Bauhaus Dessau: Provinzielle Markenpflege
Philipp Oswalt leitet erfolgreich die Stiftung Bauhaus Dessau. Der Stiftungsratspräsident Stephan Dorgerloh will ihn nicht mehr. Niemand weiß, warum.
Spätestens seit letzter Woche schlägt eine Meldung hohe Wellen: Bauhaus-Direktor Philipp Oswalt solle abgesägt werden! Nun ist Oswalt eigentlich nicht Bauhaus-Direktor. Das Bauhaus hat 1933 aufgehört zu existieren. Oswalt ist Chef der Stiftung Bauhaus Dessau.
Die 1994 gegründete Stiftung soll das Erbe des historischen Bauhauses pflegen und vermitteln. In der Satzung ist von einer „Bauhausidee“ die Rede. Nur, was diese Idee war und was man aus ihr für die Gegenwart ableiten kann, bleibt Interpretationssache. Das Bauhaus war bunt und vielfältig. Die eine Idee gibt es nicht.
Für die Träger der Stiftung Bauhaus – den Bund, das Land Sachsen-Anhalt und die Stadt Dessau – scheint der Wert der weltweit bekannten Marke Bauhaus zu einem Großteil darin zu bestehen, Touristen anzulocken. Das heutige Dessau-Rosslau hat es auch bitter nötig. Die Stadt sieht inzwischen in manchen Teilen schon wieder ähnlich aus wie nach dem letzten Krieg, als fast die gesamte Innenstadt durch Bomben zerstört war.
Avantgarde der Energietechnik
Heute finden sich buchstäblich blühende Landschaften mitten in der Innenstadt. In der Beschäftigung mit Schrumpfungsprozessen haben bereits Oswalts Vorgänger eine Aufgabe gesehen. In Bauhaus-Werkstatt und Bauhaus-Lab der Stiftung befasst man sich praktisch wie theoretisch weiter mit Gegenwartsfragen – außer mit Schrumpfung als Chance etwa auch mit einer neuen „energetischen Avantgarde“.
Philipp Oswalt, seit 2009 für fünf Jahre ins Amt berufen, konnte auf der Arbeit seiner Vorgänger aufbauen, auch etwa was die Renovierung des zum Unesco-Weltkulturerbe zählenden Bauhaus-Gebäudes von Walter Gropius angeht. Oswalt hat in seiner Amtszeit die Marke Bauhaus gestärkt. Die Zahl der Besucher steigt. Der Neubau eines Bauhaus-Museums in Dessau wird auch seinem Insistieren zugeschrieben.
Allerdings konnte Sachsen-Anhalt gegenüber den anderen Bauhausstätten in Berlin und Weimar anlässlich des bevorstehenden 100-jährigen Bauhaus-Jubiläums im Jahr 2019 kaum ohne Gesichtsverlust zurückstehen. Beim Berliner Bauhaus-Archiv wird angebaut, und Weimar leistet sich ebenfalls einen Museumsneubau. Die Vorbereitungen für umfangreiche Aktivitäten des Verbundes der drei Bauhaus-Museen im Hinblick auf das runde Jubiläum laufen bereits.
Da platzt nun also die Meldung herein, die Stelle des sogenannten Bauhaus-Direktors in Dessau solle neu ausgeschrieben werden. Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) ließ das per Umlaufverfahren, also ohne Diskussion, durch die Mitglieder des Stiftungsrats beschließen. Gründe für diesen in der Praxis sehr ungewöhnlichen Schritt nannte er keine. Bislang hatte der Minister Oswalt öffentlich immer nur gelobt. Eine zweite Amtsperiode galt wie bei seinen Vorgängern als ausgemacht. Oswalt hätte auch gerne weitergemacht. Ob er sich nun die Demütigung einer neuen Bewerbung, die möglich wäre, antut, ließ er in einem Gespräch mit der taz offen.
Solidaritätsbekundungen
Schon jetzt gibt es Solidaritätsbekundungen und besorgte Anfragen bei Minister Dorgerloh von Belegschaft und dem Freundeskreis des Bauhauses sowie von Sympathisanten. Oswalt ist gut vernetzt. Er betreibt ein eigenes Architektenbüro in Berlin, war lange Redakteur bei der eher linken Zeitschrift Arch+ und bekleidete vor seinem Amtsantritt in Dessau eine Professur für Architekturtheorie in Kassel. Außerdem streitet er auf der eigenen Forschungsplattform „Urban Catalysts“ für eine Stadtentwicklung jenseits der bloßen Investitionsarchitektur. Vielleicht ist diese Umtriebigkeit aber auch ein Problem.
Statt sich in den Niederungen der sächsisch-anhaltischen Politik tummelt sich Oswalt außerhalb von Dessau auf diversen Aktionsfeldern. So tat er sich immer wieder als fundierter Kritiker der Schlossrekonstruktion in Berlin hervor, die von ebenjener Bundesregierung ins Werk gesetzt wird, die als einer der Hauptfinanziers die Stiftung Bauhaus Dessau mit Millionen päppelt. Ein Spagat. Oswalt gehört als „Bauhaus-Direktor“ zum Establishment, das er in anderer Rolle gleichzeitig kritisiert.
Rätsehaftes Vorgehen
Das Vorgehen von Minister Dorgerloh bleibt aber dennoch rätselhaft. Ein Ausschreibungstext für Oswalts Stelle soll auf der nächsten Stiftungsratssitzung am 22. November beschlossen werden. Spätestens dann wird man mehr wissen.
Eigentlich sollte Dorgerloh bewusst sein, dass man eine Stelle, die gemeinhin als Bauhaus-Direktor firmiert, nicht wie eine Provinzangelegenheit behandeln kann. Der Name „Bauhaus“ strahlt aus in die ganze Welt. An diesem Ruf muss sich auch das Handeln der Verantwortlichen messen lassen. Dorgerloh und die willfährigen Unterzeichner seines Umlaufs sollten sich daran erinnern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ministerpräsident in Thüringen gewählt
Mario Voigt schafft es im ersten Versuch
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“