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Belästigung ist kein FlirtenWir haben heute leider keine Nummer für dich

Eigentlich ist es nicht so schwer, den Unterschied zwischen Flirt und Belästigung zu bemerken. Aber einigen Männern scheint das nicht zu gelingen.

Nur weil Frauen, Queers und trans Menschen existieren, haben cis hetero Männer kein Recht, sie zu belästigen Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

E igentlich ist es der perfekte Moment. Meine Schwester und ich haben unsere Decke gleich neben dem See ausgebreitet und gehen nackt ins Wasser. Um uns herum andere unbekleidete Fes­ti­val­be­su­che­r*in­nen und solche im Badezeug. Eine Gruppe tanzt zu entspanntem Afrobeat, andere dösen oder unterhalten sich. Ich schwimme gleich los, während meine Schwester sich noch an die kühle Wassertemperatur gewöhnen muss. Neben ihr ein Mann, dem es genauso zu gehen scheint. Er spricht sie an, die beiden lachen.

So weit, so schön, doch dann wird es unangenehm. Erst spritzt er sie nass, dann, da ist sie bereits losgeschwommen, will er unbedingt noch wissen, wie sie heißt. „What’s your name?“, brüllt er mehrmals über den kleinen See. Es fällt schwer, ihn zu ignorieren. Was ich nicht mitbekommen habe, aber später erfahre: In den paar Minuten, die sie zusammen standen, hat er ihr nicht nur seine komplette Lebensgeschichte erzählt, er hat sie auch zu sich nach Hause eingeladen, obwohl er nicht das Geringste von ihr weiß.

Kurze Zeit später liegen wir wieder auf unserer Decke und würden jetzt eigentlich gerne die letzte Nacht Revue passieren lassen, da steht er plötzlich neben ihr und guckt auf sie herab. Sagt, wie attraktiv sie sei, und dass sie aussehe wie ein Model auf dem Cover der Marie Claire. Meine Schwester verzieht das Gesicht und schaut demonstrativ durch ihn hindurch. Bist du die Heidi-Klum-Jury – oder was?, denke ich, aber knalle es ihm nicht gegen den Kopf. Weil ich mich nicht einmischen will und er ja auch so längst begriffen hat, wie sehr er nervt, aber es missachtet.

Mir kann echt keiner erzählen, dass Männer, die ansonsten die komplexesten Sachverhalte verstehen, derart begriffsstutzig sind, wenn es um so etwas Simples wie den Unterschied zwischen einem Flirt und Belästigung geht. Hier aber gerne noch mal zur Erinnerung: Belästigung ist, wenn jemand auf deinen Kontaktversuch nicht anspringt, aber du trotzdem weitermachst, so wie dieser Typ.

Während er da nun also einfach stehen bleibt und seinen Penis über uns baumeln lässt, werden wir wütend

Während er da also einfach stehen bleibt und seinen Penis über uns baumeln lässt, werden wir langsam wütend. Denn es kann doch nicht angehen, dass wir Frauen immer noch objektifiziert werden: in der Sauna, im FKK-Bereich, ja selbst auf diesem progressiven Festival, auf dem wir uns bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich relativ unbehelligt gefühlt haben. Eigentlich …

Wenn mein Freund mich fragt, warum ich nicht so gerne in die Sauna oder ins Freibad gehe, dann genau deshalb. Er selbst hat mir neulich erzählt, wie sich dort jemand nach einer gemeinsamen Bekannten erkundigte, indem er sie über ihre Brüste beschrieb. Klar sind das Kinkerlitzchen im Vergleich zu dem, was Frauen sonst so auszustehen haben, aber störend ist es trotzdem. Langsam fürchte ich, dass keine Gendersensibilisierung der Welt heterosexuelle cis Männer davon abhalten wird, sich daneben zu benehmen, weil sie sich daneben benehmen wollen. Weil eine gewisse Zahl Glotzen, Pöbeln, Baggern und Schlimmeres als ihr Geburtsrecht ansieht.

Und so sind wir trotz allem Ringen um Gleichheit für diese Typen nach wie vor keine Menschen, die einfach nur planschen und sich entspannen. Sondern Sexualobjekte, aktuell sogar so sehr, wie lange nicht. Dabei haben wir Frauen genauso ein Recht auf ungestörte Nacktheit wie ihr Männer. Uns gehört die Hälfte dieses Planeten. Wasser ist auch unser Element. Also schleicht euch.

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Anna Fastabend
Redakteurin wochentaz
Hat mal Jura studiert und danach Kreatives Schreiben am Literaturinstitut in Hildesheim. Hat ein Volontariat bei der Märkischen Oderzeitung gemacht und Kulturjournalismus an der Universität der Künste Berlin. Schreibt über feministische Themen, Alltagsphänomene, Theater und Popkultur.
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2 Kommentare

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  • Ich hätte wohl einfach in der Situation zu dem Typen gesagt dass er sich verziehen soll. Man muss sich eben um das eigene Wohl kümmern, sagen was man will. Das tun Andere nicht stellvertretend.



    Dass es immer wieder mal Arschlochmenschen gibt sollte jeder verstanden haben, der länger als 16 Jahre auf unserem Planeten verbracht hat. Da hilft kein Hoffen, man muss etwas tun.

    • @realnessuno:

      "Ich hätte wohl einfach in der Situation zu dem Typen gesagt dass er sich verziehen soll."

      In einem Kommentar auf einer Website einfach geschrieben, leider trägt das in der Realität ein ernstzunehmendes Risiko mindestens lautstark beleidigt zu werden und schlimmstenfalls gewaltsam angegriffen zu werden. Wer so aufdringlich ist, reagiert auf eine Zurückweisung tendenziell nicht gerade besonnen und verständnisvoll.