Bedrohte Regenwälder in Afrika: Der Wald als Riesengeschäft
Im Kongobecken versuchen Naturschützer und Entwicklungshelfer, den letzten Rest intakten Regenwalds zu schützen. Das Ökosystem ist vor allem durch die Jagd gefährdet.
BAYANGA taz | Nach wenigen Minuten im dichten Regenwald bricht auch geübten Wanderern der Schweiß aus allen Poren. Nur Motingi, einem BaAka-Pygmäen, der mit seiner Machete einen Pfad durch das Dickicht schlägt, macht die schwüle Hitze nichts aus. Der Dschungel von Dzanga-Sangha im äußersten Südwesten der Zentralafrikanischen Republik ist die Heimat des knapp 1,40 Meter großen Führers.
Immer wieder hält er an, lauscht in die Stille des Waldes hinein, dann legt er wieder Tempo zu. Auf einmal bleibt er stehen. Sein Finger zeigt irgendwo ins dunkle Grün. "Ebobo." Tatsächlich: Nur wenige Meter entfernt sitzt ein Gorilla im Busch. Unbeeindruckt schiebt sich das junge Weibchen einen Ast voll Blättern ins Maul, bevor es flink auf den Baum klettert. Es raschelt. Dann ist es wieder still.
"Die Gorillas sind unsere große Erfolgsgeschichte", freut sich Bryan Curran, der in Dzanga-Sangha für die Naturschutzstiftung WWF arbeitet. "Sie haben den Park international bekannt gemacht und helfen, ihn zu finanzieren." Zwei Gruppen von Flachlandgorillas haben Biologen, die das Verhalten der bedrohten Menschenaffen erforschen, an Menschen gewöhnt. Unter Primatologen gilt das als Sensation. Für Curran ist es die nötige Basis, um den Schutz der entlegenen Region im Kongobecken zu gewährleisten. "Der Wald wird nur intakt bleiben, wenn er den Bewohnern hier etwas wert ist, und selbst dann ist es verdammt schwierig."
Curran und sein Team schützen das, worüber dieser Tage in Cancún diskutiert wird: einen der letzten ökologisch intakten Primärregenwälder der Welt. 4.500 Quadratkilometer davon umfasst das Schutzgebiet von Dzanga-Sangha in der Zentralafrikanischen Republik. Zählt man die angrenzenden Nationalparks Lobeke in Kamerun und Nouabale-Ndoki in der Republik Kongo dazu, sind es 36.000 Quadratkilometer. "Mit Rangern allein kann man eine solche Fläche nicht schützen", weiß Curran.
Wenn der afrikaerfahrene Biologe vom Wald spricht, dann meint er nicht nur die Bäume. Regenwald kann nur als ganzes Ökosystem überleben. Nichts bedroht das so sehr wie die Jagd, so Curran. "Hier wird längst nicht mehr für den Eigenverbrauch gejagt, sondern für kommerzielle Zwecke." Banden ziehen mit Maschinengewehren durch die Wälder und schießen Antilopen, Bongos und Elefanten nieder, die sie mit Booten und Trucks auf die Märkte in den Städten bringen. Dabei passieren sie problemlos alle Straßensperren. Schmiergelder sind schließlich einkalkuliert, so Curran. "Es geht um ein Riesengeschäft."
Das weiß auch Ibrahim, ein glatzköpfiger Kneipier in Bayanga, der größten Siedlung der Region. Ibrahim serviert Raffia-Palmwein und gebratenes Hühnchen, das er am Morgen geschlachtet hat. Seine Kunden klagen, dass es in Bayanga keine Arbeit mehr gibt, seit das Sägewerk geschlossen hat. "Viele machen jetzt anders Geld", sagt er achselzuckend. "Unser Polizeichef etwa ist erst heute früh in die Hauptstadt Bangui aufgebrochen, um sich dort ein Haus zu kaufen."
Woher das Geld kommt, weiß in Bayanga jeder: Wilderer zahlen ebenso für ein zugedrücktes Augen wie illegale Holzfäller und Köhler, die den Regenwald Stück für Stück in Holzkohle verwandeln.
Der zentralafrikanische Staat ist schwach - und chronisch pleite. Polizisten und Wildhüter, die den Regenwald schützen sollen, bekommen oft monatelang kein Gehalt. Den wenigen, die ein geländegängiges Fahrzeug haben, mangelt es meist an Benzin. Selbst Uniformen, Macheten oder Walkie-Talkies kann der Staat sich nicht leisten.
Nur eine jahrelange Förderung der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) machte die Errichtung des Parks Dzanga-Sangha möglich. "In diesem Land gibt es schlicht zu viele Probleme", bilanziert WWF-Mann Curran. "Naturschutz wird deshalb nie ganz oben auf der Agenda stehen."
In den Nachbarstaaten Kamerun und Kongo ist die Lage ähnlich. Dennoch setzen Naturschützer auf die Entwicklung des ersten grenzübergreifenden Schutzgebiets in Zentralafrika - nach dem Motto "Drei Schwache ergeben einen Starken". "Die Verantwortlichen im trinationalen Sangha-Schutzgebiet sprechen sich gut ab, die Kooperation etwa bei Patrouillen ist ziemlich weit gediehen", so Curran. Die zuständigen Nationalparkwächter aus drei Staaten überwachen sich, in einem informellen System sozialer Kontrolle, gegenseitig und spornen sich auch genseitig zu neuen Initiativen an.
So überlegen sie etwa, welche Einkommensquellen sich der Bevölkerung jenseits des Tourismus erschließen könnten: Die gut 300 Stellen, die es in Dzanga-Sangha derzeit gibt, sind lange nicht genug.
Zu Hilfe könnten den Regenwaldschützern ausgerechnet jene Unternehmen kommen, die Tropenhölzer exportieren. "Eine nachhaltige Abholzung", so heißt es in einem von der GTZ in Auftrag gegebenen Managementplan, "könnte helfen, Arbeit zu schaffen und den Wert des Waldes für die örtliche Bevölkerung zu erhöhen."
Doch der Plan ist umstritten. Denn mit der Abholzung werden bislang unzugängliche Teile des Regenwaldes für Wilderer und andere illegale Geschäftemacher erreichbar. Die daraus folgende Zerstörung könnte die Erfolge einer nachhaltigen Forstwirtschaft schnell zunichtemachen.
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