piwik no script img

Bayreuth ist WeltkulturerbeAbsolutistisches Zeugnis

Die UNESCO hat entschieden: Das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth ist Welterbestätte. Bislang standen die Gebäude im Schatten der Richard-Wagner-Festspiele.

Kaum war die Entscheidung gefallen, hing auch schon das Transpi: Das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth. Bild: dpa

BAYREUTH dpa | Nur wenige Minuten sind nach der Abstimmung in St. Petersburg vergangen, da ist schon ein großes Banner mit der Aufschrift „Welterbe!“ an der Fassade des Markgräflichen Opernhauses Bayreuth befestigt. „Das haben wir natürlich gleich aufgehängt“, sagt Wilhelm Trat, Mitarbeiter der Bayerischen Schlösserverwaltung. Er sitzt im Foyer des barocken Schmuckstücks, gleich beginnt eine Führung. Seine Kollegin Kristin Nürnberger begrüßt die Gäste an diesem Samstagnachmittag und verkündet stolz die Entscheidung des Unesco-Welterbekomitees. Spontaner Beifall brandet auf.

Die Besucher sitzen also nun in jenem Barockjuwel, das die Unesco für so einzigartig hält, dass sich Bayreuth nun mit dem begehrten Prädikat Welterbestätte schmücken darf. Das Unesco-Komitee würdigte das Opernhaus als „einzigartiges Monument der europäischen Fest- und Musikkultur des Barock“. Das Gebäude sei eines der wichtigsten architektonischen Zeugnisse der absolutistischen Gesellschaft im 18. Jahrhundert und in seiner ursprünglichen Form und Gestalt unverändert erhalten, teilte die Deutsche Unesco-Kommission mit.

So reich verziert ist der Theaterraum, dass das Auge all den Putz und die innenarchitektonischen Feinheiten gar nicht auf Anhieb erfassen kann. Man könnte sich stundenlang hinsetzen und jedes Detail bewundern. Anders als etliche andere Theater aus dem 18. Jahrhundert ist dieses Haus weder von Bränden zerstört noch später umgebaut worden.

„Es ist fantastisch“, schwärmt Carlos A. Nobeschi. Er kommt aus Brasilien, die Kinder sind Austausch-Schüler in Deutschland. Nun erkundet die Familie Bayreuth. Beeindruckende Architektur bewege die Menschen, sagt der Gast aus Übersee. Das sei beim Eiffelturm in Paris so - und auch hier in diesem Opernhaus in Bayreuth.

Es ist ein Nachmittag im Hochsommer. Die Sonne brennt, nur wenige Fußgänger laufen an der neuen Welterbestätte vorbei. Im schattigen Garten des benachbarten Operncafés ist deutlich mehr los. Café-Betreiber Jens Müller ist jetzt also Nachbar einer Welterbestätte. „Das ist wirklich eine gute Sache“, sagt er. Doch einen Wermutstropfen gebe es: Schließlich stehe ab Herbst die mehrjährige Sanierung des Gebäudes an, der Zugang sei dann nur noch sehr eingeschränkt möglich. „Man muss sehen, wie die touristische Aufarbeitung langfristig aussieht.“

Die Verantwortlichen der Stadt jubeln im fernen St. Petersburg. „Wir ham's!“, lässt die Bayreuth Marketing & Tourismus GmbH via Facebook auf gut Fränkisch wissen. „Das ist genial“, sagt Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe, die eigens nach Russland gereist ist. Zuvor hatte sie von einer „Jahrhundert-Entscheidung“ für Bayreuth gesprochen.

Denn bislang lockt die Stadt die Gästeströme nur im Sommer einen Monat lang an - wenn die Richard-Wagner-Festspiele stattfinden. Das einzigartige Opernhaus, die verspielte und facettenreiche Park-Anlage Eremitage, das Neue Schloss - die markgräflichen Bauten standen bisher im Schatten Richard Wagners und seiner Festspiele. Das soll sich nun ändern.

Der Markgräfin Wilhelmine (1709-1758), der Erbauerin des Opernhauses, jedenfalls hätte es sicherlich gefallen, dass ihre Oper jetzt weltweite Beachtung genießt. Die Schwester von Friedrich II. hätte eigentlich Königin von England werden sollen. Doch nach vielen Wirrungen am preußischen Hof wurde sie „nur“ mit dem Markgrafen von Bayreuth verheiratet. Doch Wilhelmine avancierte zu einer der kunstsinnigsten und geistreichsten Frauen des 18. Jahrhunderts. Sie machte aus der Provinzstadt Bayreuth ein Zentrum der Kunst und der Kultur - nicht zuletzt wegen des Baus eines prachtvollen Opernhauses, das sich nun Welterbe nennen darf.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!