Beachvolleyball in Deutschland: Am Zuschauer vorbeigespielt

Trotz des Titelgewinns von Laura Ludwig und Sara Goller bei der EM kränkelt der ehemalige Trendsport in Deutschland. Und das liegt nicht allein am Regenwetter.

Regen über Berlin: Da half auch die gute Laune der "Beach Girls" nicht mehr. Bild: reuters

BERLIN taz | An den Finaltagen dieser Beachvolleyball-Europameisterschaft in Berlin hatten die Besucher ihre Lifestyleaccessoirs längst abgelegt. Es regnete unaufhörlich, und statt mit Flipflops und Sonnenbrillen setzten sich die wenigen Zuschauer mit festem Schuhwerk und Schirmen oben auf die Tribüne. Unten, im tiefen, grauen Sand mühten sich am Samstag derweil zwei deutsche Frauenteams beim ersten Endspiel dieser EM ab.

Es waren Sara Goller und Laura Ludwig, die den Titel holten gegen Katrin Holtwick und Ilka Semmler mit 2:0 Sätzen (25:23; 21:16), während draußen vor dem kleinen Stadion hübsche Sponsorenangestellte versuchten, zwischen den großen Pfützen auf dem Asphalt die Menschen für Autofahrten zur Probe, Urlaubsflüge in die Sonne oder Zeitungsabos zu gewinnen. Das alles hatte den Charakter eines verregneten Urlaubstags in einem Club am Mittelmeer. Da weiß man auch nicht, wie man den langen Tag so rumkriegen soll - trotz der ganzen Animateure um einen herum.

Mittendrin bei dieser EM, geschützt unter dem Dach der VIP-Tribüne, saß der Präsident des Deutschen Volleyball-Verbands. Werner von Moltke schaute nicht gerade glücklich in den Regen. Beachvolleyball sieht anders aus, mag er sich gedacht haben. Gesagt hat er dann etwas durchaus Bemerkenswertes, als er über die spärlich besetzen Tribünen blickte: "Wir müssen endlich zeigen, dass wir gebraucht werden."

Damit brachte er das ganze Dilemma der Eventsportart Beachvolleyball auf den Punkt. Man hat die besten Frauenteams der Welt, man stellt mit Jonas Reckermann und Julius Brink die amtierenden Weltmeister, mit David Klemperer und Eric Koreng die WM-Vierten dazu, doch es nützt nichts. "Es gibt wohl aktuell keine Ballsportart in Deutschland, die erfolgreicher ist als wir. Und doch spielen wir an den Interessen der Zuschauer, der Sponsoren aus der Wirtschaft und dem Fernsehen vorbei", hat David Klemperer, der BWL-Student der Universität Kiel, für sich und seine Sportart analysiert.

Aus dieser Einsicht können die unterschiedlichsten Schlüsse gezogen werden. Von Moltke jedenfalls und mit ihm der Volleyball-Verband, wechseln mal wieder ihre Vermarktungsagentur aus. Es wird die dritte oder vierte sein, die sich an der Wertschöpfung dieser Funsportart in Deutschland versucht. So genau weiß das keiner mehr.

Sicher ist immerhin, dass alle bisherigen Strategien an der Aufgabe scheiterten, Beachvolleyball in Deutschland nachhaltig salonfähig zu machen. "Wir wollen ran an die Millionen", gibt von Moltke bemerkenswert offen die Aufgabe an die neue Agentur vor, die er in den nächsten drei Wochen der Öffentlichkeit präsentieren will. Es sollen zwei neue Sponsoren gefunden werden, und man will wieder ins Fernsehen und endlich richtig Geld verdienen mit Übertragungsrechten und Werbeinseln.

Es ist immer dasselbe. "Einen neuerlichen Versuch ist das sicher wert", erklärt ein wenig ratlos David Klemperer im Gespräch mit der taz. Und dann zählt er auf, was die Spieler schon alles über sich ergehen lassen mussten, um ihre Sportart auf telegen zu trimmen: "Erst wurde das Feld verkleinert, dann gab es einen anderen Ball, schließlich eine veränderte Zuspielregel". Klemperer nennt das "Rumdoktern" und ergänzt, dass die diversen Regeländerungen zumeist ohne die Spieler, "einfach von oben" beschlossen wurden.

Neuestes Produkt in der langen Reihe der Innovationen ist eine Art Davis Cup für Beachvolleyball. In dieses Format möchte der Weltverband die individualistischen Sportler in Nationalteams pressen und einen Continental Cup ausspielen lassen. In Slowenien soll bald die Premiere gefeiert werden. "Aber wie das genau funktionieren soll, da fragen sie mal lieber einen anderen als mich", erklärt Klemperer.

In diesem ganzen Wirrwarr und Interessenlagen aus Sport, TV und Wirtschaft ist nun selbst die Grand-Slam-Tour, eine Art Formel-1-Zirkus des Beachvolleyballs, unter die Räder gekommen. Sie muss immer öfter ohne natürlichen Strand und das Meer auskommen, was so richtig keinem Athleten gefällt. Statt in Rio de Janeiro tritt man sich in Brasília, in Klagenfurth, Rom, in Moskau oder Prag: Immer tiefer hinein geht es ins Binnenland. Beachvolleyball ist in die Metropolen dieser Welt verschoben worden, weil sich dort die globalen Sponsoren besser "aufstellen können", wie das in ihrem einfallslosen Sprachduktus heißt.

In einer Art Trotzreflex klammert sich Beachvolleyball nun verzweifelt an sein Image von einst: das einer lockeren, toleranten Funsportart für die globalisierte Spaßgesellschaft. Nur gibt es die nicht mehr, zwei Wirtschafts- und Finanzkrisen seit 2000 haben Beachvolleyball und seine Sponsoren ordentlich aus der Balance geworfen. Deshalb genügen schon ein paar Berliner Regentropfen und dunkle Wolken am Himmel, und der schöne Schein ist wie weggewischt.

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