piwik no script img

Berlin Atonal als AlbumJenseits des Tanzbaren

Das Berlin Atonal Festival muss dieses Jahr ausfallen. Die neue Kompilation „More Light“ hilft über die Sehnsucht nach Clubnächten hinweg.

Tanz im Trockeneis: so eine Aufnahme aus dem Kraftwerk (Berlin Atonal, 2018) macht Sehnsucht Foto: Frankie Casillo

W ill man die eigentümliche Atmosphäre des jährlichen „Berlin Atonal“-Festivals einfangen, geht das natürlich eigentlich nur vor Ort: die monumentalen dunklen Kammern des Kraftwerks als Spielstätte, die modischen, oft ebenso dunklen Outfits der Besucher:innen, der Wums der Lautsprechermembrane – all das gehört dazu. Wie so viele andere Festivals fiel aber auch das Atonal 2020 aus. Um sich ein Bild davon zu machen, welche Künstler:innen dort in der Regel zusammenkommen, empfiehlt sich die nun erschienene Kompilation „More Light“. Darauf versammelt: 19 Tracks von Musiker:innen aus dem Umfeld des Atonal-Festivals.

Aus der experimentellen Szene sind einige Hochkaräter am Start. Da wäre etwa Caterina Barbieri, deren flirrendes Synthesizer-Werk „Ecstatic Computation“ (2019) zu Recht gefeiert wurde und deren hier vertretener Track so klingt, als hätte Jean-Michel Jarre seine Leidenschaft fürs Cembalo entdeckt („Sufyosowirl“). Auch die in Berlin lebende Komponistin und Produzentin Laurel Halo, die schon 2012 mit dem wahrlich prophetischen Album „Quarantine“ reüssierte, hat ein Stück beigesteuert: „Terrain (Prototype 3c)“ klingt nach großen, endlosen Ambient-Gefilden, nach Weite, nach Ferne.

Ambient und Techno sind ohnehin zwei Koordinaten, mit denen man diesen Sampler zumindest ein wenig eingrenzen könnte. So trifft man bei der Londoner Produzentin Nkisi wieder auf diese beiden Stile, bei ihr legen sich aber über sphärische Klänge knackig-kribbelige Techno-Sounds. Weitaus meditativer geht es dagegen bei Galya Bisengalieva zu Werke. Der Track der kasachisch-britischen Musikerin changiert zwischen flächigen Klängen, choral anmutenden Passagen und unterschwelligem Geplucker („Aralkum“).

Einer der eindrücklichsten Songs kommt von Abdullah Miniawy, der hier gemeinsame Sache macht mit dem Produzententrio Carl Gari. Die drei Münchener rollen dem ägyptischen Musiker dabei den Electronica-Teppich aus, Miniawys getragener arabischer Gesang dominiert die Stücke. Hört sich toll an. Und auch was der schwedische Produzent Peder Mannerfelt so zustande bringt, macht Spaß: Er liefert einen schön verstolperten Techno-Track mit verschachtelten Beats und zerhäckselten Klängen – und schüttelt einen so ordentlich durch.

Wer sich für abgefahrene elektronische Avantgarde-Musik jenseits des Gängigen und Tanzbaren (wobei man es hier und da schon mal versuchen kann) interessiert, der ist hier richtig. Den Download kann man bereits erwerben, im Januar folgt eine schick gestaltete Vinyl-Box mit fünf 12-Inches.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!