Bauvorhaben am Berliner Molkenmarkt: Landeseigenes Luxusquartier
Nach der Kritik des Landesrechnungshofs fordert nun auch die Initiative Offene Mitte Berlin, den Kostenplan am Molkenmarkt einzuhalten.
Die Kritik an den Planungen für den Berliner Molkenmarkt reißt nicht ab. Nach dem Landesrechnungshof meldete sich nun auch die Initiative Offene Mitte Berlin zu Wort. „Die Molkenmarkt-Planung muss kostengünstiger und zügiger gestaltet werden“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Die Siegerentwürfe müssen so angepasst werden, dass die Kostenvorgaben eingehalten werden.“
Am Donnerstag vergangener Woche hatte der Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht die Planungen für das aktuell größte innerstädtische Bauvorhaben gegenüber dem Roten Rathaus als „zu langwierig, zu aufwändig und zu teuer“ kritisiert.
Fast zehn Jahre nach Festlegung des Bebauungsplans 2016 stehe noch kein einziges Gebäude, heißt es im Bericht. Und weiter: „Der Rechnungshof fordert die Senatsverwaltung auf, sich auf die Maßnahmen zu konzentrieren, die zwingend erforderlich sind, damit endlich mit dem Bauen begonnen werden kann.“
Berliner Landesrechnungshof über den Planungsprozess am Molkenmarkt
Während Bausenator Christian Gaebler (SPD) sonst keine Gelegenheit verstreichen lässt, einen „Bauturbo“ zu fordern und dafür auch ein „Schneller-Bauen-Gesetz“ vorgelegt hat, steckt der Molkenmarkt immer noch im Planungsstadium. Laut Rechnungshof haben die zahlreichen Planungs- und Beteiligungsprozesse bislang 5 Millionen Euro gekostet – ohne, dass eine einzige Wohnung gebaut worden wäre.
Das sieht die Initiative Offene Mitte, die sich seit Jahren für die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum am Molkenmarkt einsetzt, ähnlich. Kritisiert werden vor allem die Ergebnisse des Architekturwettbewerbs für die ersten Bauvorhaben, die Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt am 13. November vorgestellt hatte. „Das Ergebnis waren Siegerentwürfe, deren Kosten um 23 Prozent über den Kostenvorgaben liegen“, so die Initiative.
1.000 Euro pro Quadratmeter mehr
Die Entwürfe betreffen das Areal an der Ecke zur Grunerstraße, wo die Wohnungsbaugesellschaft Mitte WBM 100 Wohnungen errichten soll. Die Hälfte der Wohnungen soll an Wohnungssuchende mit Wohnberechtigungsschein vergeben werden.
Um die Wirtschaftlichkeit des Neubaus sicherzustellen, hatte die WBM im Sommer mit einem Baupreis von 3.580 Euro pro Quadratmeter kalkuliert. Stattdessen geht die Wohnungsbaugesellschaft nun von 4.500 Euro aus. Zurückzuführen sind die Preissteigerungen unter anderem auf historisierende Elemente, darunter den Bau von Laubengängen. Kahlfeldt hatte sich immer wieder für eine solche an der zerstörten Altstadt angelehnte Architektur ausgesprochen.
Auch für die Baufelder, für die ein Architekturwettbewerb noch aussteht, fürchtet die Initiative offene Mitte Berlin Kostensteigerungen. Die am 24. November veröffentlichten Bauleitlinien, heißt es in der Pressemitteilung, „enthalten sehr rigide Vorgaben zu Gebäudebreiten, Raumhöhen und Fassadengestaltungen, die kostentreibend wirken“.
In der Ägide der Senatsbaudirektorin ist der Molkenmarkt aber nicht nur deutlich teurer geworden. Er kann inzwischen für sich auch den fragwürdigen Titel beanspruchen, eines der am meisten verzögerten Bauvorhaben der Hauptstadt zu sein. Auch dafür zeichnet sich Kahlfeldt verantwortlich.
Als sich beim städtebaulichen Wettbewerb abzeichnete, dass die Mehrheit der Jury eher dem modernen der beiden Entwürfe zuneigte, die nach einem Werkstattverfahren übrig blieben, stoppte Kahlfeldt das Verfahren, ohne dass es einen Sieger gab. Für die damalige Präsidentin der Berliner Architektenkammer, Theresa Keilhacker, war das ein Präzedenzfall. „Ich persönlich habe so etwas noch nie erlebt“, sagte sie der taz. Von einem „Scherbenhaufen“ sprach Keilhacker, berichtete von den Anrufen vieler Kolleginnen und Kollegen, die sich überlegten, überhaupt noch einmal an einem Wettbewerb in Berlin teilzunehmen.
Der Bebauungsplan für den Molkenmarkt war 2016 festgelegt worden. Insgesamt sollen 450 Wohnungen errichtet werden – allesamt von den landeseigenen Gesellschaften WBM und Degewo. Lange Zeit hatte sich Kahlfeldt dafür eingesetzt, dass auch private Investoren zum Zuge kommen. Das wiederum haben Kritiker wie der grüne Wohnungsbauexperte Julian Schwarze abgelehnt. „Am Molkenmarkt darf kein Luxusquartier entstehen“, sagte er.
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