: Beats per Night
■ Die Big Beat Boutique und der Drum Rhythm Night beim Tempovergleich
Les Nuits. Les Nuits. Les Nuits. Kein Sampler aus der Chill-Out-Zone, vor allem der ibizenkischen, kommt ohne diese kleine Nachtmusik aus. „Les Nuits“ ist die atmosphärische Downbeat-Hymne des Sommers und an der Sonnenuntergangsbucht in San Antoní auf Ibiza balgen sich die DJs darum, wer das Stück zum Abtauchen des Feuerballs spielen darf.
Selbst wenn George Evelyn aka Nightmares On Wax vom dazugehörigen Album Carboot Soul nur zwölf Stück verkauft hätte, kann er sich wohl von den Sampler-Tantiemen so manchen Rohstoff für einen langen Joint zulegen. Und viel mehr scheint der Mann, der sein letztes Album Smoker's Delight nannte, eh nicht zum Leben zu brauchen. Ein gutes Stück alle drei Jahre springt bei ihm immer raus. Darüber hinaus geht aber nicht mehr viel bei dem Produzenten, der noch 1991 mit seinem wegweisenden Album A Word Of Science so ziemlich alle heute gängigen Elektronika vorweggenommen und unzählige Musikfans zu den Bleeps und Klonks getrieben hat. Das war auch bei seinem letzten Auftritt im Mojo unübersehbar: Während seine Sängerin Sara Winton im Sessel lungernd die Aufmerksamkeit allein durch ihre Apathie bündelte, verlor sich der Auftritt im Bandformat zusehends im belanglosen Acid-Jazz-Gedaddel. Wenig blieb vom Soundkalkül, gar nichts von der Atmosphärik. Wort drauf!
Aufgestockt wird die „Drum Rhythm Night“ mit Rockers Hifi, auch an den Decks eine Bank in Sachen gedubbter Ornamentik, und mit dem Hausmeister-Pop von Presence. Für seine eleganten Stoffe heuerte der Sheffielder House-Produzent Charles Webster die Ex-Massive-Sängerin Shara Nelson an. Und deren Stimme spinnt einen immer noch ein.
Weniger geschmäcklerisch und feinfühlig geht natürlich die „Big Beat Boutique“ zu Werke. So zieht der sympathische New Yorker Spätstarter DeeJay Punk Roc Big Beat mit dem HipHop-Hackebeil das Fell über die Ohren. Schlau setzt er an einer Sackgasse der Musikgeschichte neu an und beamt die Old-School in die späten 90er. Tadelloser Future Funk.
Nur vom Namen her zeigt sich Cut La Roc als Traditionalist. Bei der Büchsenbierfront des britischen Skint-Labels hat er es gelernt, Oberflächenreize aus der nahen Musikgeschichte aufzutürmen. Da bleibt kein Auge trocken. Und keine Kehle. Ausgewiesene Party-Rocker sind auch die Jungs vom Dub Pistols Soundsystem. Dass auch im hochtourigen Big Beat Zeit für Gefühle bleibt, demonstriert zur Einstimmung Danny McLewin, der seine Freizeit von Morcheebas TripHop-Verstörungen nutzt, um seine Plattenkiste mal auszuführen. Alles in allem also zwei lange Tanznächte und eine kleine Leistungsschau der Genres. Volker Marquardt
Big Beat Boutique (Dub Pistols, Deejay Punk Roc, Cut La Roc): Do, 23. Drum Rhythm Night (Nightmares On Wax, Rockers Hifi, Presence): Mi, 29. 9., jeweils 21 Uhr, Markthalle
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