Bekennerschreiben BER-Sabotage: Zucker im BER-Beton
In einem Bekennerschreiben erklären sich Klimaaktivisten für die Nicht-Eröffnung des Flughafens BER verantwortlich. Wir dokumentieren das Schreiben.
Acht Jahre ist es her, dass der Flughafen BER erstmals eröffnet werden sollte. Seitdem reiht sich Panne an Panne und rückt die Eröffnung wurde immer wieder verschoben. Vermutlich denken auch Sie, „es handelt sich um ein klägliches Versagen von Politik, Behörden, Bauunternehmen“.
Falsch: Laut Selbstbezichtigung der Initiative „Am Boden bleiben“ ist gezielte Sabotage dafür verantwortlich. In einem Bekennerschreiben und einem dazugehörigen Video reklamiert eine „Gruppe von Pinguinen“ die Nicht-Eröffnung als ihren Erfolg. Die Initiative, die zum internationalen Netzwerk „Stay Grounded“ gehört, setzt sich für die Reduzierung des Flugverkehrs ein – der „umweltschädlichsten Form der Mobilität“, wie ein Sprecher auf taz-Anfrage erklärt.
Die Veröffentlichung von Bekennerschreiben in der taz hat Tradition, wenn sie auch zuletzt in Vergessenheit geraten ist. Wir knüpfen an die radikalen Tage der Zeitung, als sie noch Teil der Bewegung war, an und veröffentlichen das Bekennerschreiben, das zunächst auf der linksradikalen Plattform Indymedia hochgeladen wurde, in voller Länge:
„WIR sind der Ausbaustopp – Ein Bekenntnis
Die BER Baustelle: Sie denken, es handelt sich um ein klägliches Versagen von Politik, Behörden, Bauunternehmen? Wir verraten: Hinter der Verzögerung steckt geschicktes Handwerk und kluger Klimaschutz. Design statt Disaster! Kurz: wir waren’s.
Wir bekennen uns dazu, seit 2010 die Baumaßnahmen des Berliner Flughafens gestört und sabotiert zu haben. Damit konnten wir die Eröffnung des Flughafens schon neun Jahre lang verhindern. Wir feiern damit eine der effektivsten Klimaschutzmaßnahme der Hauptstadt überhaupt. Da die Berliner Regierung nicht in der Lage ist, dem Flug-Wahnsinn Einhalt zu gebieten, mussten wir selbst zur Tat schreiten.
Empfohlener externer Inhalt
In mühevoller nächtlicher Arbeit haben wir die Rolltreppenpläne manipuliert, die Wasserleitungen des Sprinkler-Systems verkleinert und die Shopping-Areale aus den Grundrissen herausgeplant. Dort wird sowieso nur Schrott verkauft, die braucht kein Mensch. Weil wir Zucker in den Beton gemischt haben, musste die Startbahn aufgrund grober Mängel überholt werden. Besonders stolz sind wir auf den gelungenen Austausch der Fensterschließmechanismen, die nun bei Temperaturen von über 30 Grad nicht mehr funktionstüchtig sind. Heißer darf es sowieso nicht werden! Keep it cool!
Ein Flug von Deutschland nach San Francisco lässt rund fünf Quadratmeter Eis unter unseren Flossen wegschmelzen – pro Passagier! Ein paar reiche Säugetiere fliegen uns alle ungebremst in die Klimakrise. Wie dumm sind Menschen eigentlich, dass sie ihren eigenen Untergang subventionieren, und den von Millionen anderer Arten dazu? Es muss klar sein, dass angesichts der Klimakrise kein Cent mehr in die fossile Infrastruktur fließen darf!
Nicht die lange Bauzeit des BER ist der Skandal – sondern dass ihn die Politik immer noch eröffnen will. Vom BER soll niemals ein Flugzeug starten! Das Gebäude soll stattdessen in ein Museum des fossilen Kapitalismus und der veralteten Mobilität umfunktioniert werden. Wir fordern dazu einen kompletten Stopp aller Flughafen-Ausbauten – am BER und überall – und eine drastische Reduktion des Flugverkehrs.
Leute, die Politik handelt nicht – es liegt an uns, Flughäfen lahmzulegen. WIR sind der Ausbaustopp! BER ist nur der Anfang. Ab jetzt werden wir unsere Kunst auch an anderen Flughäfen ausprobieren.
WIR sind der Ausbaustopp! Penguins for Future!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut