Beginn des neuen Schuljahres in Berlin: Bitte nicht aus Gewohnheit meckern
Man kann viel kritisieren an der Bildungspolitik – etwa den Lehrermangel. Aber was kann man gegen kostenloses Schulessen haben? Ein Wochenkommentar.
W enn es um das Thema Schule geht, wird ja traditionell viel gemeckert. Ist irgendwie verständlich, schließlich ist Schule ein Ort, an dem unsere Kinder viele Tage und Jahre verbringen müssen, der sie „auf das Leben“ vorbereiten und für selbiges mit dem nötigen Wissen rüsten soll. Gleichzeitig weiß fast jeder, dass an Schulen heutzutage vieles schief läuft: es gibt zu wenig ausgebildete Lehrer, zu viel Aggression und Mobbing – und am Ende bleiben zu viele SchülerInnen ungebildet.
Auch jetzt, kurz vor Schulbeginn, gibt es wieder gute Gründe, die politisch Verantwortlichen zu kritisieren. Etwa als Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Donnerstag verkündete, dass nur vier von zehn neu eingestellten LehrerInnen den Beruf gelernt haben. Das ist zwar nicht der Untergang des Abendlandes: Auch QuereinsteigerInnen, die ja eines der Fächer, die sie unterrichten sollen, studiert haben, bringen wertvolle Qualifikationen mit, ebenso die Seiteneinsteiger, die einen Abschluss in anderen Studienfächern haben.
Dennoch bleibt die Kritik berechtigt, dass die Politik seit Jahren nicht in der Lage ist, den LehrerInnen-Beruf so attraktiv zu machen, dass sich bundesweit genug junge Leute dafür finden. Und dass man gleichzeitig jene, die gerne in dem Beruf arbeiten, ihn aber nicht studiert haben, also die sogenannten Seiteneinsteiger, Jahr für Jahr mit befristeten und schlechter bezahlten Verträgen abspeist und ihnen, anders als den Quereinsteigern, keine Möglichkeit zur Qualifizierung gibt.
Es gibt aber auch Punkte, bei denen die Meckerei offenbar schon reflexhaft erfolgt. Stichwort: kostenloses Schulessen. Seit Jahren wurde es von vielen Seiten gefordert, auch von den Gewerkschaften. Schließlich gibt es wohl tatsächlich Eltern, die sich diese Ausgabe sparen, auch wenn ihr Kind in der Schule hungert. Nun hat der Senat reagiert – und macht es auch nicht recht. Als überstürzt kritisierte die Bildungsgewerkschaft GEW etwa die Neuerung, weil an Halbtagsschulen teilweise Räumlichkeiten fehlen und die Betreuung beim Essen nicht immer geklärt ist.
Zugegeben, das kann etwas chaotisch werden in nächster Zeit, vielleicht müssen manche Schulen zunächst improvisieren. Andererseits: Ist es nicht schön, wenn auch mal einfach was gemacht wird? Ein bisschen mehr Zuversicht kann bei dem Thema doch wirklich nicht schaden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“