Berlin nach dem Anschlag: Politik auf Verdacht
Nach dem falschen Verdacht fürchten Flüchtlinge aus Belutschistan, diffamiert zu werden. Unterdessen ringen Politiker um die Deutungshoheit.
Um 10.04 Uhr am Dienstagmorgen bekommt Abdul Waheed Baloch eine Nachricht in einer WhatsApp-Gruppe. Es ist ein Screenshot von N24, im Bild eine Schrifttafel, oben steht der Name des Mannes, der gegen 20 Uhr am Vorabend einen Lkw in den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz gelenkt haben soll. „Mutmaßlicher Täter: Naved Baloh.“
Waheed Baloch schluckt. Das ist sein Cousin. Zwar fehlt im Nachnamen ein Buchstabe, und auch der Vorname wird meist anders geschrieben, aber das Geburtsdatum stimmt. Naved soll einen Anschlag verübt haben? Das kann nicht sein.
Im Rückblick ist klar: Es stimmt auch nicht. Der mutmaßliche Attentäter heißt Anis Amri und ist Tunesier. Am Freitag wird gemeldet, dass er in Mailand von Polizisten erschossen worden ist. Kurz nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Montagabend aber sehen wir: eine präfaktische Welt, in der möglichst schnell Fakten geschaffen werden sollen. Auch wenn längst nicht geklärt ist, was sich zugetragen hat.
Bereits am Montagabend erklärt der AfD-Politiker Marcus Pretzell die Verstorbenen auf Twitter zu Merkels Toten. Erst danach teilt die Polizei mit, dass sie in der Nähe des Tatorts einen Verdächtigen festgenommen habe. Schnell sickert durch: 23 Jahre alt, Flüchtling, eingereist aus Pakistan oder Afghanistan. Das passt vielen ins Bild.
Am frühen Dienstag sagt der saarländische Innenminister Klaus Bouillon von der CDU: „Wir sind in einem Kriegszustand“, ein Wort, das er später zurückzieht. Horst Seehofer, CSU, fordert, ebenfalls noch am frühen Dienstag, ein Umdenken in der Zuwanderungspolitik. Die Botschaft: Der Terror durch Flüchtlinge ist da. Tatsächlich wissen sie alle das zu diesem Zeitpunkt nicht. Der Mann, der beobachtet wurde, wie er aus dem Lkw stieg, ist noch auf der Flucht.
Grobkörnige Diskussion
Es passiert, was der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen „Entfesselung des Bestätigungsdenkens“ nannte. Nach den Silvestervorfällen in Köln brach es sich Bahn; oder nach dem rechtsextremen Anschlag im Münchener Olympia-Einkaufszentrum, der zunächst für einen islamistischen Terroranschlag gehalten und entsprechend kommentiert wurde. Diesmal wird die Debatte auf Naved Balochs Rücken ausgetragen, woran man sieht, wie grobkörnig bisweilen diskutiert wird; wie schlecht die Dinge zusammenpassen, die hier in einen Topf geworfen werden.
Während es für Politiker darum geht, den Ton zu setzen, wie man mit Terror umgeht, geht es für Naved und eine kleine Gruppe Flüchtlinge aus Pakistan darum, nicht Kollateralschäden zu erleiden.
Während Naved Baloch in Polizeigewahrsam ist, warten am Dienstagnachmittag vor dem stillgelegten Tempelhofer Flughafen Reporter und versuchen mit Geflüchteten ins Gespräch zu kommen, die dort derzeit leben. In weißen Containern stehen Sicherheitskräfte vor Röntgengeräten und Metalldetektoren, nur Bewohner und ehrenamtliche Helfer dürfen herein. In Hangar 6, wo Naved untergebracht ist, haben in der Nacht 250 Polizisten nach Beweismitteln gesucht, auch ein Sondereinsatzkommando.
Der Cousin des Verdächtigen, Waleed Baloch, 26 und seit einem guten Jahr in Deutschland, beschließt, dass er etwas tun muss. Es geht ihm nicht nur um seinen Verwandten, der streng genommen der Cousin seines Vaters ist. Er sorgt sich um seine Familie und seine Heimat. Denn in Pakistan macht längst die Nachricht die Runde: In Deutschland wurde ein Belutsche als Terrorist festgenommen. Baloch ist der häufigste Nachname in der Region, von ihr abgeleitet, manche suchen ihn sich aus und tragen ihn stolz.
Separatisten nicht Islamisten
Belutschistan ist eine Region im Grenzgebiet von Pakistan, Afghanistan und Iran. Im pakistanischen Teil, fast so groß wie Deutschland, kämpfen seit Jahrzehnten Separatisten für die Unabhängigkeit und damit gegen die Zentralregierung, politisch und teils auch mit Waffen. Sie sind keine Islamisten wie die Taliban, die sich teilweise auch in diese Region zurückziehen. Sie sind auch Muslime, aber nicht besonders religiös.
Eine Reihe von Unabhängigkeitsaktivisten sind von dort in den vergangenen Jahren nach Deutschland geflohen; sie würden verfolgt, sagen sie. Leute wie Waheed Baloch und sein Cousin. Amnesty International berichtet von außergerichtlichen Hinrichtungen und Verschwundenen.
Vielleicht ein paar hundert Belutschen leben derzeit in Deutschland. Offizielle Zahlen gibt es nicht, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Statistiken nur nach Nationalität erhebt. Die Aktivisten verbreiten nun zunächst in den sozialen Netzwerken die Botschaft: Ein Mann, der vor Terror flüchtet, wird einfach so zum Terrorverdächtigen gemacht.
Dann kommen sie auch in die Medien; Waheed Baloch spricht ein paar Sätze in ein ZDF-Mikrofon: Naved sei zum Tatzeitpunkt mit ihm unterwegs gewesen, sagt er, er sei unschuldig. Bei Twitter und Facebook äußern manche die Vermutung, dass der pakistanische Geheimdienst seine Finger im Spiel habe. Die Belutschen wittern die Chance, dass sich jemand für ihr Schicksal interessiert.
„Wie ein Puzzle“
Am Dienstagmorgen steht Nina Warken in Tauberbischofsheim vor Schülern einer 10. Klasse. Sie ist Innenpolitikerin der CDU, und eigentlich, so erzählt sie später, sei sie in die Realschule gekommen, um anlässlich des UN-Aktionstags über Kinder und ihre Rechte zu sprechen. Die Schüler aber hätten sich für anderes interessiert: Warum sind es immer Migranten, die so etwas machen? Bringen die ganzen Gesetze überhaupt was? Die Politikerin muss also Jugendlichen erklären, was sie selbst nicht weiß: Was dort in Berlin passiert ist. Wie die Politik darauf nun reagieren muss.
Warken sagt, sie, die Politiker, könnten in dieser akuten Phase nichts machen, als Fragen zu beantworten. Später vielleicht, wenn die Fakten feststehen. An diesem Dienstag weiß sie auch nur, was sie aus den Nachrichten erfährt. Sie verfolgt, was ihre Parteikollegen bei Twitter sagen. Ihr bleibt nicht viel mehr, als zu sagen: „Das ist ja alles wie ein Puzzle.“ Und: „Wir müssen Ruhe bewahren und nicht noch mehr aufwiegeln.“ Eine Stimme der Vernunft. Aber damit kommt Nina Warken nicht in die Nachrichten.
Am Dienstagnachmittag sagt Generalbundesanwalt Peter Frank dann: „Wir müssen uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass der gestern Festgenommene auch eventuell nicht der Täter ist.“
Die Frage, die sich im Nachhinein stellt: Warum geriet Naved Baloch überhaupt in den Fokus der Behörden?
Waheed Baloch, sein Cousin, setzt sich in die hintere Ecke eines Bäckerei-Cafés im Berliner Bahnhof Zoo, auf dem Tisch ein Glas Schwarztee. Es gibt Widersprüche in manchen seiner Schilderungen, das mag auch an der Sprachbarriere liegen. Denn er spricht nur wenig Deutsch oder Englisch, ein Freund übersetzt. Er scheint mitgenommen, er schaut ins Leere und spielt mit den Kordeln seines Kapuzenpullovers.
Er schwankt zwischen: Das muss ich erzählen. Und: Ich will gar nichts mehr sagen. Als er dann loslegt, ist ihm eines wichtig: „Wir sind keine Wirtschaftsflüchtlinge, wir sind wirklich in Gefahr. Mich wollten sie umbringen und kidnappen, die Armee hat Naveds Haus gestürmt und seine Großmutter verletzt.“ Mehr als zwei Stunden dauert das Gespräch dann, zwischendurch telefoniert er oft.
Warum Naved Baloch?
Am Abend des Anschlags, erzählt er, war sein Cousin Naved im Lageso, anstehen, Geld abholen. Den weiteren Verlauf schildert Waheed Baloch so: Sie trafen sich im Tiergarten. Sie sind spazieren gegangen, wollten Fotos von der Siegessäule machen. Auf dem Weg zur U-Bahn-Station Hansaplatz hat Naved sich verabschiedet und die Straße überquert. Dann stoppte ein Streifenwagen ohne Blaulicht und Sirene ihn.
Waheed ging hin, um ihm zu helfen. Denn Naved, das bestätigen Bekannte von ihm, spricht nur Belutschisch und einige Brocken Urdu und Farsi. Naved zeigte den Polizisten seine Aufenthaltsgestattung. Er könne gehen, sagten sie erst. Doch dann nahmen sie ihn mit. Waheed ging von einem Verkehrsdelikt aus, weil Naved eine mehrspurige Straße überquert hatte. Dass es um eine Geldbuße ging und sie ihn dann in sein Heim bringen. Keine Rede von Terrorverdacht, sagt Waheed.
Lief alles wirklich so ab? Hat sich Naved Baloch verdächtig gemacht, weil er bei der Polizeikontrolle wegrennen wollte, wie es in seinem Umfeld erzählt wird? Welche Rolle spielte, dass er wegen des Verdachts einer sexuellen Belästigung aktenkundig war? In welcher Sprache wurde er vernommen? Wird noch gegen ihn ermittelt?
Er könne dazu aufgrund der laufenden Ermittlungen und wegen des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen keine Auskunft erteilen, teilt ein Sprecher des Generalbundesanwalts mit. Bekannt ist, dass er nicht, wie zunächst behauptet, lückenlos durch einen Zeugen verfolgt wurde. Es wurden auch weder Blut noch Schmauchspuren an ihm gefunden.
Die politische Gelegenheit
Am Mittwoch steht Stephan Mayer vor Sitzungssaal 2.300 im Paul-Löbe-Haus des Bundestags und sagt, der Anschlag zeige „wie unter einem Brennglas“, wo die Defizite lägen. Mayer ist in diesem Moment so etwas wie die wandelnde Mottenkiste der CSU-Forderungen; sichere Herkunftsstaaten, schnellere Abschiebungen, Obergrenze, er nennt sie alle. Geflüchteten mit einer Duldung, jenen, deren Abschiebung aufgeschoben wurde, müsse das Leben „deutlich schwerer gemacht“ werden.
Stephan Mayer ist innenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion, wer ihm zuhört, erkennt nicht nur an seinem Dialekt, dass er für die CSU hier ist. Gemeinsam mit den SPD-Innenpolitikern hatte er eine Sondersitzung des Innenausschusses einberufen, die Chefs der Sicherheitsbehörden sind gekommen, die Innenminister von Bund und Land. Sie sollen über den Ermittlungsstand informieren. Es ist das erste offizielle Treffen im Bundestag seit dem Anschlag. Die meisten Abgeordneten haben dafür ihren Weihnachtsurlaub unterbrochen. Nun sitzen sie im holzvertäfelten Sitzungssaal und lassen sich erklären, wie ermittelt wird.
Stephan Mayer aber spricht draußen vor der Tür weiter mit Journalisten und macht Politik auf Verdacht.
Während Opfer noch in Lebensgefahr schweben, „verbietet es sich, hier aus meiner Sicht wirklich konkrete Schlussfolgerungen zu ziehen und vor allem auch Verbindungen zur Flüchtlingskrise“, hatte Stephan Mayer selbst einen Tag vorher gesagt. Doch der neue Verdächtige, den es inzwischen gibt – Tunesier, als islamistischer Gefährder bekannt, mit mehreren Identitäten im Land, er hätte abgeschoben werden sollen –, passt zu perfekt ins Bild, um ihn als politische Gelegenheit davonziehen zu lassen.
Systemische Fragen
„So eine Politik ist unverantwortlich“, sagt Irene Mihalic. Sie ist die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, frühere Polizistin und hatte noch eben im Sitzungssaal gesessen. Dann hört sie ihre Unionskollegen in die Mikrofone sprechen und weiß dem kaum etwas entgegenzusetzen. Mihalic’ Botschaft lautet: Die Stunde des Parlaments hat noch nicht geschlagen, jetzt sind die Ermittler dran. Aber so funktioniert die Politik nicht. Nicht mehr.
Politik beschäftigt sich mit systemischen Fragen. Nur lässt sich damit die Deutungshoheit nicht zurückgewinnen. Sie fragt nicht, warum keine Betonblöcke vor Weihnachtsmärkten stehen, oder nach der Schuld einzelner Personen. Aber danach, warum europäische Sicherheitsbehörden ihr Wissen nicht austauschen. Das sei eines der Ergebnisse nach den Anschlägen in Brüssel und Paris gewesen, sagt Mihalic. Jetzt, nach dem Berliner Attentat, bahne sich eine neue Aufgabe an: „Wir müssen für unsere rechtsstaatlichen Grundsätze argumentieren.“
Geduldete langfristig internieren? Niemanden ohne Papiere einreisen lassen? Fußfesseln für potenziell Straffällige? Für Mihalic lassen diese Forderungen nur einen Schluss zu: Die Vorschläge der Unionskollegen haben weniger mit dem konkreten Fall zu tun als mit der eigenen Agenda.
Das Bundesjustizministerium arbeitet derweil an einem Gesetzentwurf über die Ausweitung elektronischer Fußfesseln, um Gefährder besser überwachen zu können. Das Bundesinnenministerium kündigt an, Duldungs- und Abschieberegelungen zu überprüfen und berät, wie Ermittler verschlüsselte WhatsApp-Nachrichten überwachen dürften.
Wo ist Naved Baloch?
Es gibt nur einen Moment in diesen Tagen, in dem sich das Schicksal Naved Balochs und die Debatten der Abgeordneten kreuzen. Im Innenausschuss erfahren die Abgeordneten von den obersten Ermittlern der Bundesrepublik auch den neuesten Stand im Fall Naved: Er gelte weiter als Beschuldigter, heißt es dort, auch wenn er ein Alibi habe. Doch der Anfangsverdacht habe sich nicht erhärtet, deshalb gebe es keinen Haftbefehl. Deshalb ist er frei.
Waheed Baloch hat die Entwicklung in den Nachrichten verfolgt, aber nun ist Naved verschwunden. Er meldet sich nicht, sein Handy ist ausgeschaltet. Am Abend sitzen ein halbes Dutzend junger Männer aus Belutschistan, Freunde und Bekannte von Naved Baloch, um einen Tisch im McDonald’s am Bahnhof Zoo. Sie sind politische Aktivisten verschiedener Organisationen der Unabhängigkeitsbewegung, deren Abkürzungen außerhalb Pakistans kaum einem was sagen. Die meisten sind weniger als zwei Jahre in Deutschland, alle haben Asyl beantragt, manche bekamen einen negativen Bescheid.
Einer der Männer erzählt, wie er zusammen mit Naved nach Deutschland geflohen ist, von ihrem Heimatort im Kech-Distrikt über den Iran, die Türkei und die Balkanroute, zwei Monate. Um die Jahreswende 2016 waren sie in Deutschland, am 16. Februar in Berlin. Über Naved sagt er: „Eine gute Person, säkular, mit Respekt anderen Religionen gegenüber, er kam immer zu den politischen Treffen.“
Ein, zwei Tage wollen sie noch abwarten, aber wenn Naved dann immer noch nicht aufgetaucht ist, wollen sie eine Pressekonferenz abhalten. „Wir haben immer Journalisten zu unseren Demos eingeladen, aber es gab nie viel Interesse“, sagt Khaled Lal von der Belutschischen Republikanischen Studentenorganisation. Jetzt haben sie auf einmal die Möglichkeit, über ihr Anliegen zu sprechen.
Unerfolgreiche Rechte
Auch rechte Gruppen wollen die Situation nutzen. Das Klima ist eisig, als sich später am Abend rund 50 junge Männer und Frauen vor die Parteizentrale der CDU setzen, sich mit ihren Armen ineinander verhaken. Sie tragen Karohemden und Seemannsmützen, Jutebeutel, die Mode der linken Großstädter, sie fordern die „Festung Europa“. Es sind Mitglieder der Identitären Bewegung, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Einer löst seinen Arm aus der Verankerung und presst die geballte Faust auf sein Herz. Dröhnend stimmt die Gruppe die Nationalhymne an.
Doch sie singen nur für sich. Rechten und Rechtsextremen gelingt es nicht, Massen zu mobilisieren. Bislang scheint das Kalkül nicht aufzugehen, dass ein Terroranschlag, der mutmaßlich durch einen Flüchtling verübt wurde, sofort Kanzlerin Merkel straucheln lässt.
Donnerstag, 11 Uhr, der Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz öffnet wieder. Wer an einer Bratwurst kaut, hat mindestens eine Kamera dabei im Gesicht, manche bestellen sich die Bratwurst auch erst für die Kamera. Ein Händler versteckt sich hinter seinen Schmuckständern und weint. Er wollte nicht hier sein, doch, komm, haben die anderen zu ihm gesagt. Nun hat er ein schlechtes Gewissen, weil er heute hier seine Arbeit macht.
Nicht weit vom Breitscheidplatz, im Bahnhof Zoo, hängt im Foyer das Fahndungsplakat, ein A4-Zettel, rot umrandet, auf Deutsch. Neben den Fahrplänen. „Terrorismus“ steht in Großbuchstaben draufgeschrieben und dann der Steckbrief des mutmaßĺichen Täters: Anis Amri, 24 Jahre, Tunesier. Braune Augen, schwarze Haare. Belohnung: Bis zu 100.000 Euro.
Terrorverdacht als Polit-PR?
Waheed Baloch gibt an diesem Tag wieder Interviews, sein Cousin Naved ist immer noch nicht aufgetaucht. Manche andere Pakistaner wollen mit Naved plötzlich nichts mehr zu tun haben, als sie erfahren, dass er sich in der belutschischen Unabhängigkeitsbewegung engagiert. Sie haben Angst, mit in den Konflikt hineingezogen zu werden, Angst um ihre Familie zu Hause. Pakistan ist 5.000 Kilometer entfernt von Deutschland. Aber die dortigen Konfliktlinien gehen jetzt mitten durch die Flüchtlingsheime Berlins.
Dass Naved Baloch etwas mit dem Anschlag zu tun hat, glauben selbst die Pakistaner nicht, die auf keinen Fall mit ihm in Verbindung gebracht werden wollen. Aber könnte es nicht sein, dass die belutschischen Aktivisten seine Festnahme provoziert haben? Inszenierter Terrorverdacht als Polit-PR von Separatisten, was für ein Vorwurf.
Am Donnerstagnachmittag kommen bei seinen Leuten erste vage Nachrichten an, dass Naved Baloch wiederaufgetaucht ist. In der belutschischen Community kursieren seitdem diverse Theorien, was er in den vergangenen Tagen gemacht habe, ansatzweise verifizieren lässt sich keine davon. Er sei an einem sicheren Ort, sagt ein Freund. Reden könne man mit ihm nicht. Er wolle sich erst mal ausruhen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Plädoyer im Prozess zu Polizeigewalt
Tödliche Schüsse, geringe Strafforderung
Olaf Scholz in der Ukraine
Nicht mit leeren Händen