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Berlin nach der geplatzten IBASo langweilig wie London

Die Themen des Wohnungsbaus müssen weiterverfolgt werden, fordern die Kuratoren der geplatzen IBA Berlin 2020.

Die Gropiusstadt hätte die IBA bitter nötig Bild: dapd

Eine solche Public Relations hätten die Internationale Bauausstellung Berlin 2020 (IBA) und deren Initiatorin, Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, viel früher gebraucht. Wenige Stunden nachdem die IBA vom Senat abgeblasen worden war, diskutierten am Dienstagabend im Haus der Friedrich-Ebert-Stiftung Mitglieder des IBA-Kuratoriums, die Senatsbaudirektorin und Fachleute vor gut 400 Architekten und Interessierten an der Berliner Stadtentwicklung die „bedauerliche Entscheidung“, wie Lüscher sich ausdrückte. Für die gebeutelte Baudirektorin war der Abend wie Balsam. „Die IBA ist weg, die Themen bleiben“, meinte sie trotzig. Folgerichtig lehnte sie einen Rücktritt ab.

Natürlich mutet eine derartige Veranstaltung, noch dazu unter dem Motto „IBA Berlin 2020. Was war, was wird?“, am Tag der Beerdigung etwas skurril an. Welche Zukunft soll hier beschworen werden, fragt man sich. Doch die Ebert-Stiftung hatte lange vor dem Sparbeschluss, der 60 Millionen Euro für die IBA betraf, eingeladen. Zudem hatte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit seinem Bausenator Michael Müller (beide SPD) geraten, einzelne IBA-Projekte aus seinem Etat zu finanzieren. Und schließlich soll 2014 ein Fonds zur Förderung des Wohnungsbaus mit über 300 Millionen Euro aufgelegt werden.

Darum wollte man nicht nur Trauerarbeit leisten, obgleich am Beginn der Debatte die Folgen des IBA-Todes beklagt wurden. Berlin benötige dringend Ideen für das Bauen angesichts „der Fantasielosigkeit in der Architektur seit 1989 und den sozialen Fragen, die die Gentrifizierung heraufbeschwört“, polterte Matthias Lilienthal, Theaterintendant und IBA-Kuratoriumsmitglied. „Die Absage der IBA ist zu betrauern.“ Das Publikum zog mit: „Das Ende bedeutet einen Verlust an Wissen“, so eine Stimme.

Die Senatsbaudirektorin sah das erwartungsgemäß ähnlich. Zugleich wies sie darauf hin, dass Berlin gar nicht darum herumkomme, sich mit dem Programm der IBA auseinanderzusetzen. Lüscher: „Die IBA ist weg, die Themen bleiben. Wir werden die Fragen der Stadtgestaltung und die des Wohnens und des sozialen Ausgleichs weiterverfolgen.“ Zudem müssten das Wachstum Berlins „gesteuert und die Architektur der Siedlungen an der Peripherie verbessert werden“. Lüscher hatte noch weitere Adressen im Blick, und mancher Zuhörer wünschte sich, die oft kritisierte Schwammigkeit im schon vierjährigen IBA-Prozess wäre mit solch klaren Beispielen eher weggewischt worden. Nach Ansicht Lüschers müsse aus der Karl-Marx-Allee endlich ein „echter städtischer Boulevard“ oder aus der Gropiusstadt ein „urbanes Wohn- und Bildungsquartier“ werden.

Die vier Mitglieder des IBA-Kuratoriums gaben Lüscher selbstverständlich recht. Jean-Philippe Vassal, Architekt aus Paris, und Kees Christiaanse, Hochschullehrer für Bauen an der ETH Zürich, erinnerten daran, wie wichtig „Umbau-Ideen“ oder Überlegungen zur Nachverdichtung für die Wohnsiedlungen seien, denn Berlin brauche diese Quartiere für seinen Wohnungsmarkt. Dafür müssten nun – anstelle der IBA-Millionen – Finanzierungsmodelle entwickelt werden, forderte Christiaanse. Baugruppen, Erbpacht und das genossenschaftliche Bauen seien bereits Modelle, die weiter aufgerüstet gehörten, ergänzte der Architekt.

Dass aus dem Publikum wenige Einwände kamen, aber dafür eine scharfe Kritik geäußert wurde, führte in der Debatte kurzzeitig zum Streit. Volker Härtig, Leiter des SPD-Fachausschusses für Bauen, warf der IBA vor, sie sei zu theoretisch und falsch ausgerichtet gewesen. Statt sich sozialen Fragen und der Verdichtung der Innenstadt zu widmen, habe sich die IBA quasi „an den Stadtrand“ verabschiedet. Ein schlechtes Konzept, so Härtig. Warum, sagte er nicht.

Dazu muss man wissen, dass Härtig auf der gleichen Linie liegt wie SPD-Landeschef Stöß, dem die Sichtweisen seines SPD-Genossen Michael Müller und der Baudirektorin ein Dorn im Auge sind. Stöß verfolgt ein reichlich konservatives Stadtentwicklungskonzept. Eine IBA „Historische Mitte“ wäre seiner Ansicht nach die bessere Option für Berlin.

Lilienthal – „das ist Quatsch“ – legte der SPD nahe, sich auf die wirklich wichtigen Fragen der Stadtentwicklung Berlins zu besinnen, anstelle Schaukämpfe um die Nachfolge Wowereits zu inszenieren. „Auf die politische Agenda gehört: keine Gentrifizierung!“, so der Theatermann. „Sonst wird Berlin so langweilig wie die City von London.“ Dafür gab es Applaus – von allen.

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