Baumfällungen am Marx-Engels-Forum: Endlich beginnt die Umgestaltung in Berlins Mitte
Freiraum statt neue Altstadt: Das war lange strittig. Nun wird der Freiraum Realität. Das ist die Nachricht der Woche. Nicht die Fällung von Bäumen.
![Visualisierung der Umgestaltung Visualisierung der Umgestaltung](https://taz.de/picture/7531277/14/RMP-Stephan-Lenzen-1.jpeg)
E in schöner Anblick war es nicht. Gefällte Stämme, gestapelt und bereit zum Abtransport, daneben die kahlen Stümpfe. 35 Bäume wurden am Mittwoch am Marx-Engels-Forum gerodet. Der Protest fiel mager aus. Eine Stunde nach Beginn der Fällaktion waren mehr Polizeibeamte vor Ort als Protestierende.
Ein „Kettensägenmassaker“ hat Heinrich Strößenreuther die Fällung genannt. „In der heutigen Welt gesunde Bäume zu fällen, ist von vorgestern“, kritisiert der Initiator der Initiative „BaumEntscheid“ Berlin. Die Initiative setzt sich für eine Stadt ein, die auf Hitze, Trockenheit und Starkregen vorbereitet ist. „Das heißt, wir brauchen Becken, in denen das Wasser bei Regen rein- und wieder rauslaufen kann, und wir müssen Bäume und Grünflächen erhalten“, so Strößenreuther weiter.
Leider sieht der Aktivist, der erst in die CDU eingetreten und dann wieder aus ihr ausgetreten ist, in diesem Fall vor lauter Bäumen nicht das Große und Ganze. Die Planung für einen resilienten Stadtumbau zwischen Fernsehturm und Spreeufer gibt es bereits. Es ist der Siegerentwurf eines Freiraumwettbewerbs, der nun in die Realisierung geht. Für die Bäume, die am Mittwoch gefällt wurden, gibt es nicht nur Ersatz. Das gesamte Rathausforum und Marx-Engels-Forum werden nach dem Prinzip der Schwammstadt umgebaut.
Denn das ist eine der Kernaussagen des Entwurfs, mit dem das Büro RMP Stephan Lenzen 2021 den Freiraumwettbewerb für die Umgestaltung des 7 Hektar großen Areals gewonnen hat. Und es ist auch Teil der ersten bauvorbereitenden Maßnahmen, mit dem die Grün Berlin als Bauherrin nun begonnen hat.
„Los geht es mit der Erstellung einer Versickerungsfläche am Marx-Engels-Forum, die Teil des künftigen nachhaltigen Regenwassermanagements zwischen Fernsehturm und Spree wird“, heißt es bei der landeseigenen Gesellschaft „Anstatt wie bisher über die Kanalisation abzufließen, wird das Niederschlagswasser ressourcenschonend gesammelt und vollständig auf dem Areal des Rathaus- und Marx-Engels-Forums verdunstet oder versickert.“
Ohne Fällungen keine Barrierefreiheit
Das zweite Ausrufezeichen des Entwurfs von RMP Stephan Lenzen ist der behindertengerechte Zugang zum Spreeufer. Dafür wird der Marx-Engels-Platz abgeschrägt und soll den barrierefreien Zugang zum Ufer ermöglichen. Das rief am Freitag auch die Iniative Offene Mitte Berlin in Erinnerung, die sich seit Jahren für eine Aufwertung des Freiraums einsetzt. „Aktuell ist ist das Spreeufer nicht barrierefrei zugänglich, mobilitätseingeschränkte Personen können weder die Schiffsanlegestelle noch das Spreeufer erreichen“, erklärte der Sprecher der Initiative Matthias Grünzig.
Grünzig verweist auch auf das Beteiligungsverfahren, das dem Freiraumwettbewerb vorangegangen war. „Die barrierefreie Umgestaltung des Spreeufers war ein wichtiges Anliegen vieler Bürgerinnen und Bürger. Dieses Thema wurde während des Partizipationsverfahrens intensiv diskutiert, und alle Beteiligten waren bemüht, diese Barrierefreiheit ohne größere Eingriffe zu realisieren.“
Dennoch sei es nicht möglich gewesen, die nötigen Rampen ohne Baumfällungen zu planen. Allerdings würden die 35 gefällten Bäume durch 100 neue ersetzt.
Grünzigs Initiative hält darum die Kritik an den Baumfällungen für unberechtigt. Vielleicht muss an dieser Stelle auch noch einmal daran erinnert werden, dass sich die Initiative Offene Mitte maßgeblich dafür eingesetzt hat, dass der Freiraum zwischen Fernsehturm und Spree erhalten wird. Denn lange Zeit lautete die Alternative an diesem zentralen Ort der Berliner Mitte: Freiraum oder Rekonstruktion der im Krieg zerstörten Altstadt rund um die Marienkirche. Für letzteres hatte sich auch Berlins Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt ausgesprochen.
Mit dem Beginn des Umbaus am Marx-Engels-Forum sind nun die letzten Zweifel beseitigt, dass der Freiraum kommen wird. Das ist eine gute Nachricht.
Offen bleibt die Spandauer Straße
Eine weitere gute Nachricht wäre es, wenn Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) den Widerstand dagegen aufgibt, die Spandauer Straße auf je eine Spur pro Richtung zurückzubauen. Denn das war neben resilienter Umgestaltung und barrierefreiem Zugang zur Spree der dritte wichtige Punkt des Siegerentwurfs: Rathausforum und Marx-Engels-Forum zu einem großen Raum zusammenzuführen und die trennende Wirkung der Spandauer Straße zu überwinden.
Vielleicht demonstriert Heinrich Strößenreuther ja einmal vor dem Sitz der Verkehrsverwaltung. Das darf er auch ohne Mitglied der CDU zu sein.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!