Barghuti kandidiert als Palästinenserpräsident: Wahlsieger hinter Gittern
Früher war Marwan Barghuti Chef der Fatah-Tansimmilizen, seit Jahren sitzt er im Gefängnis. Nun gilt er als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge von Palästinenserpräsident Abbas.
Seit fünf Jahren sitzt er hinter Gittern und hat nichts von seiner großen Popularität eingebüßt. Marwan Barghuti, der frühere Chef der Fatah-Tansimmilizen im Westjordanland und Parlamentsabgeordneter, hat bei den Wahlen zum Zentralrat der Partei einen hohen Posten ergattert. Er gilt jetzt als einer der aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge von Mahmud Abbas, sollte der Palästinenserpräsident Anfang kommenden Jahres nicht noch einmal kandidieren.
Für 165 Jahre schickten israelische Richter ihn ins Gefängnis, nachdem sie Barghuti für die Planung dreier Attentate für schuldig befunden hatten. Die gefesselten Hände in die Luft gestreckt, ließ sich Barguti damals abführen. "Egal, wie viele sie verhaften oder töten", sagte er, "sie werden die Entschlossenheit des palästinensischen Volkes nicht brechen." Die Intifada werde "triumphieren", so die Prophezeiung des heute 50-Jährigen, der seinen politischen Aktivismus hinter Gittern fortsetzte.
Ganz oben auf seiner Agenda standen stets die Reform der Fatah und mehr Einfluss für jüngere Politiker. Anfang 2005 kandidierte er für die Präsidentschaft, trat aber kurz vor den Wahlen zurück, um die Chancen des zweiten Fatah-Kandidaten Abbas nicht zu mindern. Aus der Feder Barghutis stammte das sogenannte Gefangenendokument, mit dem Häftlinge der Fatah und der Hamas einen Kompromiss für den Konflikt der beiden Fraktionen ausarbeiteten, der indes nie umgesetzt wurde.
Für seine Anhänger wurde Barghuti durch seine spektakuläre Festnahme - eine israelische Sondereinheit hatte ihn über Wochen verfolgt und schließlich entführt - und das harte Urteil zu einer Art palästinensischem Nelson Mandela. Über Jahre hielt der Verfechter der Zwei-Staaten-Lösung die von ihm mit gegründete "Schabiba", die Fatah-Jugend, dazu an, den Widerstandskampf auf die besetzten Gebiete zu konzentrieren. Erst im Verlauf der Al-Aksa-Intifada, massiver Militäroperationen im Westjordanland und Hinrichtungen palästinensischer Extremisten entschied er, den Kampf auf israelisches Gebiet auszuweiten. Barghuti steht auf der Liste der für einen Geiselaustausch mit dem von der Hamas entführten Soldaten Gilad Schalit vorgesehenen Häftlinge und kann mit vorzeitiger Begnadigung rechnen. SUSANNE KNAUL
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut