bereich des Grunewaldes auch die eleganteste Möglichkeit, nach Ablauf der Trainingseinheit wieder zurückzufinden. Außerdem sind die Wege am Wasser gut, Wald- und Sandböden wechseln sich ab, nur wenig Strecke ist asphaltiert, angenehme Abwechslung also garantiert. Unterschiedlicher Sonneneinfall tut ein Übriges.
Westberlins größter See hingegen, der Wannsee, sowohl der Große als auch der Kleine, ist zum Laufen nicht geeignet. Zu viele Villen, meist privat genutzt, sind direkt an den See gebaut. Viel zu oft muss man auf die Straße ausweichen. Auch der größte See Ostberlins, der Müggelsee, ist aufgrund erhöhter Villendichte nicht zu umlaufen, er bietet aber am südlichen Ufer einige sehr schöne Laufwege.
Joschka Fischer löste das Wannseeproblem übrigens eher unelegant, indem er einfach auf der Königstraße lief, einer der befahrensten Straßen auf dem Weg von Berlin nach Potsdam: „17.50 Uhr: Wannsee-Promenade, Königstraße, dann die lange Steigung den Schäferberg hinauf. Fischer verschärft noch mal das Tempo, grinst dabei.“
Der Tiergarten, Namensgeber für den Bezirk östlich von Mitte, erinnert aufgrund seiner Größe am ehesten an den New Yorker Central Park. Auch aufgrund der Menge an Läufern, die zu allen denkbaren Tageszeiten die vielen Wege ablaufen, drängt sich der Vergleich mit Manhattan auf. Vor allem liegt der Tiergarten günstig. Er ist für Spree- und Landwehrkanal-Läufer erreichbar, er liegt nahe den U-Bahnstationen Zoologischer Garten und Hansaplatz, und auch Kurfürstenstraße ist nicht weit. Die S-Bahnstationen Zoo, Tiergarten, Bellevue, Lehrter Stadtbahnhof und Potsdamer Platz rahmen den Park regelrecht ein. Dadurch ist er ideal für alle, die sich in Berlin noch nicht so gut auskennen, und für alle, die sich mit jemand aus der anderen Ecke der Stadt zum Laufen verabreden wollen.
Daneben zeichnet sich der Tiergarten auch durch gute und abwechslungsreiche Wege aus; die meisten sind beleuchtet und einige sogar mit Straßenschildern markiert. Die zu nutzen bietet sich an, bis man mit dem Gelände ein wenig vertrauter ist, denn anders als andere Orte Berlins hat der Tiergarten oft sehr ähnlich ausschauende Ecken, die schuld sein können, dass man ans beabsichtigte Training noch eine halbe Stunde des Suchens dranhängen muss.
Schön ist es, den Großen Weg von der S-Bahnstation Tiergarten beginnend am Neuen See entlang zu laufen, vor der zur Siegessäule führenden breiten Hofjägerallee kehrt zu machen und am Tiergartenufer zurück zu laufen. Die gute Erreichbarkeit des Tiergartens lässt es zu, dass man gar nicht unbedingt ausgetüftelte Strecken laufen muss.
Der Tiergarten ist selbst dann noch ein schönes Ziel, wenn man etwa über die Spree oder den Landwehrkanal kommt, um einfach in diesem großen Park eine unambitionierte Runde zu drehen und wieder zurück zu laufen.
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