Beamtenstatus von AfD-Abgeordnetem: „Pflicht zur Verfassungstreue verletzt“
Das Richterdienstgericht Baden-Württemberg begründet, warum der AfD-Abgeordnete und frühere Staatsanwalt Thomas Seitz kein Beamter mehr sein darf.
Das Urteil stützt sich vor allem auf 13 Kommentare, die Seitz auf seiner privaten Facebook-Seite veröffentlichte. Der schwerste Vorwurf: Seitz habe seine Pflicht zur Verfassungstreue verletzt. So habe er die Bürger zum „Widerstand“ aufgerufen, den Staat als „Unterdrückungsinstrument“ bezeichnet und die Justiz, der er ja angehört, als „Gesinnungsjustiz“ beschimpft. Indem Seitz den Eindruck erwecke, er könne solche angeblichen Entwicklungen verhindern, distanziere er sich vom Staat und seiner verfassungsmäßigen Ordnung. Es gehe dabei nicht nur um einzelne Äußerungen, so die Richter, sondern um eine „Gesamtschau“.
Zweiter großer Vorwurf an Seitz: Er habe die beamtenrechtliche Pflicht zur Mäßigung verletzt. Ein Beamter müsse immer beachten, dass das Vertrauen in die neutrale Ausübung seines Amtes nicht verletzt wird. Seitz dagegen benannte Flüchtlinge immer wieder als „Invasoren“. Der Gott des Islam wurde in einem von ihm weitergeleiteten Post unter anderem als „barbarisch“, „pädophil“ und „mafiös“ bezeichnet.
Durch solche Äußerungen erschüttere er das Vertrauen in die Staatsanwaltschaft als „Garant für die Rechtsstaatlichkeit“. Besonders zur Last gelegt wird Seitz ein Kommentar, bei dem er vorschlägt, Banküberfälle dann zu begehen, wenn es „Randale“ im Flüchtlingsheim gibt, denn dann sei die Polizei anderweitig beschäftigt. Wenn er als Staatsanwalt so etwas poste, missbrauche er den Vertrauensvorschuss, der seinem Amt zukomme.
AfD-Wahlkampf mit Robe unterm Arm
Der dritte Vorwurf stützt sich auf zwei Photos, die Seitz in Wahlkämpfen benutzt hat. Wegen der über den Arm gelegten Robe, der weißen Krawatte und einer strafrechtlichen Gesetzessammlung sei er als Angehöriger der Strafjustiz zu erkennen gewesen. Damit habe er Amt und politischen Meinungskampf vermengt.
Seitz könne sich bei seinen Äußerungen nicht auf das Recht der freien Meinungsäußerung berufen, so das Gericht. Für ihn als Staatsanwalt sei diese durch die Beamtenpflichten begrenzt.
Als Sanktion komme nur die dauerhafte Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht, meint das Dienstgericht. Eine derart harte beamtenrechtliche Sanktion für einen vergleichbaren Fall ist bisher allerdings nicht bekannt. Immerhin waren Seitz keine Vorwürfe zu seiner dienstlichen Tätigkeit – er bearbeitete Verkehrsdelikte – gemacht worden.
Der Rausschmiss als Konsequenz
Doch die Prüfung der Verhältnismäßigkeit fiel beim Richterdienstgericht erstaunlich knapp aus. In einem dürren Satz wurde festgestellt, dass mildere Maßnahmen als der Rausschmiss „nicht geeignet“ seien.
Seitz kann gegen das Urteil innerhalb eines Monats Berufung einlegen.
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