Berichterstattung über Garzweiler-Protest: WDR contra RWE
WDR-Redakteur Jürgen Döschner wehrt sich mit einem offenen Brief gegen den Shitstorm wegen seines Lobes der Braunkohle-DemonstrantInnen.
Es waren klare Worte, mit denen WDR-Redakteur Jürgen Döschner die Besetzung des Braunkohletagebaus Garzweiler kommentierte: „Die Klima-Aktivisten im rheinischen Braunkohlerevier verdienen Hochachtung und Respekt“, hatte er auf tagesschau.de geschrieben. Ihre Proteste seien zwar nicht legal, aber „angesichts der Ignoranz von Geld und Macht und angesichts der Bedrohung, die es abzuwehren gilt, völlig legitim“.
Das Echo war gewaltig. Während Umweltschützer erfreut auf die Einschätzung des WDR-Energieexperten reagierten, herrschte beim Garzweiler-Betreiber RWE offenbar blanke Wut. Einer Facebook-Seite mit dem Namen „RWE-Mitarbeiter contra WDR“ traten über 1.000 Menschen bei – und pöbelten heftig: Döschner sei ein „ideologischer Brandstifter“ ist da zu lesen, er verbreite „Lügen“ und betreibe eine „Hetzkampagne“ und sei „demokratieschädlich“. Die Forderung nach einem „Berufsverbot“ gehört noch zu den gemäßigten Äußerungen.
Im Kurznachrichtendienst Twitter beteiligten sich auch leitende RWE-Mitarbeiter an der Kampagne gegen Döschner. „Ich fühle durch die Meinungsmache einzelner Journalisten meine Berufsfreiheit bedroht“, schrieb etwa der Leiter des RWE-Social-Media-Teams, Stefan Balázs. Auch Wilhelm Stock, Leiter für technische Weiterbildung bei RWE, verbreitete Tweets, in denen Döschner „ideologische Verbohrtheit“ vorgeworfen wurde. Blogs stellen zudem Döschners Unabhängigkeit mit dem Argument infrage, dass er etwa den „Deutschen Solarpreis“ erhalten habe.
Gewalttaten nicht bewiesen
Gegen die Vorwürfe setzt sich der Redakteur jetzt mit einem offenen Brief zur Wehr. Sein Lob für den zivilen Ungehorsam, sei, anders als von Kritikern dargestellt, „weder ein Aufruf zur Gewalt noch zum Rechtsbruch“, schreibt Döschner. Er habe nur darauf hingewiesen, dass Verhaltensweisen legitim, also „begründet“ oder „vernünftig“ sein können, „auch wenn sie geltenden Gesetzen zuwiderlaufen“.
Auch dass er Gewalt durch die Demonstranten verschwiegen habe, weist Döschner zurück. Es gebe bisher kein einziges Dokument, das „Gewalttaten durch die Demonstranten an jenem Wochenende belegen würde“. Auch den Vorwurf des „Öko-Lobbyismus“ hält Döschner für „aus der Luft gegriffen“.
Speziell an die Kritiker aus dem RWE-Konzern wendet sich der Redakteur mit einer versöhnlichen Botschaft: Er stamme selbst aus einer Bergmannsfamilie und wisse, „was wirtschaftliche Not bedeutet“. Doch auch für die Beschäftigten sei ein „sozial verträglich gestalteter Kohleausstieg“ besser als „der Versuch, mit Gewalt an den alten Strukturen festzuhalten“.
Der Wunsch nach Dialog bleibt offenbar nicht ungehört. Die gegen ihn gerichtete Facebook-Gruppe hat Döschner inzwischen als Mitglied aufgenommen – und am Mittwoch ihren Namen geändert in „RWE-Mitarbeiter für eine faire Berichterstattung“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr