Bandenmorde in Irland: Vor dem Boxkampf erschossen
In Dublin tobt ein Drogenkrieg, dem schon mehrere Menschen zum Opfer gefallen sind. Die zwei größten Banden Europas sind darin verwickelt.
Sie stürmten in den Hotelsaal, wo zwei Männer vor 300 Zuschauern gerade gewogen wurden. Jamie Kavanagh und Antonio Jao Bento sollten am nächsten Tag um die WBO-Europameisterschaft im Leichtgewicht boxen. Die fünf Männer von Hutchs Bande, einer davon als Frau verkleidet, eröffneten das Feuer aus Kalaschnikows. Der 34-jährige David Byrne starb durch drei Schüsse, zwei andere Gäste wurden schwer verletzt.
Am Montag bekannte sich die Continuity IRA, eine Abspaltung der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), zum Mord an Byrne. In einem Anruf bei der BBC kündigte ein Sprecher weitere Angriffe „auf Drogenhändler und Kriminelle“ an. Doch die Polizei hält das für ein Ablenkungsmanöver. Sie glaubt, die Tat sei eine Eskalation des Krieges zwischen zwei der gewalttätigsten Drogenbanden Europas, dem bereits 17 Männer zum Opfer gefallen sind.
Einer davon war Gerard „das Beil“ Kavanagh, der Vater des Boxers, der als Geldeintreiber für den Drogenzar Christy Kinahan gearbeitet hatte. Als er seinen Auftrag, eine Million Euro von Kleindealern in Dublin einzutreiben, nicht erfüllte, wurde er erschossen. Auch Byrne hatte für Kinahan gearbeitet. Der lenkt seinen lukrativen Drogengroßhandel vom südspanischen Marbella aus.
Boss Kinahan ist hochintelligent
Das Geschäft funktioniert überall nach dem gleichen Muster: Kinahans Leute gründen kleine Firmen und exportieren billige Lebensmittel aus Spanien. Wenn diese Lieferungen nach einigen Monaten etabliert sind und keine Aufmerksamkeit des Zolls mehr erregen, beginnt der Schmuggel mit Kokain und Cannabis.
Der 57-jährige Kinahan, der in Irland, Belgien und den Niederlanden Gefängnisstrafen verbüßt hat, ist hoch intelligent und spricht vier Sprachen. Im Gefängnis hat er einen Universitätsabschluss gemacht. Seit 15 Jahren residiert er in Marbella in einer Villa im Wert von sechs Millionen Euro.
Der Grund hierfür war eine Gesetzesänderung in Irland. Nach dem Mord an der Journalistin Veronica Guerin vor 20 Jahren schufen die Behörden das Criminal Assets Bureau, das die Vermögenswerte von Kriminellen beschlagnahmen kann – aber nur in Irland.
Nachdem Kinahan 2010 einen Mord in Spanien in Auftrag gegeben haben soll, war aber das Interesse der Polizei in mehreren Ländern an ihm geweckt. Im Mai jenen Jahres führten 700 Polizisten in verschiedenen europäischen Ländern koordinierte Razzien durch.
Schottische Bande kommt ins Spiel
Auch bei Kinahan traten sie die Tür ein und verhafteten ihn. Er und seine Bande besitzen Immobilien in Irland, Spanien, Belgien, Dubai, Südafrika, Brasilien und auf Zypern im Wert von über 150 Millionen Euro. Während die Polizei ihren Erfolg feierte, ließ das Gericht Kinahan aus Mangel an Beweisen wieder laufen.
Das Angriffsziel am Freitag waren seine Bandenmitglieder, darunter sein Sohn Daniel, der aber entkommen konnte. Auch die Täter konnten entkommen, aber nicht unerkannt. Mehrere Zeitungen hatten Reporter zu dem Vorgeplänkel des Boxkampfes geschickt. Ihre Videos und Fotos von den unmaskierten Tätern beschlagnahmte die Polizei. Die hatte früher die Drogenhändler routinemäßig observiert, das aber aus Geldmangel eingestellt.
Der Anschlag im Regency-Hotel war ebenfalls ein Racheakt. Der Neffe von Gerry Hutch, Gary Hutch, gehörte früher zu Kinahans Bande, zerstritt sich jedoch mit dem Boss und wurde vorigen September in Marbella erschossen. Es wird gemunkelt, dass Hutch sich mit einer schottischen Drogenbande in Spanien verbündet habe, um Kinahan auszuschalten.
Die Polizei rechnet damit, dass der Krieg vor allem in Dublin ausgetragen wird. Sie hat vorläufig auf sämtlichen Ausfallstraßen Kontrollpunkte errichtet. Der Boxkampf wurde übrigens abgesagt.
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