piwik no script img

Beamtenstatus von AfD-Abgeordnetem„Pflicht zur Verfassungstreue verletzt“

Das Richterdienstgericht Baden-Württemberg begründet, warum der AfD-Abgeordnete und frühere Staatsanwalt Thomas Seitz kein Beamter mehr sein darf.

Seitz bezeichnete den Staat auf Facebook als „Unterdrückungsinstrument“ Foto: dpa

Karlsruhe taz | Das Richterdienstgericht von Baden-Württemberg hat endlich das Urteil im Fall Thomas Seitz vorgelegt. Bereits im August 2018 wurde dem südbadischen Staatsanwalt und AfD-Bundestagsabgeordneten der Beamtenstatus aberkannt. Nun, ein halbes Jahr später, hat das Gericht das 25-seitige Urteil fertiggestellt. Es liegt der taz vor.

Das Urteil stützt sich vor allem auf 13 Kommentare, die Seitz auf seiner privaten Facebook-Seite veröffentlichte. Der schwerste Vorwurf: Seitz habe seine Pflicht zur Verfassungstreue verletzt. So habe er die Bürger zum „Widerstand“ aufgerufen, den Staat als „Unterdrückungsinstrument“ bezeichnet und die Justiz, der er ja angehört, als „Gesinnungsjustiz“ beschimpft. Indem Seitz den Eindruck erwecke, er könne solche angeblichen Entwicklungen verhindern, distanziere er sich vom Staat und seiner verfassungsmäßigen Ordnung. Es gehe dabei nicht nur um einzelne Äußerungen, so die Richter, sondern um eine „Gesamtschau“.

Zweiter großer Vorwurf an Seitz: Er habe die beamtenrechtliche Pflicht zur Mäßigung verletzt. Ein Beamter müsse immer beachten, dass das Vertrauen in die neutrale Ausübung seines Amtes nicht verletzt wird. Seitz dagegen benannte Flüchtlinge immer wieder als „Invasoren“. Der Gott des Islam wurde in einem von ihm weitergeleiteten Post unter anderem als „barbarisch“, „pädophil“ und „mafiös“ bezeichnet.

Durch solche Äußerungen erschüttere er das Vertrauen in die Staatsanwaltschaft als „Garant für die Rechtsstaatlichkeit“. Besonders zur Last gelegt wird Seitz ein Kommentar, bei dem er vorschlägt, Banküberfälle dann zu begehen, wenn es „Randale“ im Flüchtlingsheim gibt, denn dann sei die Polizei anderweitig beschäftigt. Wenn er als Staatsanwalt so etwas poste, missbrauche er den Vertrauensvorschuss, der seinem Amt zukomme.

AfD-Wahlkampf mit Robe unterm Arm

Der dritte Vorwurf stützt sich auf zwei Photos, die Seitz in Wahlkämpfen benutzt hat. Wegen der über den Arm gelegten Robe, der weißen Krawatte und einer strafrechtlichen Gesetzessammlung sei er als Angehöriger der Strafjustiz zu erkennen gewesen. Damit habe er Amt und politischen Meinungskampf vermengt.

Seitz könne sich bei seinen Äußerungen nicht auf das Recht der freien Meinungsäußerung berufen, so das Gericht. Für ihn als Staatsanwalt sei diese durch die Beamtenpflichten begrenzt.

Als Sanktion komme nur die dauerhafte Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht, meint das Dienstgericht. Eine derart harte beamtenrechtliche Sanktion für einen vergleichbaren Fall ist bisher allerdings nicht bekannt. Immerhin waren Seitz keine Vorwürfe zu seiner dienstlichen Tätigkeit – er bearbeitete Verkehrsdelikte – gemacht worden.

Der Rausschmiss als Konsequenz

Doch die Prüfung der Verhältnismäßigkeit fiel beim Richterdienstgericht erstaunlich knapp aus. In einem dürren Satz wurde festgestellt, dass mildere Maßnahmen als der Rausschmiss „nicht geeignet“ seien.

Seitz kann gegen das Urteil innerhalb eines Monats Berufung einlegen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Richtige Entscheidung, dieser Herr hat den Bogen überspannt!

  • „Seitz bezeichnete den Staat auf Facebook als „Unterdrückungsinstrument““



    Der Unterschied in den Gedankenwelten von „ganz Linken“ und „ganz Rechten“ ist offenbar viel geringer, als man denkt und als sie selbst denken!

    • @Pfanni:

      Die Ideologie ist (mMn.) die gleiche, nur die Subjekte auf die diese Ideologie angewendet wird sind unterschiedlich bis (annähernd) konträr.

  • Ein weises Urteil.

  • Das Leben hat mir ja beigebracht, meine Gegner nicht zu unterschätzen.

    Wo ist hier die Strategie?

    Herrn Seitz muss doch klar gewesen sein, dass er Russisch Roulette spielt, er ist ja schliesslich vom Fach.

    Ich will nicht glauben, dass er so strunzdumm ist, wie er tut. Was steckt dahinter?

    • @tomás zerolo:

      Er wurde jetzt zum Märtyrer der "freien Meinungsäußerung" gemacht, so dass entsprechende Narative mit "seinem Beispiel" untermauert werden können.

      Ob er das so geplan hat, ob es "die linken" so geplant haben oder keiner von beiden ist irrelevant: es wurden leider mal wieder Fakten geschaffen die einer Befriedung der Gesellschaft im Wege stehen.

      • @Franz Georg:

        Sprach der Meister der Waberlohe -

        Befriedung vande braune Totenruhe.



        Ja - So hättens gern - die AfD-Herrn.

  • “…Doch die Prüfung der Verhältnismäßigkeit fiel beim Richterdienstgericht erstaunlich knapp aus. In einem dürren Satz wurde festgestellt, dass mildere Maßnahmen als der Rausschmiss „nicht geeignet“ seien.…“

    Ok. Kann mann so sehen.



    Aber - gegengefragt - Welche mildere geeignte! Maßnahme - gegen die anders abzuwägen gewesen wäre - schwebt Ihnen denn vor? Seh keine.

    kurz - Abwägung zu den milderen Maßnahmen sollte sicher sein. Ok.



    Das wäre lege artis & sicherer.



    Ha no. Aber - ne geeignete? - s.o.



    Seh ich nicht.

    “…Seitz kann gegen das Urteil innerhalb eines Monats Berufung einlegen.“

    Eben. Dann wird frauman sehen.



    Ob die "Decision“ - Bestand hat.



    Denke ja.

    • @Lowandorder:

      & Danke für‘s Fotto.

      Beschirmt. Wie passend - wa^!^

  • Da können sich ja einige Beamtinnen und Beamten der AFD auf ihre Entlassung aus dem Beamtenstatus freuen. Es sollen ja nicht wenige sein.

    • @SUDEK:

      Kommentar entfernt wegen Pauschalisierungen. Die Moderation

  • Gut so.