Berlin bekommt ein Lobbyregister: R2G lässt Licht in die Lobby
Rot-Rot-Grün will mehr Transparenz: Schriftliche Einflussnahmen auf ein Gesetz soll künftig veröffentlicht werden. Lobbycontrol fehlen Sanktionen.
In Berlin soll politische Einflussnahme von Interessensvertreter:innen künftig zumindest transparenter sein: Die rot-rot-grüne Landesregierung will in Zukunft mit einem Lobbyregister die Einflussnahme von Verbänden, juristischen Personen und Initiativen auf Gesetzgebungsverfahren erfassen und veröffentlichen. Eine Regelung dafür ist schon länger in der Diskussion und soll am Donnerstag im Abgeordnetenhaus in erster Lesung beschlossen werden.
Das Lobbyregister soll mehr Transparenz darüber schaffen, wer wieso weshalb und warum auf ein Gesetz Einfluss nehmen will. Es soll vor allem den sogenannten legislativen Fußabdruck erfassen. Damit ist gemeint, dass künftig zu jedem Gesetz alle schriftlichen Stellungnahmen, Gutachten, Eingebungen oder sonstige Versuche der Einflussnahme und sogar E-Mails von juristischen Personen, Verbänden und sonstigen möglichen Lobbyist:innen für alle einsehbar veröffentlicht werden. Und zwar sowohl im Parlament gegenüber Fraktionen und Abgeordneten als auch in den Senatsverwaltungen. Dafür plant Rot-Rot-Grün ein maschinenlesbares, öffentliches Opendata-Portal auf der Website des Abgeordnetenhauses.
Lobbyismus ist nicht per se böse, sondern zunächst einmal in Demokratien ein normaler Teil politischer Entscheidungsprozesse. Idealtypisch sorgen Politikberater:innen oder Interessengruppen für Informationen und Argumente in einem Entscheidungsprozess über ein komplexes Problem. Dass Einflussnahme sich aber durch finanzielle Vorteile schnell in Korruption wandeln kann und Politiker:innen Unternehmen zu Profiten verhelfen können, ist in den vergangenen Monaten überdeutlich geworden und hat Rufe nach einem Lobbyregister verstärkt.
Für Lobbycontrol fehlen Sanktionen
Timo Lange von Lobbycontrol, einem Verein für mehr Transparenz über Einflussnahme in der Politik, hat sich das Berliner Gesetz angeschaut. „Das geplante Lobbyregister ist ein deutlicher Schritt zu mehr Transparenz“, sagt er. „Berlin ist damit in die Spitzengruppe der Länder aufgerückt.“ Gut sei, dass man den legislativen Fußabdruck erfassen wolle – das Ende des Jahres für den Bundestag in Kraft tretende Lobbygesetz im Bundestag lasse eine solche Regelung vermissen.
Es sei zudem gut, „dass die neuen Transparenzregeln künftig nicht nur für das Parlament, sondern auch für die Verwaltung gelten“, sagt Lange, der selbst ja auch irgendwie Lobbyist gegen Lobbyismus ist. Auf das Berliner Gesetz habe Lobbycontrol allerdings keinen direkten Einfluss genommen, sagt er auf taz-Anfrage.
Allerdings sei auch nicht alles perfekt: „Was fehlt, sind Sanktionen“, sagt Lange, „wenn sich jemand nicht an die Regeln hält, muss es Folgen haben.“ Er schlägt dafür eine Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld oder eine öffentliche Ermahnung vor. Zudem würden nur schriftliche Einflussnahmen erfasst, nicht jedoch mündliche. Persönliche Gespräche oder Anrufe zum Zweck der Einflussnahme müssen auch künftig nicht verzeichnet werden. Entscheidend sei die Umsetzung: Lange wünscht sich jetzt ein schönes und transparentes Online-Portal, auf dem alle Bürger:innen einfach nachvollziehen könnten, welche Lobbyist:innen sich zu welchem Gesetz geäußert haben.
Insgesamt überwiegt für Lobbycontrol die Freude über das Gesetzesvorhaben, das noch vor der Sommerpause im Juni zum Abschluss gebracht werden soll. „Wir haben uns in Berlin seit 2011 dafür ausgesprochen“, sagt Lange, „durch die jüngsten Skandale haben die Parteien und Fraktionen gemerkt, dass der Schaden für die Demokratie groß ist, wenn die Menschen das Vertrauen verlieren.“ Auf der Bremse gestanden habe in Vergangenheit auf Bundesebene vor allem die CDU/CSU. Zum neuen Lobbyregister wollte sich die CDU-Berlin auf taz-Anfrage bisher nicht äußern.
Besonders eingesetzt hat sich für das Gesetz übrigens eine ehemaliger Lobbyist von Mehr Demokratie e. V., der mittlerweile einen Rollentausch vollführt hat: Michael Efler ist zwar noch passives Mitglied bei Mehr Demokratie, sitzt aber mittlerweile für die Linke im Abgeordnetenhaus und ist mit dem Gesetz sehr zufrieden: „Wir haben ein weitreichendes Gesetz gemacht und auch den legislativen Fußabdruck eingeführt, der im Bund umstritten ist und von der CDU abgelehnt wird“, sagt er.
Besonders wichtig sei gewesen, den gesamten Prozess der Gesetzgebung zu erfassen – also nicht nur das Parlament, sondern auch das, was sich vorgeschaltet in den Senatsverwaltungen abspiele. So bekäme man auch den „Umweglobbyismus“ über Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungen in den Griff, sagt Efler. In Kraft treten soll das Gesetz ab der nächsten Wahlperiode nach der Abgeordnetenhauswahl im September.
Mails von Privatpersonen nicht veröffentlichungspflichtig
Warum keine Sanktionen enthalten sind? „Wir wollen erst mal die Erfahrungen abwarten und haben uns entschieden, das Gesetz inhaltlich weit zu fassen, aber erst mal keine Sanktionsregeln zu verankern.“ Aber vielleicht prüfe man diese Möglichkeit auch noch mal, sagt Efler.
Und warum man mündliche Einflussnahmen außen vor gelassen habe? Da habe man eine Trennlinie gesetzt, genau wie etwa Mails von Privatpersonen an Verwaltungsbeamte oder Abgeordnete, die nicht veröffentlichungspflichtig seien. „Wenn ich auf einer politischen Veranstaltung bin und mir jemand danach am Biertisch seine Visitenkarte zusteckt und mich volltextet, wäre das eintragungspflichtig. Das wäre eine komische Situation“, sagt Efler. Aus seiner eigenen Erfahrung als Lobbyist für Mehr Demokratie e. V. sagt der Abgeordnete, dass man sich für ernsthafte Einflussnahme ohnehin früher oder später auch schriftlich äußern müsse.
Technisch sei es für Lobbyist:innen nur ein kleiner Mehraufwand: Wenn man sich an einem Gesetz beteiligt, muss man laut Antrag dies dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses melden und dazu allgemeine Angaben machen: Name und Rechtsform der Beteiligten sowie Interessenbereich. Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungen oder sonstige Unternehmen, die Geschäfte für Dritte wahrnehmen, müssen zudem ihre Auftraggeber:innen nennen. Die schriftlichen Eingebungen müssten von der dafür zuständigen Verwaltung übersandt werden. Mindestens eine neue Stelle soll es fürs neue Register geben.
Efler sagt: „Wenn jemand ernsthaft Angst davor hat, haben wir die Richtigen erfasst. Wer eine gute und nicht anrüchige Interessenvertretung macht, hat damit kein Problem.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Verbotskultur auf Social Media
Jugendschutz ohne Jugend