Berichterstattung über Corona: Apokalypse und Schulterzucken
Eine aktuelle Studie kritisiert die Corona-Berichterstattung der Medien. Aber in einer zweiten Welle wird sich auch die Berichterstattung ändern.
A m vergangenen Samstag meldete das Robert Koch Institut 2034 Corona Neuinfektionen. Das erinnert ans Frühjahr, als in Deutschland Alarmstufe Rot war: Schulen geschlossen, Grenzen dicht, Kontaktbeschränkungen. Es war das Thema Nummer eins in allen Medien. Heute werden ähnliche Fallzahlen an manchen Tagen pflichtschuldig vermeldet wie das Wetter. Ist das fahrlässig?
Die Geschichte der Covid-19-Pandemie sei auch die „Geschichte einer Pandemie der Medien“, haben gerade zwei Wissenschaftler der Uni Passau etwas unglücklich formuliert. Dennis Gräf und Martin Hennig haben die Corona-Sondersendungen von ARD und ZDF untersucht. „Die Verengung der Welt“ heißt ihre Studie, die bemängelt, dass die Berichterstattung geprägt gewesen sei von „Bildwelten apokalyptischer Endzeiterzählungen“: zu viele Bilder von leeren Fußgängerzonen und überforderten Müttern, zu wenig Kritik am Lockdown, zu wenig Berichte über Lösungen.
Die Kritik ist nicht neu, Printmedien bekamen Ähnliches zu hören. Ein Herausgeber der FAZ hat das zurückgewiesen, zwei taz-Kollegen ebenfalls. Auch die Chefs von ARD und ZDF widersprechen der Studie. Es ist in der Tat befremdlich, wenn zwei Wissenschaftler, die mediale Hysterie kritisieren, mit Begriffen wie „Pandemie der Medien“ hantieren – als seien Medien eine Seuche und Verbreitung nicht ihre Aufgabe.
Braucht es wieder Bilder von Leichenbergen?
Trotzdem ist Medienkritik notwendig. Haben die Wissenschaftler Recht, dass die Berichterstattung zu apokalyptisch war? Oder braucht es im Gegenteil nicht gerade jetzt wieder Bilder von Leichenbergen, um uns aus unserer Sorglosigkeit zu holen?
Die Berichte über die Pandemie haben eine Alltäglichkeit bekommen, das ist in den Redaktionen nicht anders als in den Wohnzimmern. Einige Medien scheinen vergessen zu haben, dass Corona doch kein Schnupfen ist. Wie die Zeit, die Anfang August einen Gastbeitrag von Christian Drosten veröffentlichte, in dem er Empfehlungen für den Umgang mit einer zweiten Welle gab, und den erst einmal hinter die Paywall stellte.
Cash statt Informationsauftrag
Informationsauftrag? Nö, Cash! Im Frühjahr jammerte die Zeit über Anzeigenverluste und schickte ihre MitarbeiterInnen auf Kosten der Allgemeinheit in Kurzarbeit. Im Sommer jubelt sie ungeniert über Auflagenrekorde und lässt eben jene Allgemeinheit für den Text des bekanntesten deutschen Virologen bezahlen. Wie gut, dass es den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk mit seinem Drosten-Podcast gibt.
Die Frage, wie tagesaktuelle Medien mit langfristigen Krisen umgehen, stellt sich in der Corona-Zeit nicht zum ersten Mal. Das trifft den Bürgerkrieg in Syrien wie die Finanzkrise. Irgendwann gehen JournalistInnen die Narrative aus, in die eine Krise übersetzt werden kann: das Erzählen von Einzelschicksalen oder aber auch das Duell der Wissenschaftler – Drosten vs. Kekulé, Drosten vs. Bild-Zeitung. So ließ sich Corona bisher „runterbrechen“, wie man in Redaktionen gern sagt.
Sollte eine zweite Welle kommen, werden die Fragen und die politischen Maßnahmen ganz andere sein als zu Beginn der Pandemie. Schon allein deswegen wird auch die Berichterstattung eine andere sein. Den journalistischen Weg zwischen Apokalypse und Schulterzucken zu finden, bleibt trotzdem eine Herausforderung.
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