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Bei Anhörung im EuropaparlamentWenn China das Internet abdreht

Als der aus Shanghai zugeschaltete Chef der europäischen Handelskammer über Menschenrechte in China sprechen will, bricht die Internetverbindung ab.

Einfach abgeschaltet: die europäische Frage nach den Menschenrechten Foto: Steinach/imago

Peking taz Bei den Online-Sitzungen des Europaparlaments ist es am Montag um die Handelsbeziehungen zu China gegangen. Denn europäische Firmen in der Volksrepublik sind zunehmend ernüchtert, schließlich werden sie durch staatliche Marktverzerrung und fehlenden Eigentumsschutz von der heimischen Konkurrenz überholt. Und Abgeordnete fragten auch nach den Menschenrechtsverletzungen: Wie sieht es mit der Zwangsarbeit Hunderttausender Uiguren in Xinjiang aus? Schuften sie in den Internierungslagern auch für europäische Zulieferer?

Als Experte aus Shanghai zugeschaltet war Jörg Wuttke, Leiter der europäischen Handelskammer in China. Er kann gut mit den KP-Kadern, doch redet er auch Tacheles. Er spricht über Chinas Versprechen der Klimaneutralität wie des Schutzes geistigen Eigentums. Doch als er sagt „Und nun zur Menschenrechtsproblematik …“, wird er prompt vom Internet abgeschnitten. Alle Verbindungsversuche scheitern.

Wer nicht mit Chinas Sicherheitsapparat vertraut ist, mag das für einen ärgerlichen Zufall halten. Auch viele EU-Abgeordnete scheinen zunächst eine instabile WLAN-Verbindung zu vermuten.

Als Korrespondent in Peking hingegen glaubt man längst an keine Zufälle mehr. Denn dafür häufen sie sich zu stark: Just zehn Sekunden vor der geplanten TV-Schalte bricht die Verbindung ab, ausgerechnet während wichtiger Parteitreffen werden alle VPN-Tunnel trockengelegt – jene Software, die man benötigt, um in China gesperrte Webseiten wie Google, Twitter oder die New York Times aufzurufen.

Chinas Regime führt ungeniert seine Zensur vor – live

Unter dem jetzigen Parteichef Xi Jinping gibt sich Peking nicht mal mehr die Mühe, die massive Unterdrückung der Meinungsfreiheit zu tarnen. Doch dass Chinas Regime nun auch im Europapaparlament sein wahres Gesicht so offen präsentiert, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

„Mir ist das noch nie passiert“, sagt der mundtot gemachte Handelskammerpräsident Wuttke am Dienstag. „Es zeigt anscheinend die gestiegene Nervosität – doch das live den Abgeordneten vorzuführen, war sicher kontraproduktiv.“

Denn die Volksvertreter dürften sich nun erst recht fragen, ob man mit China wirklich uneingeschränkt Geschäfte machen sollte.

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12 Kommentare

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  • Derweil haben unsere "Sicherheits"politiker*innen feuchte Träume. Könnte mensch doch diese Technologien ausleihen...

    Man muss nur immer auf die richtige Gelegenheit warten, um die Ratsche wieder ein wenig anzuziehen.

    taz.de/Verbot-von-...n-der-EU/!5724036/

  • Die Lösung klingt einfach:



    Handelswege kappen. Dann müssen europäische Firmen in der Volksrepublik auch nicht mehr befürchten, dass sie durch staatliche Marktverzerrung und fehlenden Eigentumsschutz von der chin. Konkurrenz überholt werden. Die gibtbes dann theoretisch nicht mehr.

    Ich glaube zwar nicht, dass sich dann kurzfristig etwas bzgl. der Menschenrechtsverletzungen ändern würde, aber vlt. ist die chin. Wirtschaft und Bildungselite inzwischen stark genug, einen Wandel einzuleiten.

    • @Carl Fischer:

      Solange die nicht als Block agiert auf Grund mangelnder Informationen, können diese gegeneinander ausgespielt werden durch nachfolgende Personen.



      Im Gegensatz zu uns funktioniert das Bildungssystem dort und Personen können für die meisten Positionen leicht ersetzt werden.

      Personen in gehobenen Positionen haben auch eher keine Lust auf Zuchthaus und anschließender Armut (du wirst dann markiert als schlechter Vertragspartner bis zur "Wiedergutmachung", dh. erzwungene öffentliche Läuterung etc).

      • @marxscheEffizienz:

        Vor zwei Jahren bin ich in China den Mekong entlang gereist, 6 Wochen. Ein Dorf nach dem anderen.

        Die Schulen, in die wir einige Male voller Stolz eingeladen wurden, befanden sich in den besten Häusern des Ortes, rein äußerlich betrachtet. Innen waren sie leer, bis auf jede Menge Schüler und primitivste Sitzmöbel. Heizung oder Lehrmaterial Fehlanzeige.

        Da konnte ich genauso wenig ein funktionierendes Bildungssystem erkennen wie ein hervorragendes Gesundheitssystem in kubanischen Landkrankenhäusern, in denen es zwar genauso viele Ärzte wie Pfleger zu geben scheint, jedoch Schmerzmittel noch nicht einmal gegen Dollars/CUC zu haben sind.

  • Man könnte meinen Leute wie die von der europäischen Handelskammer in China haben noch nie was von Satelliteninternet gehört... Ja das gab es schon vor Starlink!

    Wichtige Dinge macht man mit Sicherheit nicht über ein von China's KP kontrolliertem Netz. Einfach nur peinlich.

  • Geschäfte machen wir doch klassischer Weise ganz ohne Rücksicht auf Menschenrechte, Umweltschutz und Regierungsform.

    Und der europäischen Handelskammer sei gesagt, dass auch in diesem Gremium Zensur offenbar erst interessiert wenn es einen selber trifft.

    Und beim nächsten Mal nehmt ihr halt eine Iridium-Verbindung ... wenn Iridium in China erlaubt ist ....

  • Tja, erst wollen wir alles billig von China produzieren lassen obwohl die Menschenrechte schon seit ewig von Peking verletzt werden, aber dann "enttäuscht" sein wenn die Chinesen sich nicht reinmischen lassen wollen. Hätten wir das vorher gewusst!:)

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @joaquim:

      Alle stimmt nicht. Ich kaufe schon lange nichts aus diesem Unrechtsstaat, wenn es sich vermeiden lässt.



      Viele Waren dürften übrigens in Nord-Korea produziert werden. Das steht natürlich nicht auf dem Etikett! Wie damals in der DDR, wo die Markenjeans in Ost-Berlin produziert und bei C+A oder Karstadt in ganz Europa verhökert wurden.

    • @joaquim:

      So ist es! China als Weltarbeitslager. In China produzieren zu lassen und „Menschenrechtsfragen“ „anzusprechen“ ist mehr als albern.

      • @Ward Ed:

        "You gotta lower your ideals of freedom if you wanna suck on the warm teat of China."

        Southpark

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Zitat: "Doch als er sagt „Und nun zur Menschenrechtsproblematik …“, wird er prompt vom Internet abgeschnitten. Alle Verbindungsversuche scheitern."

    Alles andere hätte mich auch überrascht. Der Terrorstaat hat mal wieder gezeigt, was alles möglich ist. Solange das Business floriert - alles kein Problem.



    Ob Hinrichtungen, Einlieferungen in KZs oder Zwangssterilisationen - no Problem!



    Nicht zu vergessen, die unterlassende rechtzeitige Warnung vor dem Corona-Virus.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Das was China betreibt kann man problemlos als Straf-/Arbeits-/Internierungslager beschreiben und die systematische Verfolgung und Unterdrückung uA der Uiguren ist fraglos ein riesieger himmelschreiender Skandal und ein Verbrechen. Dennoch gibt es bislang keine Hinweise darauf, dass dort auch eine in industriellem Maßstab betriebene systematische Vernichtung dieser Menschen läuft. Deshalb erscheint mir die Verwendung des Begriffs KZ, der untrennbar mit dem Holocaust im NS verbunden ist, doch ziemlich unangebracht.