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Barbara Oertel über die Unabhängigkeitsfeiern in der UkraineGeschmacklose Militärparade

Anlässlich des 25. Jahrestages der Unabhängigkeit fällt der ukrainischen Staatsführung leider nichts Besseres ein, als Panzer durch die Hauptstadt Kiew rollen zu lassen. Das ist angesichts der Situation in der Ostukraine mehr als geschmacklos. Dort kosten Kämpfe zwischen Soldaten der ukrainischen Armee und prorussischen Separatisten – auf deren Seite Moskau trotz gegenteiliger Behauptungen tatkräftig mittut – fast täglich Menschenleben. Überdies sind willkürliche Festnahmen, Verschwindenlassen und Folter, wie von den Menschenrechtsorganisa­tio­nen Amnesty International und Human Rights Watch in ihrem jüngsten Bericht dokumentiert, bei beiden Konfliktparteien an der Tagesordnung.

Doch einmal abgesehen davon, wie man diese militärische Machtdemonstration, die eigentlich eher Ohnmacht ausdrückt, bewertet: Was gibt es an diesem 24. August im Jahre 2016 eigentlich zu feiern? Nicht viel. Von den demokratischen Reformen, die in Angriff zu nehmen die Regierungen nach dem Sturz von Staatschef Wiktor Janukowistch 2014 angetreten waren, ist nicht viel zu sehen. Rechtsstaatliche Strukturen und eine unabhängige Justiz? Fehlanzeige. Manche Medien werden in einer Art und Weise geknebelt, die an finsterste Zeiten vor dem Euro-Maidan erinnern.

Für viele Menschen in der Ukraine hat sich ihre Lebenssituation nicht verbessert. Und das alles ist durch den Krieg im Donbass allenfalls bedingt zu erklären. Wie groß der Unmut ob der ausbleibenden Veränderungen in der Bevölkerung mittlerweile ist, zeigte unlängst ein Appell von ukrainischen Intellektuellen an westliche Institutionen wie den IWF: Sie forderten, die Unterstützung der Ukraine erst einmal einzustellen.

Anstatt Bataillone abzuschreiten und westliche Militärhilfe zu fordern, sollte Präsident Petro Poroschenko diese Initiative ernst nehmen. Er muss jetzt endlich liefern. Dann würde es im August 2017 vielleicht wirklich etwas zu feiern geben.

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