Bebende Esso-Häuser: Risse im Beton
Im wegen akuter Einsturzgefahr evakuierten Gebäudekomplex, entdecken Bauprüfer Anzeichen für eine Erschütterung in der Tiefgarage.
HAMBURG taz | Die Statik der einsturzgefährdeten Esso-Häuser am Spielbudenplatz ist am Montag erneut untersucht worden. Bauprüfer der Landesprüfstelle bewerteten den Zustand der maroden Gebäude aus den 1960er Jahren und entdeckten Anzeichen für eine Erschütterung: In der Tiefgarage, die seit Juni mit 1.600 Stahlstützen stabilisiert wird, gibt es Haarrisse im Beton.
Was die Häuser zum Wackeln brachte, ist Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) zufolge weiter unklar. Das Bezirksamt sperrte die Häuser in der Nacht zu Sonntag, nachdem Bewohner von bebenden Wänden und rieselnden Decken berichtet hatten.
Die rund 100 Mieter kamen zunächst bei Freunden oder in einer Notunterkunft unter. Inzwischen hat der Eigentümer, die Bayrische Hausbau, 65 MieterInnen in Hotels einquartiert, bis es Ersatzwohnungen gibt. Die ersten sechs Mieter haben Grote zufolge bereits Wohnungen auf St. Pauli bekommen.
Das Bezirksamt schließt eine Rückkehr in die Häuser aus: „Wir sind froh, dass wir die Leute rechtzeitig rausgeholt haben, wir werden sie nicht wieder reinlassen“, sagte Grote der taz. Nach der Evakuierung durften die Mieter am Montag in die Wohnungen, um Haustiere, Medikamente und Wertsachen einzupacken. Auch in den kommenden Tagen dürfen sie nur in Begleitung weitere Sachen abholen.
Im Mai 2009 verkaufte der Betreiber der Kiez-Tankstelle, Jürgen Schütze, das 6.190 Quadratmeter große Areal am Spielbudenplatz an die Bayerische Hausbau.
Anzeige erstattet hatte die Initiative Esso-Häuser im Oktober beim Bezirksamt Mitte gegen den bayerischen Investor, weil der die Häuser "massiv und vorsätzlich verfallen lassen und damit gegen § 4 (Instandsetzung) Hamburgisches Wohnraumschutzgesetz verstoßen" habe.
Auf den Auszug einstellen mussten sich die Bewohner schon vor der jetzt erfolgten Räumung, denn nach dem 30. Juni 2014 hat das Bezirksamt den Betrieb der Häuser untersagt. Ihr Zustand sei einem Gutachten zufolge zu kritisch.
Aus heiterem Himmel kommt die Nachricht über den schlechten Zustand der Häuser nicht: Im Juni wurde in einem Gutachten des Bezirksamtes festgestellt, dass die Gebäude nicht standsicher sind. Mit einer Sofortmaßnahme wurde damals Tiefgarage und Balkone mit Stützpfeilern gesichert.
Der Investor steht schon länger in der Kritik, die Häuser wegen der Neubaupläne zu vernachlässigen. Die Initiative Esso-Häuser erstattete deshalb im Oktober Anzeige. Der Bezirksamtsleiter stellt dem Investor jetzt in Aussicht, den Abriss auf das erste Quartal 2014 vorzuverlegen. „Es gibt jetzt, wo niemand mehr in den Häusern wohnt, keinen Grund, die Häuser länger stehen zu lassen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz