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Beisetzung von Papst Franziskus Ein Papst für Alle

250.000 Menschen begleiten Papst Franziskus auf seiner letzten Reise. Sein Einsatz für die Armen und Ausgeschlossenen prägten sein Image und auch seinen Abschied.

Ein Banner zum Dank an den Papst hängt während des Trauerzuges mit dem verschlossenen Sarg durch die Stadt an einer Hauswand Foto: Roberto Monaldo/LaPresse via ZUMA Press/dpa

ROM taz | Um zehn Uhr soll die Totenmesse für den am Montag im Alter von 88 Jahren gestorbenen Papst Franziskus beginnen, doch schon gut zwei Stunden vorher sind es zehntausende Menschen, die auf der breiten Via della Conciliazione Richtung Petersplatz drängen. Der nicht endende Strom ist kanalisiert durch Absperrgitter, und immer wieder werden die Menschen aufgehalten. „Stopp“, ruft ein Mann vom Zivilschutz, während er mit seinen Kol­le­g*in­nen und mit Leuten vom Roten Kreuz eine Kette bildet, doch schnell heißt es: „Weiter!“

Eher aufgekratzt als traurig wirkt das Heer der Trauergäste, und auch die beiden jungen Priester, die zum Platz streben, unterhalten sich angeregt. Der eine von ihnen komme aus Sri Lanka, der andere aus Äthiopien, erklären sie auf Nachfrage. Sie treiben Bibelstudien an der Gregorianischen Universität in Rom, und sie sind sich einig: „Franziskus war etwas Besonderes“. Sein Einsatz für die Armen, die Ausgeschlossenen aller Kontinente – er habe schlicht „das Evangelium gelebt“.

Weit weniger enthusiastisch äußert sich die Argentinierin gleich hinter ihnen. Sie ist mit ihrem 16-jährigen Sohn angereist, aber nicht etwa wegen des Papstbegräbnisses. Sie wollten zum „Giubileo degli adolescenti“, zum „Heiligen Jahr der Teenager“, zu der in seinem Rahmen eigentlich für Sonntag geplanten Heiligsprechung von Carlo Acutis, der im Jahr 2006 mit nur 15 Jahren gestorben war.

Dass der tote Papst auch Argentinier war, ist für die Dame unerheblich, und zu seiner Rolle in der Kirche fällt ihr nur ein, „er war eben das Oberhaupt, genauso wie sein Vorgänger, genauso wie sein Nachfolger“, gibt sie höflich ihre Distanz zu Franziskus zum Ausdruck.

Hoffnung auf würdigen Nachfolger

So wie die Argentinierin und ihren Sohn hat der Terminkalender des Heiligen Jahrs an diesem Wochenende zehntausende Jugendliche nach Rom geführt – Gruppen von Pfad­fin­de­r*in­nen oder aus Pfarreien prägen das Bild. Auf dem Bürgersteig hat sich ein Trupp aus der norditalienischen Kleinstadt Desio nördlich von Mailand niedergelassen, einige von ihnen vertreiben sich die Zeit mit Kartenspiel.

„Als wir vom Tod des Papstes gehört haben, haben wir uns die Frage gestellt, fahren wir trotzdem nach Rom, auch wenn die Heiligsprechung von Acutis verschoben ist?“, erzählt einer von ihnen, „aber alle waren dafür“. Hier, ist er sicher, werde heute „die Einheit der Weltkirche gelebt“, und dieser Papst habe gerade das junge Volk immer am Herzen gehabt, „hoffen wir, dass sein Nachfolger genauso tickt“.

Ganz so optimistisch sind Alessandra und Marco nicht. Die beiden 50-Jährigen haben einen Platz ganz vorne auf der Via della Conciliazione gefunden, am Rand des Petersplatzes, gemeinsam mit ihrem elfjährigen Sohn, der es sich auf einem Campingstühlchen bequem macht. „Wir haben ihn seinerzeit Francesco getauft“, erzählt Marco, „gerade wegen dieses damals kurz vorher gewählten Papstes“. Um fünf Uhr morgens ist die Familie aus Assisi aufgebrochen, und wenn man sie nach dem toten Papst fragt, leuchten ihre Augen.

„Er meinte es ernst mit der ‚Kirche für alle‘“, schwärmt Marco, zitiert das von Franziskus verkündete Motto, „tutti, tutti, tutti!“, „Alle, alle, alle!“. Dann zeigt er auf Sankt Peter und mokiert sich sofort, „da ist doch jede Menge Geld unterwegs“, während der Verstorbene nichts gegeben habe auf weltlichen Luxus. Und während der die Öffnung hin zu den Ausgeschlossenen, den Armen, den Obdachlosen, den Geflüchteten und auch Minderheiten wie den Schwulen gepredigt und gelebt habe.

Einer der Brücken baut

Als Nachfolger auf dem Stuhl Petri könnte Marco sich Luis Antonio Tagle von den Philippinen vorstellen, „der hat die gleiche Sicht auf die Dinge wie Franziskus“. Wenn es dagegen ein Italiener werde, „dann, so fürchte ich, geht es wieder vor allem ums Zeremonielle, nicht ums Spirituelle“.

Pünktlich um zehn Uhr beginnt die Trauermesse. Links des Altars haben die Kardinäle Platz genommen, rechts die Staatsdelegationen aus aller Welt. Die Messe liest der greise Kardinaldekan, der 91-jährige Giovanni Battista Re. Und er bringt Franziskus' Botschaft präzise auf den Punkt, dessen Kampf gegen eine Kultur, die Menschen als „Ausschuss“ behandelt.

Er spricht an, dass Jorge Mario Bergoglios erste Papstreise nach Lampedusa führte, dass er dann auf der Flüchtlingsinsel Lesbos war, dass er eine Messe an der Grenze zwischen Mexiko und den USA hielt. An dieser Stelle brandet auf dem Platz Applaus auf.

Gespräche zur Ukraine am Rande

Nicht geklatscht haben dürfte allerdings der mit seiner Gattin Melania angereiste US-Präsident Donald Trump, ebenso wenig wie bei der Passage, in der Kardinal Re Bergoglios Aufforderung zitierte, man solle „Brücken errichten, nicht Mauern“. Ob Trump sich in Rom um die Errichtung von Brücken wenigstens gegenüber Wolodymyr Selenskyj bemühte, ist nicht bekannt.

Die ukrainische Regierung verbreitete Fotos eines Gesprächs, das die beiden im Petersdom unmittelbar vor der Totenmesse führten, zunächst unter vier Augen, während später auch Frankreichs. Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Keir Starmer hinzutraten.

15 Minuten dauerte dieses Gespräch, doch die aus der ukrainischen Delegation geäußerte Hoffnung, direkt nach der Messe könne es eine ausführlichere Runde zwischen den beiden geben, erfüllte sich nicht. Denn Trump brach umgehend zum Flughafen auf. Die Messe endete kurz nach 12 Uhr.

Einer von ihnen

Der Vatikan gab die Zahl der Teil­neh­me­r*in­nen mit 250.000 an – eine großzügige Schätzung. Jedenfalls war die Menge weit entfernt von dem Millionenheer, das im Jahr 2005 der Beisetzung Johannes Pauls II. beiwohnte – ein untrügliches Zeichen der Säkularisierung, die auch in Italien voranschreitet.

Unmittelbar nach der Messe trat Franziskus seine letzte Reise an, wurde sein Sarg auf einem Papamobile zur sechs Kilometer entfernten Basilika Santa Maria Maggiore gefahren, in der er bestattet werden wollte. Dort – auch dies geschah auf seinen Wunsch – erwarteten ihn auch 40 jener „Ausgeschlossenen“, für die er sich immer eingesetzt hat, Menschen zum Beispiel aus dem Wohnprojekt Spin Time, einem besetzten früheren Bürogebäude, in dem etwa 400 Menschen leben.

Menschen, denen der Papst immer wieder unter den Arm griff, zum Beispiel als er im Jahr 2019 seinen „Almosenmeister“, Kardinal Konrad Krajewski, zum Spin Time herausschickte, als dort der Strom abgeklemmt worden war. Krajewski stieg in den Keller – und schaltete den Strom wieder an, gleichsam mit päpstlichem Segen. Einer aus der 40-köpfigen Gruppe brachte später vor der Kamera des italienischen Staatsfernsehens RAI zum Ausdruck, was er fühlte: „Er war einer von uns“.

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1 Kommentar

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  • Ein Papst für alle - auch für die hohen deutschen Kirchenamtsträger, die Missbrauchstaten verschleiert haben.

    Ein Papst für alle - außer für die, die ungewollt schwanger sind.

    Jay. Päpste.

    Ja, es war vergleichsweise schön, einen Befreiungstheologen in Rom zu wissen.