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Berlin-Buch-BoomBetuppt wird nicht!

■ Wolfgang Gruner revisited: Sabine Fabers menschelnder Taxi-Report „Ach 'ne Dame“

Über die Angestellten der Dienstleistungsbranche wissen ihre Nutznießer in der Regel bestens Bescheid: Eisverkäufer sind ausnahmslos Italiener; Müllmänner haben's besser, weil sie nicht so viel denken müssen; Taxifahrer lesen täglich die B.Z. und verkünden mit Herz und Schnauze und frisch von der Leber weg eine Lebensweisheit nach der anderen. Und sie wissen alles über ihre Stadt. Und sie sind natürlich Männer.

Was dagegen kaum jemand weiß, ist beispielsweise, dass die Berliner Taxifahrerinnung ein eigenes knochentrockenes Fachblatt hat. Und in diesem Fachblatt hat Sabine Faber, eine Kollegin – „Kollege“ ist die unter Taxifahrern übliche Anrede –, ihre literarische Karriere begonnen, indem sie lockere Geschichten beisteuerte, „Geschichten über das oft vergessene sensible Innenleben des Großstadtcowboys“, wie es ein Mitarbeiter des Taximagazins Berlin beschreibt. Nur: Sabine Faber ist gar kein Cowboy. Und überhaupt: kein Mann. Daher war oft das Erste, was sie in ihren dreizehn Taxifahrerinnenjahren zu hören bekam, wenn sich ein Fahrgast in ihren Benz bequemte, der Ausruf „Ach, 'ne Dame!“.

In ihrer so betitelten autobiografischen Erzählung geht es dementsprechend nicht zuletzt um hypermännliche Fahrgäste, denen es offensichtlich einen Höllenspaß bereitet, die Fahrerin während einer Nachtfahrt in ein Gespräch über Taxiüberfälle und Vergewaltigungen zu verwickeln, und dabei bewusst im Raum stehen zu lassen, ob sie selbst zu einer solchen Tat neigen oder nicht.

Für die Autorin gehört das zu den obligatorischen Kehrseiten eines durch und durch normalen Alltages – ist nun leider mal so. Mit der gleichen Seelenruhe erfährt sie sich ihr Berlin. Sie erlebt die Wiedervereinigung, die für die Westberlinerin einerseits die Befreiung aus dem Frontstadtdasein bringt, andererseits jedoch der Taxifahrerin eine um die Ostberliner Straßenverläufe erweiterte Ortskenntnis abverlangt.

Das alles erträgt sie mit Anstand und Gelassenheit, und auch Sonderschichten ringen ihr keine Schimpfworte ab. Dass sie allerdings mittels Taxifahren zu einer Art Streetworkerin in Sachen Berlin wird, lässt sich ihr nicht zugestehen, sosehr sich die Autorin auch als solche begreift.

Die Straßen und Leute, die ihr auffallen, gibt es so oder ähnlich auch in Freiburg, da ist bei ihren Beobachtungen nichts wirklich für Berlin Typisches. Selbst der Fall der Mauer ist für sie ein rein menschliches Erlebnis, ein Karneval mit politischem Hintergrund. So verwundert es kaum, dass sie auch an diesem Novembertag Leute nicht einfach mitnimmt, sondern immer auf korrekter Zahlung besteht, denn – wo kommen wir denn da sonst hin? – betuppt wird nicht.

Nur insofern schreibt sich ihrem Bericht genau die Stadt ein, aus der dieser Bericht kommt, Hauptsache, der Sound stimmt. Damit allerdings wirkt das Buch nicht anders als die Berichte „eines Berliner Taxifahrers“ mit denen Wolfgang Gruner in den Siebzigerjahren in Wim Thoelkes „Der große Preis“ die Nation unterhalten wollte.

Ihr Fazit scheint zu sein, dass sich Berlin nicht wirklich verändert hat, die Stadt ist lediglich um ein paar Millionen Menschen größer geworden. Und das Buch ist eben auch nur so mit Herz und Schnauze und frisch von der Leber weg geschrieben.

Jörg Sundermeier

Sabine Faber: „Ach 'ne Dame“. Schardt Verlag, Oldenburg 1999, 190 Seiten, 24,80 DM

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