Bericht über Zustand der Förde: Lautloses Sterben
Ein Bericht des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums zeigt, dass es der Flensburger Förde mies geht. Ein großes Problem sind die Düngeeinträge.
Wäre die Flensburger Förde ein Schulkind, sie müsste sich Sorgen um ihre Versetzung machen: In den meisten Kategorien, die der aktuelle Bericht des Umweltministeriums nennt, lautet die Note „unbefriedigend“. Bewertet wurde der Ostseefjord nach den Kriterien der EU-Wasserrahmenrichtlinie, geprüft werden dabei unter anderem der Zustand der tierischen und pflanzlichen Lebewesen, Schadstoffbelastung und chemisch-physikalische Parameter.
Dass es der Förde schlecht geht, wissen Kaiser und Thomsen seit Jahren. Die beiden Schleswig-Holsteiner haben sich in Ägypten kennengelernt – damals leitete Kaiser dort eine Tauchbasis, die Thomsen als Gast besuchte. Später kehrte Kaiser, der im Hauptberuf Pastor ist und heute als Diakon die Kieler Seemannsmission leitet, nach Norddeutschland zurück und nahm den Kontakt zu Thomsen wieder auf, der als Berufstaucher der Feuerwehr Flensburg arbeitet und in der Förde „jeden Fisch beim Namen kennt“, so die Beschreibung auf der Homepage des „Unterwasserteams“.
Der Name sei übrigens ein Glücksgriff gewesen, berichtet Kaiser: „Dass wir nur zwei sind, ahnte anfangs keiner.“ So wurde das Team zu Beratungsrunden im Rathaus eingeladen, unter anderem als es um die Frage ging, ob in der Förde weiter Muscheln gefischt werden dürften.
Der Ostseefjord liegt im äußersten Norden Deutschlands an der Grenze zu Dänemark.
Zur breiten Außenförde zählt die Geltinger Bucht, die langgestreckte, schmale Innenförde endet in Flensburg.
Die Wasseroberfläche beträgt rund 220 Quadratkilometer und das Wasservolumen 3,4 Kubikkilometer.
Zu den wichtigsten Meeresbodenhabitaten zählen Sandbänke und Riffe sowie Muschel- und Seegrasvorkommen.
Kaiser legte dagegen ein deutliches Veto ein – auch weil er aus eigener Ansicht weiß, wie es aussieht, wenn ein Fabrikschiff seine Netze über den Boden gezogen hat und nur schlammigen Grund zurücklässt oder die „netzartigen Strukturen“, die von Fischleichen übrig bleiben, die sich aufgrund der Nährstoffübersättigung nicht ganz zersetzen können.
„Die Untere Naturschutzbehörde ist gut, wenn es um Bäume geht, aber unter Wasser ist sie blind“, sagt Kaiser. Und die Aufsichtsbehörde in Kiel sehe zwar, wo sich ein Fangschiff aufhalte, aber nicht, „ob die Kästen unten sind“. Mit Videos, die sie auf ihrer Homepage und andere Kanälen veröffentlichen, machen Kaiser und Thomsen das lautlose Sterben der Förde sichtbar. Kommerzielle Muschelfischerei ist seit einigen Jahren verboten – „eine Sternstunde“, sagt Kaiser.
Der Bericht der Landesregierung, der nun die gesamte Förde erfasst, bestätigt die Beobachtungen der beiden. „Meine spontane Reaktion beim Lesen: Ja, wir liegen richtig, und ich hätte mir gewünscht, es sei nicht so“, sagt Kaiser. Doch die 25-Seiten-Studie helfe auch: „Was wir sagen, kann man als zufällige Laienbeobachtungen abtun. Nun liegt ein Dokument vor, auf das man verweisen kann.“
Das Ministerium nennt auch die Ursachen des Problems, inklusive der Lösungsansätze. Allerdings schwingt eine gewisse Hilflosigkeit mit. Denn der Hauptgrund für die Überdüngung der Förde sind demnach die „nach wie vor viel zu hohen landseitigen Nährstoffeinträge“, die aus der Landwirtschaft kommen.
Damit sich etwas ändert, müssten Bäuer*innen die in Gesetzen definierte „gute fachliche Praxis“ einhalten, fordert das Ministerium, das unter seinem Chef Jan Philipp Albrecht (Grüne) auch für die Landwirtschaft zuständig ist. Weitere Maßnahmen wie der Ankauf von Uferstreifen als Schutzzone scheitern daran, dass entsprechendes Land nicht zum Verkauf steht. So wird das Land Geld vor allem für weitere Untersuchungen, Karten und Monitoring ausgeben.
„Durchaus sinnvoll“, findet Tobias Kaiser diese Pläne. Er wünscht sich unter anderem, dass Steine auf den Grund gebracht werden: „Die sind in früheren Zeiten aus der Förde gefischt und als Baumaterial oder Kopfsteinpflaster verwendet worden.“
Heute fehlen die Steine, weil sie Muschelbänken Halt bieten könnten. Muscheln aber filtern das Wasser und würden damit dem Gewässer helfen. Aber „es bringt nicht, Steine einfach in den matschigen Grund zu werfen – damit würde Geld buchstäblich versenkt“. Um die richtigen Stellen zu finden, seien genaue Kartierung und Know-how nötig. Ähnliches gilt für Seegras, das ebenfalls das Wasser reinigen kann.
Kaiser und Thomsen planen nun, einen Verein zu gründen: „Wir beide können die Arbeit nicht machen – aber wir können vernetzen und Leute zusammenbringen.“ Denn die beiden Flensburger sind inzwischen bekannt, ebenso wie ihre Bilder vom Zustand der Förde. Durch die Mitarbeit in vielen Runden haben beide Kontakte sowohl zur Politik als auch zu Nebenerwerbsfischern und Umweltverbänden. „Ich habe Hoffnung, dass sich etwas tut“, sagt Kaiser.
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