Baumsterben im Potsdamer Park Sanssouci: Insel ohne Wasser
Die Klimakrise macht auch vor Potsdam nicht halt: Zu wenig Wasser und zu heiße Sommer führen zum Absterben der Bäume.
Es ist Mittwochmorgen im Park Sanssouci. Noch sind nicht viele Touristen im wohl bekanntesten Schlosspark des Potsdamer Welterbes unterwegs. Ein kleiner Traktor tuckert zwischen den Bäumen entlang. Im Schlepp hat er einen Tank. Über einen Schlauch bewässert ein Mitarbeiter der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten junge Bäume in einer Baumgruppe unweit des Neuen Palais.
Ralf Kreutz winkt ihm zu. Er ist einer von drei Revierleitern im Park Sanssouci und zuständig für den westlichen Teil des 300 Hektar großen Gartendenkmals. „Hier haben wir viele waldartige Bereiche“, erklärt er. Zehn Jahre arbeitet der ausgebildete Gärtner und Landschaftsarchitekt schon für die Schlösserstiftung. Es ist sein Traumjob, sagt er. Er könne die ganze Palette seiner Fähigkeiten anwenden. „Es ist nie langweilig.“
Doch von Jahr zu Jahr hat Kreutz mit mehr Problemen zu tun. Denn der Park wird sich verändern. „So wie jetzt wird es nicht mehr aussehen.“ Ohnehin sind viele der großen Bäume am Ende ihrer Lebensdauer. Es müsste also sukzessive nachgepflanzt werden. Der Erneuerungsprozess kommt allerdings unter Druck. Denn jedes Jahr fallen mehr Bäume vor der Zeit aus. Die Klimakrise setzt dem Park zu. Fehlende Niederschläge, heiße Sommer und Stürme führen zu immer mehr Schäden.
Kreutz zeigt zu einer Baumgruppe, Eichen vom Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Mehrere haben in den oberen Teilen ihrer Kronen kaum noch Laub. Bei anderen sind von dicken Ästen nur noch Stümpfe übrig. Sie werden wohl nicht mehr lange überleben. „Findet der Baum nicht ausreichend Wasser, stirbt er von oben nach unten ab“, erklärt Kreutz. Rund 150 Bäume habe man nach dem Winter fällen müssen.
Wurzeln kommen nicht mehr an Grundwasser
Seit 1990 sind Hunderte Millionen Euro in die Schlösser und Parks in Potsdam geflossen. Die ziehen seitdem viele Besucher an. Im letzten Jahr vor der Pandemie besichtigten rund 320.000 Besucher das Schloss Sanssouci. Doch die Gartenlandschaft Lennés leidet seit ein paar Jahren unter Trockenheit. Das ist besonders für die älteren Bäume ein Problem. Denn ihre Wurzeln sind schon ausgewachsen. Und sie reichen etwa 1,50 bis 1,80 Meter weit ins Erdreich und erreichen damit nicht das Grundwasser. Sie sind an eine andere Feuchtigkeit im Boden gewöhnt und können sich nun nicht mehr anpassen.
Dass es gerade in Potsdam zu trocken sein könnte, mutet zunächst seltsam an. Die Stadt ist praktisch umzingelt von Seen und Flüssen. Schaut man auf eine Satellitenaufnahme des Stadtgebiets, sieht man, dass die Innenstadt und die sie umgebenden nördlichen und westlichen Vorstädte praktisch eine Insel sind. Es gibt keinen Weg in die Stadt, der nicht über eine Brücke führt. Auf beiden Seiten der Havel befindet sich das Areal des Unesco-Kulturerbes mit den Schlössern und Gärten der preußischen Könige.
Tatsächlich hatten die Hohenzollern auch so ihre Probleme mit dem Wasser – allerdings hatten sie zu viel. Jahrhundertelang hat man sich bemüht, die teilweise ziemlich sumpfige Potsdamer Umgebung trockenzulegen. Kanäle wurden gebaut, Pumpen installiert und Wasserbecken angelegt. Selbst mitten in der Potsdamer Innenstadt gab es drei davon. Der Bassinplatz hat diesem Umstand seinen Namen zu verdanken.
Doch mit der Klimakrise hat sich die Situation komplett gedreht. Von den vergangenen vier Jahren waren drei deutlich zu trocken. Ausnahme war das Jahr 2021, in dem etwa die durchschnittliche Niederschlagsmenge erreicht wurde. Allerdings war das vergangene Jahr auch wärmer als der langjährige Durchschnitt. Und wenn es wärmer ist, verdunstet auch mehr Wasser. Entsprechend sieht es im Untergrund aus: Der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung verzeichnet für den Gesamtboden bis 1,80 Meter Tiefe eine außergewöhnliche Dürre für den Großteil des Stadtgebiets.
Abpumpen von Wasser dieses Jahr verboten
Auch in diesem Jahr ist es in Potsdam seit Monaten zu trocken. So hat es zum Beispiel im März nur einen kleinen Bruchteil der sonst üblichen Regenmenge gegeben. Auch im Juli sind laut dem Meteorologenportal www.wetterkontor.de im Vergleich zu den Juli-Monaten der Jahre 1961 bis 1990 nur knapp 70 Prozent der üblichen Regenmenge gefallen. Im Juni waren es sogar nur 40 Prozent. Zugleich war es im Schnitt drei Grad wärmer als damals.
Ende Juni wurde deshalb das Rathaus aktiv. Per Allgemeinverfügung untersagte man die Entnahme von Oberflächenwasser. Es ist also verboten, Wasser aus Seen, Flüssen und Gräben zu pumpen, um zu gießen. Die Verfügung gilt bis zum 10. Oktober. Wer gegen das Verbot verstößt, muss mit Bußgeldern bis zu 50.000 Euro rechnen.
Die Begründung: Seit 2018 könne das Wasserdefizit in den Wintermonaten nicht ausgeglichen werden – weshalb es jedes Jahr zu „extremem Niedrigwasser in den Frühjahrs- und Sommerhalbjahren“ komme. In der Folge seien die Gewässer zusätzlichem Stress ausgesetzt, was zu vermehrtem Algenwachstum und Fischsterben aufgrund von Sauerstoffmangel führen könne.
Die Schlösserstiftung hat allerdings eine Ausnahmegenehmigung, wie Kreutz erklärt. „Die gilt aber nur nachts.“ Das Wasser wird dann in ein Reservoir auf dem Ruinenberg gepumpt. Die Gegend nördlich von Sanssouci heißt so, weil Friedrich II. dort künstliche Ruinen als antike Kulisse aufstellen ließ. Das Wasser brauchte der Preußenkönig für die Fontänen in seinem Schlosspark.
Derzeit ist allerdings nur die große Fontäne vor den Sanssouci-Terrassen in Betrieb, die meisten anderen Brunnen sind abgeschaltet, um Wasser zu sparen. Das brauchen nämlich Kreutz und seine Kolleg:innen, damit die Pflanzen nicht verdorren. „Es reicht gerade so aus“, sagt er.
Im Park werden neue Methoden gesucht
Um das wenige Wasser effektiver einzusetzen, wenden Kreutz und seine Kolleg:innen mehrere Methoden an. So sieht man an vielen Stellen im Park Gießsäcke an Jungbäumen. Je nach Größe fassen die perforierten Säcke zwischen 50 und 80 Liter Wasser. Das geben sie dann über ein bis zwei Tage langsam aber stetig dort ab, wo der junge Baum auch Wurzeln hat. So verdunstet weniger.
Andere Pflanzen sind mit Gießrändern eingefasst. Die verhindern, dass das Wasser oberirdisch abfließt. Eine Notlösung, sagt Kreutz. „Eigentlich wollen wir keine Plastikstrukturen im Park haben.“ Früher habe man Jungbäume in den ersten drei Jahren gießen müssen. Inzwischen sind es mindestens fünf Jahre. „Wir müssen die päppeln, damit sie hier ankommen.“ Der Mehraufwand sei erheblich.
Außerdem haben die Gärtner angefangen, den Baumnachwuchs verstärkt im Park selbst heranzuziehen. „Baumpflanzungen funktionieren nicht mehr so gut wie früher“, sagt Kreutz. Nun wird entweder vor Ort ausgesät oder man setzt auf die natürliche Vermehrung. Auf einer Wiese zeigt er junge Eichentriebe im hohen Gras, die erst 20 bis 30 Zentimeter hoch sind. „Deshalb mähen wir diese Bereiche nicht mehr.“ Nach ein paar Jahren werde dann selektiert. „Jede einzelne Pflanze, die von alleine hochkommt, ist ja an die lokalen Bedingungen angepasst.“ Das mache sie widerstandsfähiger.
Aber die Stiftung arbeite auch mit neuen, besonders klimaresistenten Baumarten wie der Japanischen Zelkove oder der Resista-Ulme. Zunächst pflanze man sie in Randbereichen, um zu beobachten, wie sie sich vor Ort entwickeln. Doch selbst wenn es klappt, werde sich der Park wohl verändern. „Die sehen einfach anders aus“, sagt Kreutz.
Außerdem beteiligt sich die Schlösserstiftung an einem Forschungsprojekt mit der Fraunhofer-Gesellschaft und dem Helmholtz-Zentrum. Man experimentiert mit verschiedenen Substraten zur Verbesserung des Bodens. Zum Beispiel werde Pflanzenkohle eingebracht, um mehr Wasser zu speichern. Schafwolle soll gegen Verdichtung helfen.
Bestehende Bäume anfälliger
Das fehlende Wasser macht Bäume auch anfälliger für Schädlinge. Kreutz führt zu einer Rotbuche. An ihrem Stamm wachsen schon Pilze. Weiter oben sind Spechtlöcher zu erkennen – auch ein Zeichen für geschwächte Bäume. Eine Gefahr ist auch der Sommerbruch. „An heißen Tagen um die Mittagszeit schaffen es manche Bäume nicht, ihre Krone mit genug Wasser zu versorgen“, erklärt Kreutz. Dann könne es vorkommen, dass sie das Eigengewicht von Ästen nicht tragen können. Ohne Vorwarnung können dann selbst große Äste abbrechen.
Ein paar hundert Meter weiter führt er zu einer Baumgruppe, die ein bisschen gerupft aussieht. Auch hier hat es Sturmschäden gegeben. „Das Ahorn leidet“, sagt Kreutz. In der Baumkrone sind kahle Äste zu erkennen. Man pflanze nach: Birken, Kiefern, Eichen. „Erst mal Masse reinbringen.“ In der Gruppe steht auch eine kaukasische Flügelnuss, eine invasive Art, deren Ableger in der ganzen Bauminsel sprießen. Die neuen Triebe müsse man entfernen, um den anderen Arten Licht zu geben.
In der Nähe wächst eine kleine Buche. Kreutz schaut sie sich näher an und ist zufrieden. „Das sind unsere Zukunftsbäume. Nicht alles ist verloren.“
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