Beginn der Leipziger Buchmesse: Kritische Kultur quicklebendig
Zum Start der Leipziger Buchmesse 2025 zeigt sich: Die Literaturszene bleibt trotz des Wahlerfolgs der Rechten antiautoritär und machtkritisch.
D er Buchmarkt mag wirtschaftlich vor Herausforderungen stehen, inhaltlich ist er erstaunlich stabil. Bei den Wahlerfolgen der AfD hätte man jetzt überall Aufrufe zu einer neuen geistig-moralischen Wende in den Buchhandlungen erwarten können. So ist es zum Glück nicht. Der Zuwachs der AfD-Wählerschaft hat keineswegs zu einer Welle von „Deutschland schafft sich ab“-Pamphleten à la Thilo Sarrazin geführt.
Selbstverständlich gibt es auch neurechte und anders reaktionäre Bücher – im November sollen sie in Halle ihre eigene Buchmesse bekommen. Zu vermuten ist allerdings, dass es eine Nischenveranstaltung bleiben wird. Und im Großen und Ganzen: kein Einknicken auch nur eines kulturell relevanten Verlages gegen rechts.
Es boomen auch weder einfühlsame Psychogramme von Musk, Trump oder Vance noch affirmative Darstellungen der Disruption. (Das im Selbstverlag herausgekommene Büchlein des Welt-Herausgebers Ulf Poschardt bleibt die Ausnahme von dieser Regel.) Zum Krieg in der Ukraine positioniert sich die Leipziger Buchmesse wie schon in den vergangenen Jahren eindeutig aufseiten der Ukraine.
Insgesamt bleibt die Kultur im Kern machtkritisch und selbstreflexiv, irgendwo struppig und antiautoritär. Was sich auch in den Diversitätssignalen bei den Kandidat*innen für den Leipziger Buchpreis widerspiegelt. Wird es so bleiben? Von selbst versteht sich das nicht. Deutschlands vermutlicher Kanzler in spe liebäugelt immer mal wieder mit Leitkulturgedanken. Die Kultur als Teil eines Heimatministeriums unter CSU-Führung? Hoffentlich nicht.
Kultur wird schnell zur Verschiebemasse der Politik
Der Kulturausschuss des Bundestags unter dem Vorsitz einer AfD, die alles daransetzen wird, den kulturellen Sektor ins Völkische zu verschieben? Auch das wollen wir nicht hoffen. Doch wenn die intelligenten Kulturpolitiker nicht aufpassen, kann die Kultur schnell zur Verschiebemasse im Politbetrieb werden. Und wie man derzeit in den USA sehen muss, kann der Staat, wenn er autoritär auftritt und die Kultur an die Kandare nimmt, vieles kaputt machen.
Die Leipziger Buchmesse zeigt, was auf dem Spiel steht: die emanzipativen Gehalte und schlicht auch der Spaß an einer lebendigen Debattenkultur. Die Verheißung ist, sich gar nicht erst in die Defensive bringen zu lassen, in der man eine kritische Kultur verteidigen muss. Man muss sie leben und tut das in Leipzig auch.
Zu selbstsicher sollte man dabei aber auch nicht sein. Bei aller Freude darüber, dass der Literaturbetrieb jetzt nicht nach rechts kippt, muss man leider auch feststellen, dass er offensichtlich keine rechten Wahlerfolge verhindern kann, und zwar nicht nur in Ostdeutschland. Das bleibt eine politische Aufgabe.
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