Bananenbauern gegen Aldi und Co.: Krumme Geschäfte
Bananenbauern in Ecuador haben es nicht leicht – das liegt auch an deutschen Importeuren von Aldi und Co. Eine Gewerkschaft geht dagegen an. Mit Erfolg.
Der 57-Jährige mit den von grauen Strähnen durchzogenen Haaren hat sie selbst gepflanzt, auf seiner sieben Hektar großen Bio-Farm in der Bananenprovinz Guayas im Süden von Ecuador. Zusammen mit seiner Frau, einem seiner Söhne und zuweilen ein paar Hilfsarbeiter*innen erntet und verpackt er das ganze Jahr über Bananen, 230 Kisten schaffen sie pro Woche. Verschifft werden sie vom Exporthafen Machala im Süden des Landes. Auf Janzaguanos Kisten prangen Logo und Aufdruck von Banafair und Fairtrade.
Janzaguano hat großes Glück. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Bananenbauern kann er mit festen Einnahmen rechnen. Mit einem Dutzend anderer Bauern hat er eine Kooperative gegründet. Ein in Gelnhausen bei Frankfurt ansässiger Fairtrade-Importeur nimmt ihnen zwei Container pro Woche ab. Einen weiteren Abnehmer hat die Kooperative in Italien.
8,20 US-Dollar plus ein US-Dollar Prämie für soziale Projekte zahlen die europäischen Importeure von Banafair den Bauern pro Kiste. „Sie halten uns über Wasser“, sagt Janzaguano.
Er weiß genau, mit welchen Bedingungen andere Kleinbauern aus der Region zu kämpfen haben. Oft müssten sie unter dem offiziell festgelegten Mindestpreis von 6,25 US-Dollar pro Kiste Bananen verkaufen. „Das ist ein mieses Geschäft.“
Mitverantwortlich für die Dumpingpreise sind die großen Supermarktketten von Aldi bis Rewe, die immer öfter die Preise diktieren. Zuletzt kündigte Aldi im November 2020 an, den Ankaufpreis pro Kiste um rund einen Euro abzusenken. Das hat für viel Kritik in den Produktionsländern geführt. Und es zeigt, dass nicht mehr die internationalen Exporteure wie Chiquita oder Del Monte die Preise vorgeben, wie es noch in den 1990er Jahren der Fall war.
Wenn die großen Supermarktketten ohne Mittelhändler importieren, sind sie für die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen mitverantwortlich – eigentlich. Doch die Realität sieht oft anders aus. Preise von 88 Cent pro Kilogramm konventioneller Bananen bei den Discountern haben gravierende Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen, so Frank Braßel, Kampagnenleiter für wirtschaftliche Gerechtigkeit bei der Hilfsorganisation Oxfam. „Die Leute müssen länger arbeiten, werden schlechter bezahlt. Überstunden oft nicht vergütet“.
Das belegt auch eine von der Friedrich-Ebert-Stiftung mitfinanzierte und 2019 erschienene Analyse des Instituts für Ecuadorianische Studien (IEE). Jede Woche exportiert Ecuador zwischen fünf und sieben Millionen Bananenkisten. Rund 70 Prozent des Volumens wird auf den großen Plantagen produziert. Die Arbeitslöhne dort liegen der Studie nach bei rund 17 US-Dollar pro Arbeitstag von 10 bis 14 Stunden. Neben nicht vergüteten Überstunden erhalten die Arbeiter*innen auch den offiziellen Mindestlohn nicht – weil sie pro Bananenkiste bezahlt werden.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Zudem wird die Gründung von Gewerkschaften auf den Plantagen mit allen Mitteln unterbunden. Ein Problem, gegen das Jorge Acosta kämpft. Der 60-Jährige ist der Koordinator der ersten Branchengewerkschaft Ecuadors ASTAC (Asociación Sindical de Trabajadores Bananeros Agrícolas y Campesinos). 2007 gegründet, zählt die Vereinigung heute 3.000 Mitglieder. Zuletzt seien auf einer Plantage des ecuadorianischen Bananenmagnaten Álvaro Noboa wieder mehrere Dutzend Arbeiter*innen entlassen worden, weil sie sich bei ASTAC organisiert hatten, kritisiert Acosta.
Doch das größte Hindernis für seine Gewerkschaft könnte bald überwunden sein: die juristische Anerkennung. Über ein Jahrzehnt hat das ecuadorianische Arbeitsministerium diese verzögert. Nun hat ein ecuadorianisches Gericht am 26. Mai die Verantwortlichen im Arbeitsministerium mit einem Urteil dazu aufgefordert, die ASTAC zu registrieren, die Gerichtsentscheidung auf der Homepage des Ministeriums zu veröffentlichen und sich bei der Gewerkschaft zu entschuldigen.
„Für uns, aber auch für Ecuador ist das Urteil ein Meilenstein, denn es ermöglicht de facto die landesweite Gründung von Branchengewerkschaften in Ecuador“, freut sich Acosta. In dem Land sind gerade einmal drei bis vier Prozent der Arbeiternehmer*innen gewerkschaftlich organisiert. Der Richterspruch ist für die Gewerkschaftsbewegung also eine Art Frischzellenkur.
Auch der gängigen Praxis, gewerkschaftlich organisierte Arbeiter*innen zu entlassen, dürfte das Urteil einen Riegel vorschieben. Denn nun muss das Arbeitsministerium einschreiten, wenn sich das Land nicht auch international ins Abseits stellen will. Mehrfach hat die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) diese Praxis kritisiert und auf Einhaltung der Konventionen, die allesamt in der Verfassung fixiert sind, gedrängt.
Einzig die Umsetzung des Urteils, die binnen 30 Tagen hätte erfolgen sollen, geht nicht voran: Auf der Homepage des Arbeitsministeriums ist das Urteil nicht veröffentlicht worden – anders als vom Gericht verfügt. Frank Braßel von Oxfam, der mit ASTAC seit Jahren zusammenarbeitet, hat den Eindruck, dass auf Zeit gespielt wird. Ein Grund dafür könnte sein, dass die neue Regierung in Ecuador erst am 24. Mai ihr Amt antrat, ein anderer, dass die sehr einflussreiche Bananenlobby hinter den Kulissen gegen das Urteil opponiert.
Das wäre in Ecuador nichts Neues, denn noch in der vorherigen Regierung war ein Bananenunternehmer Chef im Arbeitsministerium. Allerdings lässt das Urteil, so eine ASTAC-Rechtsanwältin, keinen Spielraum und könne nicht mehr angefochten werden.
Jorge Acosta kämpft nicht nur in Ecuador für die Rechte der Bananenbauern. Bereits vor zwei Jahren hat er vor der EU-Kommission auf die Zustände auf den Plantagen aufmerksam gemacht, denn der neunte Artikel des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Ecuador verpflichtet beide Seiten, Menschenrechte und ökologische Standards einzuhalten. Analysen wie die des IEE zeigen jedoch, dass das nicht ausreichend geschieht.
Deutsche Importeure etwa lassen sich zwar von ihren Partnern in Ecuador garantieren, dass auf deren Plantagen Arbeits- und Menschenrechte geachtet werden. Tatsächlich überprüft wird das aber in der Regel kaum. Acosta ärgert sich darüber: „Das Abkommen sieht keine Sanktionen vor – es ist ein Papiertiger“.
Mit dem Urteil des Gerichts in Ecuador über seine Gewerkschaft ASTAC hat er nun die Option, noch einmal in Europa Unterstützung zu suchen. Bei Regierungen wie der deutschen, die im bilateralen Verhältnis, aber auch auf europäischer Ebene auf die Verletzung von Grundrechten auf Ecuadors Plantagen hinweisen kann.
Das im Juni 2021 beschlossene deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG) könnte Acostas Bemühungen zusätzlichen Aufwind geben. Auf Anfrage der taz sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zur Rolle deutscher Importeure für die Arbeitsbedingungen auf Ecuadors Bananenplantagen: „Unternehmerische Verantwortung darf nicht an der Landesgrenze enden und deshalb haben wir das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verabschiedet. Unternehmen wie Aldi, Lidl und Co müssen nun ein angemessenes Risikomanagement einführen.“
Dazu gehöre es, entlang der gesamten Lieferkette menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflichten umzusetzen. In Ecuador könnte das für Veränderungen sorgen, denn das Gesetz benennt ausdrücklich Verstöße gegen die Vereinigungsfreiheit, aber auch das Vorenthalten eines angemessenen Lohns.
Es ist eine gute Nachricht für den umtriebigen Gewerkschafter Jorge Acosta, der ständig auf der Suche nach neuen Allianzen ist. Gespräche mit regionalen Gewerkschaften laufen genauso wie mit spanischen Gewerkschaftskameraden und in Ecuador mit Kleinbauern-Kooperativen wie jener von Jhony Janzaguano. Der ist angetan: „Wir brauchen Allianzen, denn die Zahl der Kleinbauern, die aufgeben, steigt. Das kann nicht im Interesse der Konsumenten sein.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“