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Bassbariton mit Nazi-TattooBayreuth hat keinen „Holländer“ mehr

Bassbariton Evgeny Nikitin wird nicht bei den Wagner-Festspielen singen. Weil er ein Nazi-Tattoo auf der Brust trägt, sagte er seinen Auftritt ab - und Bayreuth sucht nach einem neuen Hauptsänger.

„Teil unserer Underground-Kultur“: Nikitin beschreibt sein Tattoo als Jugendsünde. Bild: dpa

BAYREUTH dpa | Beinahe hätte ein Sänger vor dem Premierenpublikum der Wagner-Festspiele in Bayreuth gestanden, der sich einst Symbole mit klar nationalsozialistischem Bezug tätowieren ließ. Evgeny Nikitin versicherte, er habe sich die Tattoos in seiner Jugendzeit stechen lassen. Aus heutiger Sicht sei das ein großer Fehler gewesen. Trotzdem sagte der Bassbariton, der die Titelrolle in Richards Wagners Oper „Fliegender Holländer“, seine Auftritte in Bayreuth ab.

Denn wer im Festspielhaus auf der Bühne steht, betritt geschichtsträchtigen Boden, der einst tiefbraun durchtränkt war. Adolf Hitler ging beim Wagner-Clan im Haus Wahnfried ein und aus. Auf dem Festspielhügel wehten Hakenkreuz-Fahnen. Die engen Verstrickungen der Festspiele mit dem Nationalsozialismus markieren ein düsteres Kapitel der deutscher Kultur- und Musikgeschichte.

Jeden Anschein, man sei sich dieser Geschichte nicht bewusst, wollen die Festspiele wohl vermeiden. Doch: Hat sich die Festspielleitung bei der Besetzung der „Holländer“-Partie nicht gut genug mit Nikitin beschäftigt?

Man verpflichte eine Stimme, sagte Festspielsprecher Peter Emmerich. Was jemand auf der Haut trage, sei nebensächlich. Eigentlich. Denn Filmaufnahmen, die Nikitin am Schlagzeug einer Metal-Band mit kahlrasiertem Kopf und verräterischem Tattoo oberhalb der Brust zeigen, haben die Festspielleitung und den Regisseur nun aufgeschreckt.

Das ZDF hatte sie am Freitagabend in einem Beitrag über Nikitin ausgestrahlt. „Es gehörte einfach zu unserer Underground-Kultur“, hatte der Sänger über seine Tattoos gesagt. Sie schienen ihm nicht mehr wichtig zu sein, sondern - im Gegenteil - fast peinlich. Am Samstag trafen sich die Verantwortlichen mit dem Sänger aus Russland. Anschließend veröffentlichte Nikitin eine Erklärung, mit der er seine Auftritte in Bayreuth absagte. Damit blieb ihm der Rauswurf erspart.

„Eine ganz neue Situation“

Die Chefinnen am Grünen Hügel, Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier, Dirigent Christian Thielemann und Regisseur Jan Philipp Gloger stehen nun ohne Hauptfigur für die Eröffnungspremiere da. Am Mittwoch wird Prominenz aus Politik, Gesellschaft und Kultur in Bayreuth erwartet. Woher jetzt einen „Holländer“ nehmen, der so kurzfristig einspringen kann und in der Inszenierung nicht als Fremdkörper wirkt? „Damit entsteht eine ganz neue Situation“, sagte Sprecher Emmerich.

Dabei waren die Vorbereitungen auf die 101. Festspielsaison in Bayreuth bislang harmonisch und weitgehend geräuschlos verlaufen. Thielemann hatte nach der Orchesterhauptprobe von der guten Zusammenarbeit der Beteiligten bei der „Holländer“-Neuinszenierung geschwärmt. Nikitin schien als erster Russe mit einer Titelpartie in Bayreuth die Rolle des Exoten und unkonventionellen Sängers zuzukommen. Er hatte bereits Wochen vor den Festspielen zahlreiche Interviews gegeben. Das ZDF zeigte ihn beim Eisessen in Bayreuth oder beim Spaziergang ums Festspielhaus. Nun ist er bereits abgereist.

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24 Kommentare

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  • M
    Matagarrapatas

    Bringt lieber was Neues aus der Scherer 8, Ihr Selbstbeflecker.

  • H
    Hannes

    Natürlich sind Runen schon älter als die Nazis und auch die Swastika ist nicht per se ein Nazi Symbol. In anderen Kulturen war es seit langer Zeit und ist noch immer ein Glückssymbol (auch bis in die 1920er Jahre in den USA). Aber wer sich um 1990 ein Hakenkreuz mit einem Ritter auf die Brust tätowieren lässt, der kann doch nicht ernsthaft sagen, er wisse nicht wofür das stehe, auch in Russland sollte man darüber etwas in Geschichte lernen. Und dann noch die Lebens- und Todes Rune auf der Brust, das große Burzum Tattoo aufm Arm, sowie das satanistische Tattoo aufm Bauch. Es ist eben die Summe die die Geschichte vom nichts wissen unglaubwürdig macht. Wäre es nur das übertatowierte Hakenkreuz, dann wäre das ja noch okay, aber so. Das ist doch Quatsch, was der erzählt. Wer jetzt sagt Satanismus, Runen und Nationalsozialismus haben doch nichts miteinander zutun sollte sich vielleicht etwas über die NSBM Szene informieren. Der Herr Nikitin wird als alter Black Metal Drummer schon ganz genau wissen, was er da auf der Haut trägt. Dir breite Masse natürlich vielleicht nicht, daher jetzt auch öfters von Verleumndung gesprochen.

  • ZU
    zuhause unproblematisch

    Das Problem ist vermutlich viel eher, daß braune Ideologien und ihre szeneheraldischen Versatzstücke heute in Russland einfach völlig unproblematisch sind. Der Mann hat in seiner Heimat von solchen Tätowierungen keinen Kariereknick zu erwarten. So wenig, wie ein Bundesdeutscher, der sich einen roten Stern mit Che Guevara an den Anzug steckt. Und er hat einfach nicht damit gerechnet, daß ausgerechnet dort, wo dieser Mist herkommt, ihm jemand die Retournierung dieser Symbole verübeln könnte.

    Und daß er jetzt dieses oder jenes überstechen läßt, bedeutet auf jeden Fall, daß eine Gesangskariere ihm wichtiger ist, als ein braunes Symbol. Daß er deswegen ein inhaltliches Problem mit diesem Symbol hätte, bedeutet es nicht. In dem Punkt muß man damit leben, sehen zu können, was über einem Herzen tätowiert steht, aber nicht, was sich darin bewegt.

  • R
    Richtigstellung

    @ Aria Opera

    Was für ein Unfug. Ex-Nazis haben jahrzehnte lang als Richter, Professoren und Politiker Kariere gemacht. Wir hatten sogar einen Kanzler, der in der SS war.

  • BS
    Bissiges Schaf

    Resozialisierung?

    Bewährung?

    Zweite Chance?

    Schwere Jugend?

    Nachgedacht, dazugelernt und abgeschworen?

    .

    Doch nicht bei Naaazis, einmal Nazi, immer Nazi. Etwas anderes passt nicht ins zu einfach gestrickte Weltbild der neuen Spiessbürger, Jakobiner und Hexenjäger.

    Denn man spiessbürgert, jakobinert und verbrennt aussdchliesslich im Namen des Guten, wie es dieser Menschenschlag schon immer vorgab, das zu tun.

    .

    Und bitte nie nach Irland reisen, Ihr lieben pseudo-weltoffenen und möchtegern-bunten Spiesser, da stehen solche Symbole in Massen einfach so auf den Wiesen und in Wäldern rum, und das seit mehreren tausend Jahren.

    Die Dinger heissen Keltenkreuze und teilweise tragen sie alte Schrift, auch Runen genannt.

  • AO
    Aria Opera

    Man darf in der BRD Steinewerfer, Kommunist, Maoist usw. (gewesen) sein und bekommt trotzdem lukrative Posten mit Machthebeln in Politik, Justiz, Polizei und Medien.

     

    Wenn man aber irgendwie mal "Nazi" war, wird man für immer verdammt. "Jugendsünde" zählt hier nicht.

  • AO
    Aria Opera

    Leute, man doch nicht von einem Russen verlangen, daß er die in der BRD übliche Politische Korrektneß vollumfänglich beherrscht.

     

    Das schlimmste Tattoo ist überstochen, er hat sich distanziert, das reicht.

     

    Er hat noch andere Tattoos am ganzen Oberkörper und Armen, wie soll er die alle jetzt noch weggbekommen?

    Hemd drüber und fertig!

     

    Er hat doch sinngemäß gesagt, wenn er könnte, würde er alle wegzaubern.

     

    Daß hier von selbstgerechten Pharisäern Karrieren und Menschen zerstört werden ist nicht nazistisch?

  • AO
    Aria Opera

    Die Verleumdung nimmt ihren Lauf

     

     

    Momentmal,

     

    man muß alte Fotos aus seiner Metal-Zeit, die online im Umlauf sind und die heutigen, wo das Hakenkreuz längst überstochen ist unterscheiden!!!

     

    Leute macht die Augen auf!

  • J
    JaJa

    Zumal er sich das Tattoo schon vor geraumer Zeit hat überstechen lassen.

    Überhaupt hat er geäußert, dass er seine Tattoos als Fehler ansehe, welche er bereut.

     

    Google spuckt dazu auch neuere Bilder aus, auf denen das neue Motiv zu sehen ist und in welchem ganz klar kein Hakenkreuz zu erkennen ist.

     

    Aber so ist das nun einmal: Jeden Fehler darf Mensch begehen und bekommt bisweilen dreizehn "zweite" Chancen. Nur Nazi sein darf Mensch nie. Denn wer einmal Nazi ist (bzw. war), der ist es für immer.

     

    Das die tiefbraune Vergangenheit der Wagner-Spiele dann noch als Rechtfertigung dafür herhalten muss, dass er niemals erwähnt hat, dass er einmal ein Hakenkreuztattoo hatte, welches er ja inzwischen gar nicht mehr hat, ist, gelinde gesagt, albern.

     

    So ist es aber, das moderne Bürgertum. Damals schön mitmarschiert und gegrüßt und heute dann bei solchen Kinkerlitzchen aktiv. Aber bloß niemals den Nazis auf der Straße entgegen treten, bloß nie wirklich gegen Alltagsrassismus und -faschismus ankämpfen. Herzlichen Glückwunsch ...

  • MN
    Mein Name

    Nach der Tagesschau hat er, eigenen Angaben zu Folge, sein Tattoo schon überstechen lassen, weshalb man davon wohl eher in der Vergangenheit davon schreiben sollte: "Weil er ein Nazi-Tattoo auf der Brust TRUG..."

    Allerdings ist wohl nicht zu leugnen, dass es sich um ein Nazi-Tattoo handelt, wenn er es schon selber eingesteht.

  • AO
    Aria Opera

    Hakenkreuz ist doch schon längst übertätowiert.

    Was soll also diese linke Hexenjagd?

    Alles was Linke jemals anprangerten, machen sie selber: Andere, die einen Millimeter von Links abweichen oder in Jugendtagen mal abgewichen sind gnadenlos verfolgen!

     

    Am besten gleich die Sandkastenfreunde des Opernsängers kontrollieren, vielleicht hatte einer mal was Braunes in den Pampers. Wäre ungefähr Niveau der "Titanic"!

  • F
    FMH

    @nichts-aber-auch

    Nicht zu vergessen das Plattencovermotiv der Neonazi-Band "Burzum", welches dieser Herr auf dem rechten Unterarm trägt...

  • F
    FMH

    @nichts-aber-auch

    Aha, kein Nazi-Tattoo also? Haben sie sich einaml ältere Fotos der Brust dieses Herren angesehen? Das, was sich heute als achteckiger Stern darstellt, war bis vor einiger Zeit ein hinter dem Wappen liegendes Hakenkreuz. Irgendwann wurde das dem Herren wohl doch zu heiß und er ließ noch ein paar Balken hinzufügen. Damit ist aber wohl auch Kontext für die restlichen Runen klar.

     

    Alles im Allem ist es aber ziemlich heuchlerisch, einen eventuellen Ex?-Neonazi keine Musik von einem Proto-Nazi singen zu lassen. Passt doch wie der Faust auf's Auge.

  • E
    Etzel

    @Carsten.

    Mit nacktem Oberkörper, als Siegfried? Hätte er. Zumindest haben das bisher AFAIK alle. Und ausgerechnet Siegfried, ausgerechnet in Bayreuth mit eindeutigem Tattoo? Hmmm... angesichts dessen, dass der Siegfried ein Russe gewesen wäre, hätte ich persönlich wohl darüber lachen können.

    Allerdings hat nicht jeder meinen schrägen Humor. Genaugenommen hat hierzulande überhaupt niemand irgendeinen Humor zu haben! Ausser auf Befehl! Und der Rest hat sowieso keinen.

    So gesehen, verständlich, insbesondere, wenn man bedenkt, wegen welchen Lappalien hierzulande schon Intendanten gefeuert wurden.

  • MM
    Markus Müller

    Er ist ja mittlerweile aus alt genug,hätte genug Zeit gehabt es sich wegmachen zu lassen.Wenn er es behält,dann hat das schon ein Geschmäckle.

  • T
    Teermaschine

    Lieber eine obsessiv gelebte Paranoia als gar keinen Sinn im Leben.

  • G
    grummelkuss

    Es war richtig, dass Evgeny Nikitin die Rolle

    trotz sehr guter gesanglicher Leistung nicht

    bekam!

    Denn an diesem Theater hängen direkt hunderte

    und indirekt tausende Arbeitsplätze mit ab und

    da geht man einfach kein Risiko ein.

    Zumal die Gefahr besteht, dass auch die deutsche

    Politik als Nazisympathisant registriert würde,

    würden sie überschwenglich Evgeny Nikitin

    preisen.

    Das Zeit- und Personalmanagement hätte

    nachhaltigere Mitarbeiterarbeit, Nachwuchsaquise

    und Jugendarbeit leisten müssen und nicht nur

    die Früchte anderer Nationen zum Profit und Ruhm

    Willen auspressen sollen.

     

    Evgeny Nikitin hätte ausschließlich unter der

    Voraussetzung auftreten dürfen, wenn er vorab

    zu seinen Tätowierungen und Gesinnungen Stellung

    bezöge.

    Er hätte weiterhin die negativen Folgen einer

    operativen Entfernung der Tätowierung und die

    Erhöhung des Hautkrebsrisikos erläutern müssen.

    Es ist seine Schuld, wenn er vorab nicht

    dieses Mißverständnis aus dem Weg geräumt hat.

    Gerade am kulturellen Lieblingsort Hitlers

    darf nie mehr ein Nazi die große Show machen.

    Sonst ist das der Tod des Kulturstandorts Bayreuth

    und ein internationaler Imageschaden Deutschlands

    ersten Ranges.

     

    Dennoch schade um den Mann.

    Erst Recht, wenn man bedenkt, das mit einer

    kleinen Begleitbroschüre, einem Medieninterview

    Evgeny Nikitins zum Faschismus und keuscher Kleidung

    und einer Laser-OP seine Karriere auch in

    Bayreuth hätte fortgesetzt werden können!

    Das wäre nicht spießig-nur anständig.

    Echt Pech gehabt, aber die Mehrheit ist wichtiger.

  • SW
    Stefan Wenger

    Könnte man nicht die betreffende Hautpartie entfernen, und mit Stückchen seiner Vorhaut ersetzen, die man bei einer rituellen Beschneidung ... - wie groß ist das denn?

  • F
    Frosch

    Diese Runen sind wesentlich älter als Deutschland. Sie gehören zu unserer Früh- und Vorgeschichte und sind ein kostbares Kulturgut. Es ist unerträglich wie wir uns diese alten Symbole, von den Nazideppen wegnehmen lassen.

  • H
    henk

    Das ist ne Elhaz-Rune auf der linken Brust und ein mäßig verborgenes Hakenkreuz auf der rechten. Wer da keine Nazi-Symbolik sieht ist entweder ziemlich naiv oder will absichtlich verharmlosen.

    Ich finde daß jedeR sich von seinen Jugendsünden lossagen sollen dürfte, wenn es denn Jugendsünden sind, aber dann muß man das auch so thematisieren. So wie er in der Aspekte-Sendung darüber redet, meint man es ginge um Tättowierungen im Allgemeinen und nicht um die inhaltliche Symbolik. Das lässt dann schon eher den Schluss zu, daß er sich da noch lange nicht von seinen "Jugendsünden" distanziert hat.

  • WS
    Wolfgang Schmidt

    Ich kapiere einfach nicht, warum sich der Typ das Ding nicht komplett überstechen lässt, wenn es ihm heute peinlich ist und er (hoffentlich) nicht mehr dahintersteht.

  • C
    Carsten

    Was für ein Schwachsinn! Wer hätte das Tattoo denn gesehen? Hätte der mit nacktem Oberkörper gesungen? Wäre der Föhrer aus dem Bonker auferstanden? Bescheuerte Hysterie!

  • N
    nichts-aber-auch

    ist doch kein nazi tattoo

    wieder mal schön die BILD kopiert

  • K
    Kiriakos

    an bigotterie nicht zu überbieten...