Bandengewalt in Haiti: Noch keine internationale Mission
Haitis Regierungskrise hält an. Ohne eine neue Regierung wird auch die Entsendung einer Polizeimission schwierig. Die UN warnen vor einer Hungersnot.
Nach Gesprächen in Jamaika hatte die karibische Staatengemeinschaft Caricom am Montag (Ortszeit) die Gründung eines haitianischen Übergangspräsidialrats angekündigt, der eine neue Interimsregierung bestimmen und den Weg hin zu Wahlen ebnen soll. Kurz darauf kündigte Interimspremierminister Ariel Henry an, zurückzutreten, sobald der Rat seinen Nachfolger bestimmt habe.
Henry hatte die Regierungsgeschäfte kurz nach der Ermordung des Präsidenten Jovenel Moïse im Juli 2021 übernommen. Seitdem gab es keine Wahlen, das Land hat weder einen Präsidenten noch ein Parlament. Als Henry im Jahr 2022 eine massive Erhöhung der Kraftstoffpreise ankündigte, kam es zu großen Protesten und Plünderungen.
Laut den Vereinten Nationen kontrollieren brutal agierende Banden rund 80 Prozent der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince. Die zwei mächtigsten Banden schlossen sich Ende Februar zusammen und forderten Henrys Rücktritt, während der Regierungschef auf einer Auslandsreise war. Von dieser ist er bis heute nicht zurückgekehrt – Henry soll sich zurzeit in Puerto Rico aufhalten. Die Reise hatte ihn unter anderem nach Kenia geführt, wo am 1. März beide Staaten die Entsendung von 1.000 kenianischen Polizeibeamten nach Haiti vereinbarten. Dabei hatte ein kenianisches Gericht den Einsatz zuvor für verfassungswidrig erklärt.
Eine der schwersten Lebensmittelkrisen der Welt
Der UN-Sicherheitsrat hatte die Mission zur Unterstützung der haitianischen Polizei bereits im Oktober genehmigt. Kenia erklärte sich bereit, die Führung zu übernehmen. Auch Benin, die Bahamas, Bangladesch, Barbados und der Tschad sagten Einsatzkräfte zu. Beim Caricom-Treffen in Kingston erhöhte US-Außenminister Antony Blinken die finanzielle Hilfszusage der USA für die Mission um 100 Millionen auf 300 Millionen Dollar (rund 274 Millionen Euro). Der US-Kongress gab jedoch bisher nur einen Teil davon frei. Nach Angaben eines UN-Sprechers vom Montag gingen zur Finanzierung des Einsatzes erst 10,8 Millionen Dollar ein.
Der Sprecher teilte außerdem mit, der Plan zur Deckung des humanitären Bedarfs in Haiti, für den 674 Millionen US-Dollar benötigt würden, sei nur zu 2,6 Prozent finanziert. Fast die Hälfte der rund 11 Millionen Einwohner des Landes leidet nach Schätzung der Vereinten Nationen unter akutem Hunger. In Haiti herrsche eine der schwersten Lebensmittelkrisen der Welt, sagte der WFP-Landesdirektor in Haiti, Jean-Martin Bauer. „1,4 Millionen Haitianer sind einen Schritt von einer Hungersnot entfernt.“
Die UN-Organisation befürchtet, dass die schon jetzt nicht ausreichenden Bemühungen um humanitäre Hilfe zum Erliegen kommen könnten, weil die schlechte Sicherheitslage den Zugang zu den Menschen behindere, aber auch wegen versiegender finanzieller Mittel. Auch die Welthungerhilfe forderte die internationalen Geldgeber auf, die humanitären Mittel für Haiti aufzustocken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren