Bayerns neue Regierung: Gefährliches „Schwamm drüber“
Markus Söder hat mal wieder eine Pirouette hingelegt und regiert weiter mit Hubert Aiwanger. Doch der Frieden dürfte nicht lange halten.
M arkus Söder – es ist wenig überraschend – bleibt Ministerpräsident. Zum dritten Mal hat ihn der Bayerische Landtag am Dienstag in das Amt gewählt. Geräuschlos und zügig hatten CSU und Freie Wähler zuvor die neue Koalition ausgehandelt. Inhaltlich stehen sich die beiden Parteien ohnehin so nah, dass das Konfliktpotenzial überschaubar war. Schnell konnten sich Schwarz und Orange daher auf ein recht uninspiriertes „Weiter so“ einigen.
Und das Personal? Auch hier fand man nach den ersten vollmundigen Forderungen schnell eine für beide Seiten gesichtswahrende Lösung: Die Freien Wähler haben sich mit einem winzigen vierten Ministerium abspeisen lassen. Aber, so ihre Argumentation, viertes Ministerium bleibt viertes Ministerium. Und die CSU darf behaupten, dem Koalitionspartner weiterhin nur fünf Kabinettsposten zugestanden zu haben – denn die Freien Wähler stellen künftig nur noch einen Staatssekretär.
Aber so mancher traut dem Frieden nicht. Zu Recht. Das Verhältnis zwischen Söder und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger ist zerrüttet. Ein „Schwamm drüber“ könne es nicht geben, kündigte Söder noch direkt nach der Wahl an. Gemeint waren Aiwangers rechtspopulistische Eskapaden und sein Umgang mit der Flugblattaffäre.
Doch seit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags sprechen beide Seiten nur noch vom guten und vertrauensvollen Miteinander. Mit anderen Worten: Schwamm drüber. Die Konflikte aber zu verdrängen ist gefährlich, denn sie schwelen weiter.
Dass sich Aiwanger künftig in Zaum halten lässt, dass die Zeit der Bierzelte nun tatsächlich vorbei ist, wie Landtagspräsidentin Ilse Aigner in ihrer Antrittsrede meinte, ist nicht mehr als ein frommer Wunsch. Schon bald dürfte Aiwanger wieder in den Wahlkampfmodus übergehen. Im kommenden Jahr treten die beiden Koalitionspartner bei den Europawahlen gegeneinander an, 2025 folgen Bundestags-, 2026 Kommunalwahlen. Und es dürften nicht die einzigen Zerreißproben für diese Koalition bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom