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Belästigung auf dem KiezSex-Übergriffe durch Antänzer

Männergruppen haben Silvester in der Großen Freiheit Frauen zur Ablenkung sexuell belästigt, damit ihre Komplizen sie bestehlen konnten.

Immer gut für Gedränge: Hamburgs Große Freiheit. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Die Trickdieb-Masche aus Köln ist offenkundig auch in Hamburg angekommen. In der Silvesternacht sind auf dem Kiez mindestens zwanzig Frauen im Alter von 18 bis 24 Jahren Opfer von „Antänzern“ geworden, indem sie zuerst sexuell belästigt sowie beleidigt wurden. Dadurch waren die Frauen abgelenkt, sodass Komplizen sie hinterrücks ausrauben konnten. „Es melden sich peu à peu immer weitere Opfer“, berichtet Polizeisprecher Holger Vehren.

Die sexistischen Trickdiebe operierten im Bereich des Kiezes am Eingang zur Großen Freiheit am Beatles Platz und waren auf Besucherinnen der Großen Freiheit fixiert. „Nach bisherigen Erkenntnissen sind die Opfer im Gedränge zum Teil gleichzeitig von mehreren Männern in unterschiedlicher Gruppengröße mit südländischem oder arabischem Aussehen angegangen worden“, sagt Polizeisprecher Vehren. Nachdem die Frauen die sexuellen Attacken wie Grabschen in den Intimbereich oder an den Busen abgewehrt und den ersten Schock überwunden hatten, stellten sie fest, dass Portemonnaies, Papiere, Bargeld oder Smartphones gestohlen worden waren. Die Polizei sucht nach Zeugen, die in dem Bereich des Eingangs zur Großen Freiheit zwischen 0.30 Uhr und 2 Uhr die Taten fotografiert oder Handy-Fotos von Männergruppen gemacht haben.

Die Antänzer-Masche ist nicht neu und in Köln schon länger ein Problem. Es vergeht kaum ein Wochenende, an dem Partygänger nicht von den Trickdieben bestohlen werden. Bei den Rheinländern wenden Antänzer diese Masche auch bei Männern an, in dem sie Touristen und Besucher im Vergnügungsviertel fröhlich schunkelnd umarmen, während die Mittäter sie ausrauben. In Köln geht die Polizei von organisierten Cliquen aus Nordafrika aus, die extra nach Köln reisen und in von Hintermännern angemieteten Räumen unterkommen, um auf Diebestour zu gehen.

Die Polizei in Hamburg gibt sich beim Täterprofil zurückhaltender. „Wir sind da sehr vorsichtig“, betont Polizeisprecher Vehren. Seine Kollegen begännen erst, sich ein Lagebild zu verschaffen, sagt Vehren. Dass Diebe in Einzelfällen den Körperkontakt suchten oder jemanden antanzten, habe es auch schon bei Events wie dem Alstervergnügen und dem Hafengeburtstag gegeben.

Die neue Antänzer-Masche

Das Phänomen der Antänzer-Masche gegen Frauen im großen Stil ist in Hamburg neu.

Die Frauen werden von mehreren Männern umringt und begrabscht – also sexuell belästigt – während Komplizen aus den Hand- oder Manteltaschen Wertgegenstände entwenden.

Keine Hilfe zur Strafverfolgung solcher Taten bietet laut Polizeigewerkschaft eine Videoüberwachung, da den Täter individuell durch den Film keine Straftat nachgewiesen werden kann.

Davon seien auch Männer betroffen. „Aber derart komprimiert und massiv auf einen engen Bereich begrenzt, ist das für Hamburg neu“, sagt Vehren. „Und in diesem Fall sind alle Opfer Frauen – auch das ist besonders.“ Wobei das sexualisierte Vorgehen gegen die jungen Frauen wohl nicht im Mittelpunkt gestanden habe, sagt Vehren, sondern eher Mittel zum Zweck gewesen sei, die Opfer auszurauben.

Alle Rathausparteien forderten eine konsequente Aufklärung der Ereignisse. Der Innenausschuss wird sich am 14. Januar mit den Vorfällen befassen. Medienberichte, nach denen Nordafrikaner nunmehr niedrigschwelligen Kontrollen durch die Polizei ausgesetzt seien, seien aus der Luft gegriffen, versichert Vehren.

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5 Kommentare

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  • "Die Polizei sucht nach Zeugen"

     

    Das wird wohl schwer werden. Aber das ist eine bestimmte Gruppe von Menschen in Hamburg gibt, die ihr Leben nur in der Kriminalität verbracht haben, ist durchaus bekannt. Die Polizei tut gut daran, die Sache nicht so hochzublasen. Aber ich frage mich, wie sie da zu Erfolgen kommen wollen. Am Ende werden die Luden diese Leute rausfischen und veprügeln, prognostiziere ich mal, denn so läuft das für gewöhnlich auf dem Kiez: Wer' Geschäft stört, wird bestraft. Fragt sich nur, was die Polizei dann machen wird.

  • Massenweise Mädchen berichten in Hamburg und Köln schockiert davon, wie ihnen von Männergruppen in sämtliche Körperöffnungen gegrabscht wird und Tage später bagetellisiert ausgerechnet die taz das als "Antanzen" und Ablenkungsmanöver für Taschendiebe.

     

    Es bedarf keinen feministischen Einsteigerinnenkurs um fassungslos zu sein.

  • Mich wundert sehr, dass über diese Vorgänge erst jetzt berichtet wird. Ich komme selbst aus Hamburg, erfuhr aber erst durch eine Forendiskussion über die Kölner Belästigungen davon, dass es auf dem Kiez auch welche gab. Und dass die Bildzeitung als einzige schon darüber berichet hat. Warum diese Verzögerung?

     

    Erstaunlich finde ich auch, wie die "Antänzerei" in den Vordergrund geschoben wird, wohingegen in anderen Medien von regelrechten Hetzjagden gesprochen wird und daß einige Frauen und Mädchen schon von Türstehern von der Straße gezehrt wurden, um sie zu retten. Ich kann verstehen, dass vorsichtig und nüchtern formuliert wird, dass versucht wird, logisch zu erklären. So wie ich es aus anderen Zeitungen und Onlinemedien gelesen habe, soll die Antanzmasche, das Zweckmässige der sexuellen Angriffe sowohl in Köln als auch in Hamburg immer mehr ausgeartet sein. Röcke und Unterhosen muss man nicht zerreissen, um an Brieftaschen und Handy zu kommen.

     

    Was mich beschäftigt und beunruhigt ist, dass die Gleichzeitigkeit und Ähnlichkeit der Vorgänge wirkt wie ein Flashmob. Hamburg, Köln und ein Vorfall in Stuttgart.

    • @Wallis:

      Ja, die Sache soll relativiert und schließlich weggedrückt werden. Ein Weltbild muß gerettet werden. Finde ich sogar verständlich, denn nichts ist schmerzhafter als Veränderung, vor allem im Denken.

      Die sexuelle Gewalt war Selbstzweck, behaupte ich jetzt mal, nach allem, was als gesichert gelten kann. Das hat mit "Antanzen" nichts mehr zu tun.

      An einen Flashmob glaube ich nur insoweit, dass man sich einfach zu Silvester an prominenten Plätzen getroffen hat. Und dann haben einige viele eben das Verhalten an den Tag gelegt, das jeder kennt, der schon mal den Maghreb bereist hat, zusätzlich durch Alkohol befeuert.