Bei der Z-Jugend von Werder Bremen: Der neue Messi

Kürzlich schauten wir uns ein Spiel von Ahmets Sohn Selo an. Der Junge mit der Nummer 10 war kräftig am Wirbeln. Aber etwas stimmte nicht mit ihm.

Ein Hubschrauber überfliegt die Geburtsstadt des Fußballspielers Messi mit einem überdimensionalen Trikot des argentinischen Idols im Schlepptau.

Was einen als Star so alles erwartet: Hubschrauber über Messis Geburtsstadt Roasario am 13.12.2022 Foto: dpa/telam | Seba Granata

Ahmets Sohn Selo spielt Fußball bei Werder Bremen, entweder bei der T-Jugend oder X-Jugend – oder Z-Jugend. Mein Kumpel Ahmet schwärmt unentwegt davon, dass sein Sohn mit Sicherheit der kommende Messi ist, vielleicht sogar noch einen Tick besser. Und dann lädt Ahmet mich und unseren Freund Hans am Tag des WM-Endspiels zwischen Argentinien und Frankreich ein, mal ein Spiel von seinem Sohn, der mit der Messi-Nummer 10 spielt, anzugucken. Sein Sohn, der Selo-Messi, wird sicherlich genauso zaubern wie der echte Messi, versichert er.

Als wir am letzten Sonntagmorgen sechs Stunden vor dem WM-Finale auf dem Sportplatz ankommen, sind die Buben bereits tüchtig am Kicken. Ahmet, der Erzeuger von Selo-Messi, ist nicht unter den Zuschauern, aber sein Sohn ist wirklich gut! Der Kleine mit der Nummer 10 ist kräftig am Wirbeln. Er zaubert, rackert und ackert, was das Zeug hält.

Das Spiel dauert erst zwanzig Minuten, aber der Junge hat bereits drei herrliche Tore geschossen. Er ist vorne, er ist hinten, und stopft unermüdlich die Löcher, die seine noch schläfrigen Kollegen ständig hinterlassen. Es ist schwer zu glauben, dass mein fauler Arbeitskollege Ahmet und der fleißige Junge Selo etwas Gemeinsames haben!

„Mein lieber Hans, dieses Spiel spiegelt auf unglaubliche Weise die momentane, völlig ungerechte, deutsche Gesellschaft wider. Dieser tapfere Selo, der starke Türke im Team, trägt ganz alleine die gesamte Last dieses Spiels, genauso wie all die anderen Migranten, die sich in Deutschland Tag und Nacht zu Tode schuften, um dieses Land endlich wieder nach vorne zu bringen“, rufe ich nicht ganz ohne Stolz in der Stimme. – „Du hast recht, Osman, aus diesem Jungen wird noch was. Er ist nicht so ballverliebt wie die anderen Türken“, stimmt mir Hans zu.

Besser als die anderen zusammen

„Moin Osman, moin Hans, schön, dass ihr da seid“, kommt endlich auch mein Arbeitskollege Ahmet, der Erzeuger dieses Fußballwunders angelaufen. – „Guten Morgen, Ahmet, ich muss schon sagen, dein Sohn Selo-Messi ist wirklich grandios! Er ist besser als alle anderen Spieler zusammen“, lobe ich seinen Schützling.

„Osman, falsch geraten, das hier ist mein Sohn Selo“, sagt er und zeigt auf einen dicken, verschlafenen Jungen neben sich, der doof aus der Wäsche guckt. – „Wie? Hast du etwa zwei Söhne, die Selo heißen?“, frage ich verdutzt.

„Osman, bist du auf den Kopf gefallen, oder was? Dieser Taugenichts hier neben mir ist mein einziger Sohn Selo. Der faule Hund hat gestern Abend den Stecker des Weckers rausgezogen, damit er heute nicht so früh aufstehen muss. Der Bursche da, der ganz allein den Gegner auseinandernimmt, das ist Kristian. Mein fauler Sohn Selo ist wahrscheinlich in seinem ganzen Leben noch nicht so viel gelaufen wie dieser Kristian in nur einem Spiel.“

„Du Ahmet, ehrlich gesagt, ich hab mich auch die ganze Zeit gefragt, wie es denn wohl sein kann, dass dein Sohn …“ –„Ja, Osman, was hast du dich denn gefragt? Weshalb mein Sohn so gut Fußball spielen kann?“ – „Nein, weshalb dein Sohn so blond, so intelligent, so fleißig und so hübsch sein kann!“

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